Es kam der Herbst, mit ihm die Hochzeitfeier; in Aegä, der alten Residenz, und, seit Pella blühte, noch der Könige Begräbniß- ort, sollte das Beilager gehalten werden; von allen Seiten strömten Gäste herbei, in festlichem Pomp kamen die Theoren aus Griechen- land, die Häuptlinge der befreundeten Bergvölker, die dienstpflichti- gen Fürsten der Agrianer, Päonier, Odrysier, die Großen des Rei- ches, der ritterliche Adel des Landes, unzähliges Volk. In lautem Jubel, unter Begrüßungen und Ehrenverleihungen, unter Festzügen und Gelagen vergeht der erste Tag; Herolde laden zum nächsten Morgen in das Theater, die Wettkämpfe anzuschauen. Ehe noch der Morgen graut, drängt sich schon die Menge durch die Straßen zum Theater in buntem Gewühl; von seinen Edelknaben und Leib- wächtern umgeben naht endlich der König im festlichen Schmuck; er sendet die Begleitung vorauf in das Theater, er will sich trau- lich unter die Menge mischen, die ihm doppelt fröhlich zujauchzen wird. Da stürzt Pausanias auf ihn zu, durchbohrt seine Brust mit einem Dolch, und, während der König niedersinkt, eilt er zu den Pferden, die am Thore des Hauses bereit stehen; so ent- flieht er 35).
In wilder Verwirrung lös't sich die Versammlung; Alles ist in Gährung, Alles in Gefahr; wem soll das Reich gehören, wer es retten? Alexander ist der Erstgeborne des Königs; aber man fürchtet den wilden Haß seiner Mutter, die dem Könige zu gefallen Mancher verachtet und misehrt hat; schon ist sie in Aegä, die Tod- tenfeier ihres Gemahles zu halten; sie scheint das Furchtbare geah- net, ja vorausgewußt zu haben; den Mord des Königs nennt man ihr Werk, sie habe dem Mörder die Pferde bereit gehalten; auch Alexander habe um den Mord gewußt, ein Zeichen mehr, daß er nicht Philipps Sohn, sondern unter schwarzen Zauberkünsten em- pfangen und geboren sei; daher des Königs Abscheu gegen ihn und seine wilde Mutter, daher die zweite Ehe mit Kleopatra; dem Kna- ben, den sie eben geboren, gebühre das Reich; und habe nicht Atta- lus, ihr Oheim, des Königs Vertrauen gehabt? der sei würdig die Regentschaft zu übernehmen. Andere meinten, das nächste Recht am Reiche habe Amyntas, Perdikkas Sohn, der als Kind die Zügel
35)Diod. Justin. Paus. VIII. 7.
Es kam der Herbſt, mit ihm die Hochzeitfeier; in Aegä, der alten Reſidenz, und, ſeit Pella blühte, noch der Könige Begräbniß- ort, ſollte das Beilager gehalten werden; von allen Seiten ſtrömten Gäſte herbei, in feſtlichem Pomp kamen die Theoren aus Griechen- land, die Häuptlinge der befreundeten Bergvölker, die dienſtpflichti- gen Fürſten der Agrianer, Päonier, Odryſier, die Großen des Rei- ches, der ritterliche Adel des Landes, unzähliges Volk. In lautem Jubel, unter Begrüßungen und Ehrenverleihungen, unter Feſtzügen und Gelagen vergeht der erſte Tag; Herolde laden zum nächſten Morgen in das Theater, die Wettkämpfe anzuſchauen. Ehe noch der Morgen graut, drängt ſich ſchon die Menge durch die Straßen zum Theater in buntem Gewühl; von ſeinen Edelknaben und Leib- wächtern umgeben naht endlich der König im feſtlichen Schmuck; er ſendet die Begleitung vorauf in das Theater, er will ſich trau- lich unter die Menge miſchen, die ihm doppelt fröhlich zujauchzen wird. Da ſtürzt Pauſanias auf ihn zu, durchbohrt ſeine Bruſt mit einem Dolch, und, während der König niederſinkt, eilt er zu den Pferden, die am Thore des Hauſes bereit ſtehen; ſo ent- flieht er 35).
In wilder Verwirrung löſ’t ſich die Verſammlung; Alles iſt in Gährung, Alles in Gefahr; wem ſoll das Reich gehören, wer es retten? Alexander iſt der Erſtgeborne des Königs; aber man fürchtet den wilden Haß ſeiner Mutter, die dem Könige zu gefallen Mancher verachtet und misehrt hat; ſchon iſt ſie in Aegä, die Tod- tenfeier ihres Gemahles zu halten; ſie ſcheint das Furchtbare geah- net, ja vorausgewußt zu haben; den Mord des Königs nennt man ihr Werk, ſie habe dem Mörder die Pferde bereit gehalten; auch Alexander habe um den Mord gewußt, ein Zeichen mehr, daß er nicht Philipps Sohn, ſondern unter ſchwarzen Zauberkünſten em- pfangen und geboren ſei; daher des Königs Abſcheu gegen ihn und ſeine wilde Mutter, daher die zweite Ehe mit Kleopatra; dem Kna- ben, den ſie eben geboren, gebühre das Reich; und habe nicht Atta- lus, ihr Oheim, des Königs Vertrauen gehabt? der ſei würdig die Regentſchaft zu übernehmen. Andere meinten, das nächſte Recht am Reiche habe Amyntas, Perdikkas Sohn, der als Kind die Zügel
35)Diod. Justin. Paus. VIII. 7.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0067"n="53"/><p>Es kam der Herbſt, mit ihm die Hochzeitfeier; in Aegä, der<lb/>
alten Reſidenz, und, ſeit Pella blühte, noch der Könige Begräbniß-<lb/>
ort, ſollte das Beilager gehalten werden; von allen Seiten ſtrömten<lb/>
Gäſte herbei, in feſtlichem Pomp kamen die Theoren aus Griechen-<lb/>
land, die Häuptlinge der befreundeten Bergvölker, die dienſtpflichti-<lb/>
gen Fürſten der Agrianer, Päonier, Odryſier, die Großen des Rei-<lb/>
ches, der ritterliche Adel des Landes, unzähliges Volk. In lautem<lb/>
Jubel, unter Begrüßungen und Ehrenverleihungen, unter Feſtzügen<lb/>
und Gelagen vergeht der erſte Tag; Herolde laden zum nächſten<lb/>
Morgen in das Theater, die Wettkämpfe anzuſchauen. Ehe noch<lb/>
der Morgen graut, drängt ſich ſchon die Menge durch die Straßen<lb/>
zum Theater in buntem Gewühl; von ſeinen Edelknaben und Leib-<lb/>
wächtern umgeben naht endlich der König im feſtlichen Schmuck;<lb/>
er ſendet die Begleitung vorauf in das Theater, er will ſich trau-<lb/>
lich unter die Menge miſchen, die ihm doppelt fröhlich zujauchzen<lb/>
wird. Da ſtürzt Pauſanias auf ihn zu, durchbohrt ſeine Bruſt<lb/>
mit einem Dolch, und, während der König niederſinkt, eilt er zu<lb/>
den Pferden, die am Thore des Hauſes bereit ſtehen; ſo ent-<lb/>
flieht er <noteplace="foot"n="35)"><hirendition="#aq">Diod. Justin. Paus. VIII.</hi> 7.</note>.</p><lb/><p>In wilder Verwirrung löſ’t ſich die Verſammlung; Alles iſt<lb/>
in Gährung, Alles in Gefahr; wem ſoll das Reich gehören, wer<lb/>
es retten? Alexander iſt der Erſtgeborne des Königs; aber man<lb/>
fürchtet den wilden Haß ſeiner Mutter, die dem Könige zu gefallen<lb/>
Mancher verachtet und misehrt hat; ſchon iſt ſie in Aegä, die Tod-<lb/>
tenfeier ihres Gemahles zu halten; ſie ſcheint das Furchtbare geah-<lb/>
net, ja vorausgewußt zu haben; den Mord des Königs nennt man<lb/>
ihr Werk, ſie habe dem Mörder die Pferde bereit gehalten; auch<lb/>
Alexander habe um den Mord gewußt, ein Zeichen mehr, daß er<lb/>
nicht Philipps Sohn, ſondern unter ſchwarzen Zauberkünſten em-<lb/>
pfangen und geboren ſei; daher des Königs Abſcheu gegen ihn und<lb/>ſeine wilde Mutter, daher die zweite Ehe mit Kleopatra; dem Kna-<lb/>
ben, den ſie eben geboren, gebühre das Reich; und habe nicht Atta-<lb/>
lus, ihr Oheim, des Königs Vertrauen gehabt? der ſei würdig die<lb/>
Regentſchaft zu übernehmen. Andere meinten, das nächſte Recht<lb/>
am Reiche habe Amyntas, Perdikkas Sohn, der als Kind die Zügel<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[53/0067]
Es kam der Herbſt, mit ihm die Hochzeitfeier; in Aegä, der
alten Reſidenz, und, ſeit Pella blühte, noch der Könige Begräbniß-
ort, ſollte das Beilager gehalten werden; von allen Seiten ſtrömten
Gäſte herbei, in feſtlichem Pomp kamen die Theoren aus Griechen-
land, die Häuptlinge der befreundeten Bergvölker, die dienſtpflichti-
gen Fürſten der Agrianer, Päonier, Odryſier, die Großen des Rei-
ches, der ritterliche Adel des Landes, unzähliges Volk. In lautem
Jubel, unter Begrüßungen und Ehrenverleihungen, unter Feſtzügen
und Gelagen vergeht der erſte Tag; Herolde laden zum nächſten
Morgen in das Theater, die Wettkämpfe anzuſchauen. Ehe noch
der Morgen graut, drängt ſich ſchon die Menge durch die Straßen
zum Theater in buntem Gewühl; von ſeinen Edelknaben und Leib-
wächtern umgeben naht endlich der König im feſtlichen Schmuck;
er ſendet die Begleitung vorauf in das Theater, er will ſich trau-
lich unter die Menge miſchen, die ihm doppelt fröhlich zujauchzen
wird. Da ſtürzt Pauſanias auf ihn zu, durchbohrt ſeine Bruſt
mit einem Dolch, und, während der König niederſinkt, eilt er zu
den Pferden, die am Thore des Hauſes bereit ſtehen; ſo ent-
flieht er 35).
In wilder Verwirrung löſ’t ſich die Verſammlung; Alles iſt
in Gährung, Alles in Gefahr; wem ſoll das Reich gehören, wer
es retten? Alexander iſt der Erſtgeborne des Königs; aber man
fürchtet den wilden Haß ſeiner Mutter, die dem Könige zu gefallen
Mancher verachtet und misehrt hat; ſchon iſt ſie in Aegä, die Tod-
tenfeier ihres Gemahles zu halten; ſie ſcheint das Furchtbare geah-
net, ja vorausgewußt zu haben; den Mord des Königs nennt man
ihr Werk, ſie habe dem Mörder die Pferde bereit gehalten; auch
Alexander habe um den Mord gewußt, ein Zeichen mehr, daß er
nicht Philipps Sohn, ſondern unter ſchwarzen Zauberkünſten em-
pfangen und geboren ſei; daher des Königs Abſcheu gegen ihn und
ſeine wilde Mutter, daher die zweite Ehe mit Kleopatra; dem Kna-
ben, den ſie eben geboren, gebühre das Reich; und habe nicht Atta-
lus, ihr Oheim, des Königs Vertrauen gehabt? der ſei würdig die
Regentſchaft zu übernehmen. Andere meinten, das nächſte Recht
am Reiche habe Amyntas, Perdikkas Sohn, der als Kind die Zügel
35) Diod. Justin. Paus. VIII. 7.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/67>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.