hier eine Stadt anzulegen,34) welche zugleich den Weg nach Ara- bien hinein öffnete und Babylonien vor Ueberfällen der Beduinen zu schützen vermochte, da der See und die Moräste südwärts bis zum Meerbusen das Stromland decken. Der Bau der Stadt und der Befestigungen wurde sogleich begonnen und Griechische Söldner, theils Vetranen, theils Freiwillige, daselbst angesiedelt.
Indeß war in Babylon der Bau des Scheiterhaufens für Hephästion beendet und die Zeit gekommen, die großen Leichen- spiele zu seinem Gedächtniß zu feiern; dieß und das Eintreffen der neuen Truppen machten des Königs Rückkehr in seine Re- sidenz nothwendig; und der König, so wird erzählt, war um so weniger zurückzukehren bedenklich, da sich die bösen Weissagungen der Chaldäer bereits bei seiner neulichen, freilich nur kurzen An- wesenheit in Babylon als nichtig erwiesen zu haben schienen. So wurde die Rückfahrt beschlossen; auf derselben sollten die Grä- ber der früheren Babylonischen Könige, die in den Sümpfen erbaut waren, besucht werden. Alexander selbst stand am Steuer seines Schiffes und führte es in diesem durch Untiefen und Röhricht schwierigen Gewässer; ein plötzlicher Windstoß riß ihm die könig- liche Kausia, die er nach Macedonischer Sitte trug, vom Haupt, und während sich das Diadem von derselben lösete und hinweg flatternd in dem Röhricht bei einem alten Königsgrabe hangen blieb, sank sie selbst unter und ward nicht wieder gefunden; das Diadem aber zu hohlen, schwamm ein Phönicischer Matrose, der sich mit auf dem Schiffe befand, hinüber, und band es, um desto bequemer schwimmen zu können, um seine Schläfe, -- ein schwe- res Zeichen! das Diadem um eines fremden Menschen Haupt! Und die Wahrsager, die der König jetzt stets in seiner Nähe hatte, beschworen ihn, das Zeichen zu zerstören und den Unglücklichen zu enthaupten; Alexander aber ließ den Matrosen züchtigen, weil er
34) Diese Stadt, die den Namen Alexandrien erhielt, lag wohl ungefähr an der Stelle des heutigen Mesjid Ali (Hira). Ich bemerke, daß Mignan auf dem Wege von Bagdad nach den Ruinen von Babylon an einem Kanale Trümmer fand, die gleichfalls den Namen Iskanderich trugen; die alten Schriftsteller kennen dort keine Stadt Alexanders.
hier eine Stadt anzulegen,34) welche zugleich den Weg nach Ara- bien hinein oͤffnete und Babylonien vor Ueberfaͤllen der Beduinen zu ſchuͤtzen vermochte, da der See und die Moraͤſte ſuͤdwaͤrts bis zum Meerbuſen das Stromland decken. Der Bau der Stadt und der Befeſtigungen wurde ſogleich begonnen und Griechiſche Soͤldner, theils Vetranen, theils Freiwillige, daſelbſt angeſiedelt.
Indeß war in Babylon der Bau des Scheiterhaufens fuͤr Hephaͤſtion beendet und die Zeit gekommen, die großen Leichen- ſpiele zu ſeinem Gedaͤchtniß zu feiern; dieß und das Eintreffen der neuen Truppen machten des Koͤnigs Ruͤckkehr in ſeine Re- ſidenz nothwendig; und der Koͤnig, ſo wird erzaͤhlt, war um ſo weniger zuruͤckzukehren bedenklich, da ſich die boͤſen Weiſſagungen der Chaldaͤer bereits bei ſeiner neulichen, freilich nur kurzen An- weſenheit in Babylon als nichtig erwieſen zu haben ſchienen. So wurde die Ruͤckfahrt beſchloſſen; auf derſelben ſollten die Graͤ- ber der fruͤheren Babyloniſchen Koͤnige, die in den Suͤmpfen erbaut waren, beſucht werden. Alexander ſelbſt ſtand am Steuer ſeines Schiffes und fuͤhrte es in dieſem durch Untiefen und Roͤhricht ſchwierigen Gewaͤſſer; ein ploͤtzlicher Windſtoß riß ihm die koͤnig- liche Kauſia, die er nach Macedoniſcher Sitte trug, vom Haupt, und waͤhrend ſich das Diadem von derſelben loͤſete und hinweg flatternd in dem Roͤhricht bei einem alten Koͤnigsgrabe hangen blieb, ſank ſie ſelbſt unter und ward nicht wieder gefunden; das Diadem aber zu hohlen, ſchwamm ein Phoͤniciſcher Matroſe, der ſich mit auf dem Schiffe befand, hinuͤber, und band es, um deſto bequemer ſchwimmen zu koͤnnen, um ſeine Schlaͤfe, — ein ſchwe- res Zeichen! das Diadem um eines fremden Menſchen Haupt! Und die Wahrſager, die der Koͤnig jetzt ſtets in ſeiner Naͤhe hatte, beſchworen ihn, das Zeichen zu zerſtoͤren und den Ungluͤcklichen zu enthaupten; Alexander aber ließ den Matroſen zuͤchtigen, weil er
34) Dieſe Stadt, die den Namen Alexandrien erhielt, lag wohl ungefaͤhr an der Stelle des heutigen Mesjid Ali (Hira). Ich bemerke, daß Mignan auf dem Wege von Bagdad nach den Ruinen von Babylon an einem Kanale Truͤmmer fand, die gleichfalls den Namen Iskanderich trugen; die alten Schriftſteller kennen dort keine Stadt Alexanders.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0590"n="576"/>
hier eine Stadt anzulegen,<noteplace="foot"n="34)">Dieſe Stadt, die den Namen Alexandrien erhielt, lag<lb/>
wohl ungefaͤhr an der Stelle des heutigen Mesjid Ali (<hirendition="#aq">Hira</hi>). Ich<lb/>
bemerke, daß Mignan auf dem Wege von Bagdad nach den Ruinen<lb/>
von Babylon an einem Kanale Truͤmmer fand, die gleichfalls<lb/>
den Namen Iskanderich trugen; die alten Schriftſteller kennen dort<lb/>
keine Stadt Alexanders.</note> welche zugleich den Weg nach Ara-<lb/>
bien hinein oͤffnete und Babylonien vor Ueberfaͤllen der Beduinen<lb/>
zu ſchuͤtzen vermochte, da der See und die Moraͤſte ſuͤdwaͤrts bis<lb/>
zum Meerbuſen das Stromland decken. Der Bau der Stadt<lb/>
und der Befeſtigungen wurde ſogleich begonnen und Griechiſche<lb/>
Soͤldner, theils Vetranen, theils Freiwillige, daſelbſt angeſiedelt.</p><lb/><p>Indeß war in Babylon der Bau des Scheiterhaufens fuͤr<lb/>
Hephaͤſtion beendet und die Zeit gekommen, die großen Leichen-<lb/>ſpiele zu ſeinem Gedaͤchtniß zu feiern; dieß und das Eintreffen<lb/>
der neuen Truppen machten des Koͤnigs Ruͤckkehr in ſeine Re-<lb/>ſidenz nothwendig; und der Koͤnig, ſo wird erzaͤhlt, war um ſo<lb/>
weniger zuruͤckzukehren bedenklich, da ſich die boͤſen Weiſſagungen<lb/>
der Chaldaͤer bereits bei ſeiner neulichen, freilich nur kurzen An-<lb/>
weſenheit in Babylon als nichtig erwieſen zu haben ſchienen. So<lb/>
wurde die Ruͤckfahrt beſchloſſen; auf derſelben ſollten die Graͤ-<lb/>
ber der fruͤheren Babyloniſchen Koͤnige, die in den Suͤmpfen erbaut<lb/>
waren, beſucht werden. Alexander ſelbſt ſtand am Steuer ſeines<lb/>
Schiffes und fuͤhrte es in dieſem durch Untiefen und Roͤhricht<lb/>ſchwierigen Gewaͤſſer; ein ploͤtzlicher Windſtoß riß ihm die koͤnig-<lb/>
liche Kauſia, die er nach Macedoniſcher Sitte trug, vom Haupt,<lb/><choice><sic>nnd</sic><corr>und</corr></choice> waͤhrend ſich das Diadem von derſelben loͤſete und hinweg<lb/>
flatternd in dem Roͤhricht bei einem alten Koͤnigsgrabe hangen<lb/>
blieb, ſank ſie ſelbſt unter und ward nicht wieder gefunden; das<lb/>
Diadem aber zu hohlen, ſchwamm ein Phoͤniciſcher Matroſe, der<lb/>ſich mit auf dem Schiffe befand, hinuͤber, und band es, um deſto<lb/><choice><sic>beuqemer</sic><corr>bequemer</corr></choice>ſchwimmen zu koͤnnen, um ſeine Schlaͤfe, — ein ſchwe-<lb/>
res Zeichen! das Diadem um eines fremden Menſchen Haupt!<lb/>
Und die Wahrſager, die der Koͤnig jetzt ſtets in ſeiner Naͤhe hatte,<lb/>
beſchworen ihn, das Zeichen zu zerſtoͤren und den Ungluͤcklichen zu<lb/>
enthaupten; Alexander aber ließ den Matroſen zuͤchtigen, weil er<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[576/0590]
hier eine Stadt anzulegen, 34) welche zugleich den Weg nach Ara-
bien hinein oͤffnete und Babylonien vor Ueberfaͤllen der Beduinen
zu ſchuͤtzen vermochte, da der See und die Moraͤſte ſuͤdwaͤrts bis
zum Meerbuſen das Stromland decken. Der Bau der Stadt
und der Befeſtigungen wurde ſogleich begonnen und Griechiſche
Soͤldner, theils Vetranen, theils Freiwillige, daſelbſt angeſiedelt.
Indeß war in Babylon der Bau des Scheiterhaufens fuͤr
Hephaͤſtion beendet und die Zeit gekommen, die großen Leichen-
ſpiele zu ſeinem Gedaͤchtniß zu feiern; dieß und das Eintreffen
der neuen Truppen machten des Koͤnigs Ruͤckkehr in ſeine Re-
ſidenz nothwendig; und der Koͤnig, ſo wird erzaͤhlt, war um ſo
weniger zuruͤckzukehren bedenklich, da ſich die boͤſen Weiſſagungen
der Chaldaͤer bereits bei ſeiner neulichen, freilich nur kurzen An-
weſenheit in Babylon als nichtig erwieſen zu haben ſchienen. So
wurde die Ruͤckfahrt beſchloſſen; auf derſelben ſollten die Graͤ-
ber der fruͤheren Babyloniſchen Koͤnige, die in den Suͤmpfen erbaut
waren, beſucht werden. Alexander ſelbſt ſtand am Steuer ſeines
Schiffes und fuͤhrte es in dieſem durch Untiefen und Roͤhricht
ſchwierigen Gewaͤſſer; ein ploͤtzlicher Windſtoß riß ihm die koͤnig-
liche Kauſia, die er nach Macedoniſcher Sitte trug, vom Haupt,
und waͤhrend ſich das Diadem von derſelben loͤſete und hinweg
flatternd in dem Roͤhricht bei einem alten Koͤnigsgrabe hangen
blieb, ſank ſie ſelbſt unter und ward nicht wieder gefunden; das
Diadem aber zu hohlen, ſchwamm ein Phoͤniciſcher Matroſe, der
ſich mit auf dem Schiffe befand, hinuͤber, und band es, um deſto
bequemer ſchwimmen zu koͤnnen, um ſeine Schlaͤfe, — ein ſchwe-
res Zeichen! das Diadem um eines fremden Menſchen Haupt!
Und die Wahrſager, die der Koͤnig jetzt ſtets in ſeiner Naͤhe hatte,
beſchworen ihn, das Zeichen zu zerſtoͤren und den Ungluͤcklichen zu
enthaupten; Alexander aber ließ den Matroſen zuͤchtigen, weil er
34) Dieſe Stadt, die den Namen Alexandrien erhielt, lag
wohl ungefaͤhr an der Stelle des heutigen Mesjid Ali (Hira). Ich
bemerke, daß Mignan auf dem Wege von Bagdad nach den Ruinen
von Babylon an einem Kanale Truͤmmer fand, die gleichfalls
den Namen Iskanderich trugen; die alten Schriftſteller kennen dort
keine Stadt Alexanders.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/590>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.