gegessen, legte er sich zur Ruhe; das Fieber nahm zu, des Kö- nigs Zustand verschlimmerte sich; die ganze Nacht durch war er ohne Schlaf. Am Morgen des 3. Juni nach dem Bade und dem Opfer wurde Nearch und die übrigen Offiziere der Flotte vorgelassen; der König eröffnete ihnen, daß seiner Krank- heit wegen die Abfahrt um einen Tag verschoben werden müsse, daß er jedoch bis dahin so weit wieder hergestellt zu sein hoffe, um den 6. Juni zu Schiffe gehen zu können. Er blieb im Badezimmer; Nearch mußte sich an sein Lager setzen und von seiner Fahrt auf dem Ocean erzählen; Alexander hörte mit Aufmerksamkeit und großem Vergnügen zu, er freute sich, bald ähnliche Gefahren selbst zu durchleben. Indeß verschlimmerte sich sein Zustand, die Heftigkeit des Fiebers mehrte sich mit jeder Nacht; denoch berief er am Morgen des 4. Juni nach dem Bade und Opfer die Officiere der Flotte, und befahl, auf den 6. Alles zu seinem Empfang auch der Flotte und zur Abfahrt bereit zu halten. Nach dem Bade am Abend stellte sich das Fieber heftiger als bisher ein, und des Königs Kräfte schwan- den sichtlich; es folgte eine schlaflose, quaalvolle Nacht. Am Morgen ließ sich Alexander im heftigsten Fieber hinaus vor das große Bassin tragen und hielt mit Mühe das Opfer; dann ließ er die Officiere vor, gab noch einige Befehle über die Fahrt der Flotte, besprach sich mit den Generalen über die Be- setzung einiger Officierstellen, und übertrug ihnen die Auswahl der zu Befördernden mit der Ermahnung, streng zu prüfen. Es kam der 6. Juni, der König lag schlecht darnieder, er ließ sich dennoch zum Altare tragen und opferte und betete, er be- fahl, daß die Abfahrt der Flotte verschoben würde. Es folgte eine traurige Nacht; kaum vermochte der König am andern Mor- gen noch zu opfern; er befahl, daß sich die Generale in den Vorzimmern der Schlosses versammeln, daß die Hauptleute und Officiere im Schloßhofe beisammen bleiben sollten. Er selbst ließ sich aus den Gärten zurück in das Schloß tragen. Mit jedem Augenblick ward er schwächer; als die Anführer ein- traten, erkannte er sie zwar noch, vermochte aber nicht mehr zu sprechen. Diese Nacht, den folgenden Tag, die folgende Nacht währte das Fieber, der König lag sprachlos.
gegeſſen, legte er ſich zur Ruhe; das Fieber nahm zu, des Koͤ- nigs Zuſtand verſchlimmerte ſich; die ganze Nacht durch war er ohne Schlaf. Am Morgen des 3. Juni nach dem Bade und dem Opfer wurde Nearch und die uͤbrigen Offiziere der Flotte vorgelaſſen; der Koͤnig eroͤffnete ihnen, daß ſeiner Krank- heit wegen die Abfahrt um einen Tag verſchoben werden muͤſſe, daß er jedoch bis dahin ſo weit wieder hergeſtellt zu ſein hoffe, um den 6. Juni zu Schiffe gehen zu koͤnnen. Er blieb im Badezimmer; Nearch mußte ſich an ſein Lager ſetzen und von ſeiner Fahrt auf dem Ocean erzaͤhlen; Alexander hoͤrte mit Aufmerkſamkeit und großem Vergnuͤgen zu, er freute ſich, bald aͤhnliche Gefahren ſelbſt zu durchleben. Indeß verſchlimmerte ſich ſein Zuſtand, die Heftigkeit des Fiebers mehrte ſich mit jeder Nacht; denoch berief er am Morgen des 4. Juni nach dem Bade und Opfer die Officiere der Flotte, und befahl, auf den 6. Alles zu ſeinem Empfang auch der Flotte und zur Abfahrt bereit zu halten. Nach dem Bade am Abend ſtellte ſich das Fieber heftiger als bisher ein, und des Koͤnigs Kraͤfte ſchwan- den ſichtlich; es folgte eine ſchlafloſe, quaalvolle Nacht. Am Morgen ließ ſich Alexander im heftigſten Fieber hinaus vor das große Baſſin tragen und hielt mit Muͤhe das Opfer; dann ließ er die Officiere vor, gab noch einige Befehle uͤber die Fahrt der Flotte, beſprach ſich mit den Generalen uͤber die Be- ſetzung einiger Officierſtellen, und uͤbertrug ihnen die Auswahl der zu Befoͤrdernden mit der Ermahnung, ſtreng zu pruͤfen. Es kam der 6. Juni, der Koͤnig lag ſchlecht darnieder, er ließ ſich dennoch zum Altare tragen und opferte und betete, er be- fahl, daß die Abfahrt der Flotte verſchoben wuͤrde. Es folgte eine traurige Nacht; kaum vermochte der Koͤnig am andern Mor- gen noch zu opfern; er befahl, daß ſich die Generale in den Vorzimmern der Schloſſes verſammeln, daß die Hauptleute und Officiere im Schloßhofe beiſammen bleiben ſollten. Er ſelbſt ließ ſich aus den Gaͤrten zuruͤck in das Schloß tragen. Mit jedem Augenblick ward er ſchwaͤcher; als die Anfuͤhrer ein- traten, erkannte er ſie zwar noch, vermochte aber nicht mehr zu ſprechen. Dieſe Nacht, den folgenden Tag, die folgende Nacht waͤhrte das Fieber, der Koͤnig lag ſprachlos.
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gegeſſen, legte er ſich zur Ruhe; das Fieber nahm zu, des Koͤ-
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er ohne Schlaf. Am Morgen des 3. Juni nach dem Bade
und dem Opfer wurde Nearch und die uͤbrigen Offiziere der
Flotte vorgelaſſen; der Koͤnig eroͤffnete ihnen, daß ſeiner Krank-
heit wegen die Abfahrt um einen Tag verſchoben werden
muͤſſe, daß er jedoch bis dahin ſo weit wieder hergeſtellt zu ſein
hoffe, um den 6. Juni zu Schiffe gehen zu koͤnnen. Er blieb
im Badezimmer; Nearch mußte ſich an ſein Lager ſetzen und
von ſeiner Fahrt auf dem Ocean erzaͤhlen; Alexander hoͤrte mit
Aufmerkſamkeit und großem Vergnuͤgen zu, er freute ſich, bald
aͤhnliche Gefahren ſelbſt zu durchleben. Indeß verſchlimmerte ſich
ſein Zuſtand, die Heftigkeit des Fiebers mehrte ſich mit jeder
Nacht; denoch berief er am Morgen des 4. Juni nach dem
Bade und Opfer die Officiere der Flotte, und befahl, auf den
6. Alles zu ſeinem Empfang auch der Flotte und zur Abfahrt
bereit zu halten. Nach dem Bade am Abend ſtellte ſich das
Fieber heftiger als bisher ein, und des Koͤnigs Kraͤfte ſchwan-
den ſichtlich; es folgte eine ſchlafloſe, quaalvolle Nacht. Am
Morgen ließ ſich Alexander im heftigſten Fieber hinaus vor
das große Baſſin tragen und hielt mit Muͤhe das Opfer; dann
ließ er die Officiere vor, gab noch einige Befehle uͤber die
Fahrt der Flotte, beſprach ſich mit den Generalen uͤber die Be-
ſetzung einiger Officierſtellen, und uͤbertrug ihnen die Auswahl
der zu Befoͤrdernden mit der Ermahnung, ſtreng zu pruͤfen.
Es kam der 6. Juni, der Koͤnig lag ſchlecht darnieder, er ließ
ſich dennoch zum Altare tragen und opferte und betete, er be-
fahl, daß die Abfahrt der Flotte verſchoben wuͤrde. Es folgte
eine traurige Nacht; kaum vermochte der Koͤnig am andern Mor-
gen noch zu opfern; er befahl, daß ſich die Generale in den
Vorzimmern der Schloſſes verſammeln, daß die Hauptleute
und Officiere im Schloßhofe beiſammen bleiben ſollten. Er
ſelbſt ließ ſich aus den Gaͤrten zuruͤck in das Schloß tragen.
Mit jedem Augenblick ward er ſchwaͤcher; als die Anfuͤhrer ein-
traten, erkannte er ſie zwar noch, vermochte aber nicht mehr
zu ſprechen. Dieſe Nacht, den folgenden Tag, die folgende Nacht
waͤhrte das Fieber, der Koͤnig lag ſprachlos.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/597>, abgerufen am 22.11.2024.
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