Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].Der Eindruck, den des Königs Krankheit im Heere und 42) So nach den authentischen Tagebüchern, die von Eumenes
und Diodotus verfaßt waren; wenn Aristobul den 13. Juni bezeich- nete, so scheint er entweder geirrt oder minder genau geschrieben zu haben. Die vielgerühmten Reden, die der König auf seinem qualvollen Sterbebett gehalten haben soll, sind nicht von histori- scher Wahrscheinlichkeit; oder würde er bei der Frage, wer ihn beer- ben sollte, im Angesicht des Todes mit etwas frostiger Emphase "der Würdigste" gesagt, und nicht lieber, wenn er noch an das Irdische denken und darüber sprechen konnte, eine klare und ver- ständige Antwort, von der das Wohl einer Welt abhing, gegeben haben? Andere noch unsinnigere Dinge, die aus dem Sterbenden einen Theaterhelden machen, übergehe ich. Nach einer Sage war Roxane in den letzten Tagen um Alexander. -- Der Eindruck, den des Koͤnigs Krankheit im Heere und 42) So nach den authentiſchen Tagebuͤchern, die von Eumenes
und Diodotus verfaßt waren; wenn Ariſtobul den 13. Juni bezeich- nete, ſo ſcheint er entweder geirrt oder minder genau geſchrieben zu haben. Die vielgeruͤhmten Reden, die der Koͤnig auf ſeinem qualvollen Sterbebett gehalten haben ſoll, ſind nicht von hiſtori- ſcher Wahrſcheinlichkeit; oder wuͤrde er bei der Frage, wer ihn beer- ben ſollte, im Angeſicht des Todes mit etwas froſtiger Emphaſe „der Wuͤrdigſte“ geſagt, und nicht lieber, wenn er noch an das Irdiſche denken und daruͤber ſprechen konnte, eine klare und ver- ſtaͤndige Antwort, von der das Wohl einer Welt abhing, gegeben haben? Andere noch unſinnigere Dinge, die aus dem Sterbenden einen Theaterhelden machen, uͤbergehe ich. Nach einer Sage war Roxane in den letzten Tagen um Alexander. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0598" n="584"/> <p>Der Eindruck, den des Koͤnigs Krankheit im Heere und<lb/> in der Stadt hervorbrachte, iſt nicht zu beſchreiben; die Ma-<lb/> cedonier draͤngten ſich um das Schloß, ſie verlangten ihren<lb/> Koͤnig zu ſehen, ſie fuͤrchteten, er ſei ſchon todt und man ver-<lb/> hehle es; ſie ließen mit Weheklagen, mit Drohungen und Bit-<lb/> ten nicht ab, bis man ihnen die Thuͤr oͤffnete; ſie gingen<lb/> dann alle nach einander bei ihres Koͤnigs Lager vorbei, und<lb/> Alexander hob das Haupt ein Wenig, reichte jedem die Rechte<lb/> und winkte mit dem Auge ſeinen Veteranen den Abſchiedsgruß.<lb/> Denſelben Tag, es war der 10. Juni, gingen Pithon, Penceſtas,<lb/> Seleukus und Andere in den Tempel des Serapis und fragten<lb/> den Gott, ob es dem Koͤnige beſſer ſei, wenn er ſich in den<lb/> Tempel des Gottes bringen laſſe und zu dem Gotte betete;<lb/> ihnen ward die Antwort: „Bringet ihn nicht, wenn er dort<lb/> bleibt, wird ihm bald beſſer werden.“ Und Tages darauf, am<lb/> 11. Juni gegen Abend, ſtarb Alexander.<note place="foot" n="42)">So nach den authentiſchen Tagebuͤchern, die von Eumenes<lb/> und Diodotus verfaßt waren; wenn Ariſtobul den 13. Juni bezeich-<lb/> nete, ſo ſcheint er entweder geirrt oder minder genau geſchrieben<lb/> zu haben. Die vielgeruͤhmten Reden, die der Koͤnig auf ſeinem<lb/> qualvollen Sterbebett gehalten haben ſoll, ſind nicht von hiſtori-<lb/> ſcher Wahrſcheinlichkeit; oder wuͤrde er bei der Frage, wer ihn beer-<lb/> ben ſollte, im Angeſicht des Todes mit etwas froſtiger Emphaſe<lb/> „der Wuͤrdigſte“ geſagt, und nicht lieber, wenn er noch an das<lb/> Irdiſche denken und daruͤber ſprechen konnte, eine klare und ver-<lb/> ſtaͤndige Antwort, von der das Wohl einer Welt abhing, gegeben<lb/> haben? Andere noch unſinnigere Dinge, die aus dem Sterbenden<lb/> einen Theaterhelden machen, uͤbergehe ich. Nach einer Sage war<lb/> Roxane in den letzten Tagen um Alexander. —</note></p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [584/0598]
Der Eindruck, den des Koͤnigs Krankheit im Heere und
in der Stadt hervorbrachte, iſt nicht zu beſchreiben; die Ma-
cedonier draͤngten ſich um das Schloß, ſie verlangten ihren
Koͤnig zu ſehen, ſie fuͤrchteten, er ſei ſchon todt und man ver-
hehle es; ſie ließen mit Weheklagen, mit Drohungen und Bit-
ten nicht ab, bis man ihnen die Thuͤr oͤffnete; ſie gingen
dann alle nach einander bei ihres Koͤnigs Lager vorbei, und
Alexander hob das Haupt ein Wenig, reichte jedem die Rechte
und winkte mit dem Auge ſeinen Veteranen den Abſchiedsgruß.
Denſelben Tag, es war der 10. Juni, gingen Pithon, Penceſtas,
Seleukus und Andere in den Tempel des Serapis und fragten
den Gott, ob es dem Koͤnige beſſer ſei, wenn er ſich in den
Tempel des Gottes bringen laſſe und zu dem Gotte betete;
ihnen ward die Antwort: „Bringet ihn nicht, wenn er dort
bleibt, wird ihm bald beſſer werden.“ Und Tages darauf, am
11. Juni gegen Abend, ſtarb Alexander. 42)
42) So nach den authentiſchen Tagebuͤchern, die von Eumenes
und Diodotus verfaßt waren; wenn Ariſtobul den 13. Juni bezeich-
nete, ſo ſcheint er entweder geirrt oder minder genau geſchrieben
zu haben. Die vielgeruͤhmten Reden, die der Koͤnig auf ſeinem
qualvollen Sterbebett gehalten haben ſoll, ſind nicht von hiſtori-
ſcher Wahrſcheinlichkeit; oder wuͤrde er bei der Frage, wer ihn beer-
ben ſollte, im Angeſicht des Todes mit etwas froſtiger Emphaſe
„der Wuͤrdigſte“ geſagt, und nicht lieber, wenn er noch an das
Irdiſche denken und daruͤber ſprechen konnte, eine klare und ver-
ſtaͤndige Antwort, von der das Wohl einer Welt abhing, gegeben
haben? Andere noch unſinnigere Dinge, die aus dem Sterbenden
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