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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Babylon hinabziehen; sie wußten nicht, wie tief ihr König seit
des Freundes Tod gebeugt, und wie er umsonst mit kühnen und
kühneren Plänen den Gram seines Herzens zu übertäuben bemüht
war; sie wußten nicht, wie ihm die Freude des Lebens zer-
stört, wie seine Seele trüber Ahnungen voll war; mit Hephästion
war seine Jugend zu Grabe getragen, und kaum an der Schwelle
der männlichen Jahre begann er schnell zu altern; der Gedanke
des Todes beschäftigte ihn oft und lange 23).

Der Tigris war überschritten, schon sah man die Zinnen der
Riesenstadt Babylon; da kamen dem Heereszuge die Vornehmsten
der Chaldäer, der sternkundigen Priester von Babylon, entgegen;
sie nahten sich dem Könige, sie führten ihn zur Seite und
sprachen, er möge den Weg nach Babylon nicht weiter ver-
folgen; die Stimme des Gottes Belus habe ihnen offenbart,
daß ihm der Einzug in Babylon jetzt nicht zum Heile sei 24).
Und Alexander antwortete mit dem Verse des Dichters, der
beste Seher sei der, welcher glücklich weissaget. Sie aber fuh-
ren fort: "Nicht gen Westen schauend, o König, noch auf dieser
Seite des Stromes komme gen Babylon, sondern umgehe die
Stadt, bis du gen Morgen siehst!" So sprachen die Priester,
die in den Sternen die Schicksale des Königs gelesen hatten;
und ihre Worte trafen des großen Königs Herz mit der Gewalt,
die ihnen seine trübe Stimmung gab; er wagte es nicht wider
die Zeichen der Götter zu handeln, er wollte die Thore der bö-

23) Von Angaben dieser Art ist das schöne Ende der Plutar-
chischen Biographie voll, und Arrian (VII. 16, 13) sagt: "ich meine,
Alexander hätte wohl lieber vor Hephäftion sterben, als ihn über-
leben mögen, nicht minder wie Achill lieber vor Patroklus gestor-
ben, als Rächer seines Todes geworden wäre." Sollte die schöne
Herme von Tivoli (Visconti Jcon. pl. 36), welche durch den Ernst
und die Ermattung in der Physionomie so entschieden von der
sonstigen Tradition des Alexanderkopfes abweicht, vielleicht nach
einem Bilde aus dem letzten Lebensjahre des Königs sein?
24) Nach Plutarch und Diodor ließen die Chaldäer, die sich fürch-
teten mit Alexander zu sprechen (?), den Admiral Nearch ihre
Warnungen überbringen, der allerdings schon mit der Flotte ein-
getroffen war.

Babylon hinabziehen; ſie wußten nicht, wie tief ihr Koͤnig ſeit
des Freundes Tod gebeugt, und wie er umſonſt mit kuͤhnen und
kuͤhneren Plaͤnen den Gram ſeines Herzens zu uͤbertaͤuben bemuͤht
war; ſie wußten nicht, wie ihm die Freude des Lebens zer-
ſtoͤrt, wie ſeine Seele truͤber Ahnungen voll war; mit Hephaͤſtion
war ſeine Jugend zu Grabe getragen, und kaum an der Schwelle
der maͤnnlichen Jahre begann er ſchnell zu altern; der Gedanke
des Todes beſchaͤftigte ihn oft und lange 23).

Der Tigris war uͤberſchritten, ſchon ſah man die Zinnen der
Rieſenſtadt Babylon; da kamen dem Heereszuge die Vornehmſten
der Chaldaͤer, der ſternkundigen Prieſter von Babylon, entgegen;
ſie nahten ſich dem Koͤnige, ſie fuͤhrten ihn zur Seite und
ſprachen, er moͤge den Weg nach Babylon nicht weiter ver-
folgen; die Stimme des Gottes Belus habe ihnen offenbart,
daß ihm der Einzug in Babylon jetzt nicht zum Heile ſei 24).
Und Alexander antwortete mit dem Verſe des Dichters, der
beſte Seher ſei der, welcher gluͤcklich weiſſaget. Sie aber fuh-
ren fort: „Nicht gen Weſten ſchauend, o Koͤnig, noch auf dieſer
Seite des Stromes komme gen Babylon, ſondern umgehe die
Stadt, bis du gen Morgen ſiehſt!“ So ſprachen die Prieſter,
die in den Sternen die Schickſale des Koͤnigs geleſen hatten;
und ihre Worte trafen des großen Koͤnigs Herz mit der Gewalt,
die ihnen ſeine truͤbe Stimmung gab; er wagte es nicht wider
die Zeichen der Goͤtter zu handeln, er wollte die Thore der boͤ-

23) Von Angaben dieſer Art iſt das ſchoͤne Ende der Plutar-
chiſchen Biographie voll, und Arrian (VII. 16, 13) ſagt: „ich meine,
Alexander haͤtte wohl lieber vor Hephaͤftion ſterben, als ihn uͤber-
leben moͤgen, nicht minder wie Achill lieber vor Patroklus geſtor-
ben, als Raͤcher ſeines Todes geworden waͤre.“ Sollte die ſchoͤne
Herme von Tivoli (Visconti Jcon. pl. 36), welche durch den Ernſt
und die Ermattung in der Phyſionomie ſo entſchieden von der
ſonſtigen Tradition des Alexanderkopfes abweicht, vielleicht nach
einem Bilde aus dem letzten Lebensjahre des Koͤnigs ſein?
24) Nach Plutarch und Diodor ließen die Chaldaͤer, die ſich fuͤrch-
teten mit Alexander zu ſprechen (?), den Admiral Nearch ihre
Warnungen uͤberbringen, der allerdings ſchon mit der Flotte ein-
getroffen war.
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[567/0581] Babylon hinabziehen; ſie wußten nicht, wie tief ihr Koͤnig ſeit des Freundes Tod gebeugt, und wie er umſonſt mit kuͤhnen und kuͤhneren Plaͤnen den Gram ſeines Herzens zu uͤbertaͤuben bemuͤht war; ſie wußten nicht, wie ihm die Freude des Lebens zer- ſtoͤrt, wie ſeine Seele truͤber Ahnungen voll war; mit Hephaͤſtion war ſeine Jugend zu Grabe getragen, und kaum an der Schwelle der maͤnnlichen Jahre begann er ſchnell zu altern; der Gedanke des Todes beſchaͤftigte ihn oft und lange 23). Der Tigris war uͤberſchritten, ſchon ſah man die Zinnen der Rieſenſtadt Babylon; da kamen dem Heereszuge die Vornehmſten der Chaldaͤer, der ſternkundigen Prieſter von Babylon, entgegen; ſie nahten ſich dem Koͤnige, ſie fuͤhrten ihn zur Seite und ſprachen, er moͤge den Weg nach Babylon nicht weiter ver- folgen; die Stimme des Gottes Belus habe ihnen offenbart, daß ihm der Einzug in Babylon jetzt nicht zum Heile ſei 24). Und Alexander antwortete mit dem Verſe des Dichters, der beſte Seher ſei der, welcher gluͤcklich weiſſaget. Sie aber fuh- ren fort: „Nicht gen Weſten ſchauend, o Koͤnig, noch auf dieſer Seite des Stromes komme gen Babylon, ſondern umgehe die Stadt, bis du gen Morgen ſiehſt!“ So ſprachen die Prieſter, die in den Sternen die Schickſale des Koͤnigs geleſen hatten; und ihre Worte trafen des großen Koͤnigs Herz mit der Gewalt, die ihnen ſeine truͤbe Stimmung gab; er wagte es nicht wider die Zeichen der Goͤtter zu handeln, er wollte die Thore der boͤ- 23) Von Angaben dieſer Art iſt das ſchoͤne Ende der Plutar- chiſchen Biographie voll, und Arrian (VII. 16, 13) ſagt: „ich meine, Alexander haͤtte wohl lieber vor Hephaͤftion ſterben, als ihn uͤber- leben moͤgen, nicht minder wie Achill lieber vor Patroklus geſtor- ben, als Raͤcher ſeines Todes geworden waͤre.“ Sollte die ſchoͤne Herme von Tivoli (Visconti Jcon. pl. 36), welche durch den Ernſt und die Ermattung in der Phyſionomie ſo entſchieden von der ſonſtigen Tradition des Alexanderkopfes abweicht, vielleicht nach einem Bilde aus dem letzten Lebensjahre des Koͤnigs ſein? 24) Nach Plutarch und Diodor ließen die Chaldaͤer, die ſich fuͤrch- teten mit Alexander zu ſprechen (?), den Admiral Nearch ihre Warnungen uͤberbringen, der allerdings ſchon mit der Flotte ein- getroffen war.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/581>, abgerufen am 22.11.2024.