hehlt und von dem Könige vielleicht absichtlich erhalten wurde, um durch zweifelhafte Gunst sie etwas fern und in Besorgniß zu hal- ten. Kaum konnte Machatas in einer Rechtssache, in welcher der König zu Gericht saß, einen gerechten Spruch erlangen, und Phi- lipp eilte, eine Unrechtlichkeit, die ein Verwandter des Hauses sich zu Schulden kommen ließ, zur öffentlichen Kränkung der Familie zu benutzen; die Bitten, die des Machatas Sohn Harpalus, dem der König durch Uebertragung einer politischen Mission jüngst Vertrauen bewiesen hatte 18), für ihn einlegte, wurden nicht ohne Bitterkeit zurückgewiesen 19). Der Glanz, den diese Familie in späterer Zeit erreicht hat, begann erst mit Philipps Tode. Harpalus Bruder war Philipp, der Vater des berühmten Antigonus, dessen Sohn, der Städtezertrümmerer Demetrius, Gründer der neuen Macedoni- schen Dynastie wurde, die bis zum Untergange des Reiches gewährt hat. -- Es ist nicht möglich, alle die edlen Geschlechter, die an dem Hofe von Pella versammelt waren, aufzuzählen; doch verdienen zwei derselben wegen ihrer besondern Wichtigkeit Erwähnung, das des Antipater und des Philotas. Philotas Sohn war jener treue und gewandte Feldherr Parmenion, dem Philipp wiederholentlich die Führung der wichtigsten Expeditionen anvertraute; seine soldatische Biederkeit machte ihn zum Mann des Volkes; seine Brüder Asan- der und Agathon 19a), und noch mehr seine Söhne Philotas, Ni- kanor und Hektor nahmen später bedeutenden Antheil an dem Ruhme des Vaters; seine Töchter verbanden sich mit den vornehm- sten Söhnen des Landes; die eine mit Könus, dem Phalangenfüh- rer, die andere mit Attalus 20), dem Oheim einer späteren Ge- mahlin des Königs. In nicht minder einflußreicher und ehrenvoller Stellung war Antipater oder, wie ihn die Macedonier nannten, Antipas; das bezeichnet des Königs Wort: "ich habe ruhig geschla- fen, denn Antipas wachte" 20a); seine erprobte Treue und die nüchterne Klarheit, mit der er vorliegende Verhältnisse zu betrachten pflegte 20b), machten ihn für das hohe Amt eines Reichsverwesers, das er bald genug einnehmen sollte, vollkommen geeignet; die Vermäh-
18)Demosth. in Arist. p. 600.
19)Plut. apophth.
19a)Corp. Inscr. 105.
20)Curt. X. 7. 8.
20a)Plut. apophth. cf. Athen. X. 435 c.
20b)Anonym. apd. Boissonnade anecdota vol. II. p. 468.
hehlt und von dem Könige vielleicht abſichtlich erhalten wurde, um durch zweifelhafte Gunſt ſie etwas fern und in Beſorgniß zu hal- ten. Kaum konnte Machatas in einer Rechtsſache, in welcher der König zu Gericht ſaß, einen gerechten Spruch erlangen, und Phi- lipp eilte, eine Unrechtlichkeit, die ein Verwandter des Hauſes ſich zu Schulden kommen ließ, zur öffentlichen Kränkung der Familie zu benutzen; die Bitten, die des Machatas Sohn Harpalus, dem der König durch Uebertragung einer politiſchen Miſſion jüngſt Vertrauen bewieſen hatte 18), für ihn einlegte, wurden nicht ohne Bitterkeit zurückgewieſen 19). Der Glanz, den dieſe Familie in ſpäterer Zeit erreicht hat, begann erſt mit Philipps Tode. Harpalus Bruder war Philipp, der Vater des berühmten Antigonus, deſſen Sohn, der Städtezertrümmerer Demetrius, Gründer der neuen Macedoni- ſchen Dynaſtie wurde, die bis zum Untergange des Reiches gewährt hat. — Es iſt nicht möglich, alle die edlen Geſchlechter, die an dem Hofe von Pella verſammelt waren, aufzuzählen; doch verdienen zwei derſelben wegen ihrer beſondern Wichtigkeit Erwähnung, das des Antipater und des Philotas. Philotas Sohn war jener treue und gewandte Feldherr Parmenion, dem Philipp wiederholentlich die Führung der wichtigſten Expeditionen anvertraute; ſeine ſoldatiſche Biederkeit machte ihn zum Mann des Volkes; ſeine Brüder Aſan- der und Agathon 19a), und noch mehr ſeine Söhne Philotas, Ni- kanor und Hektor nahmen ſpäter bedeutenden Antheil an dem Ruhme des Vaters; ſeine Töchter verbanden ſich mit den vornehm- ſten Söhnen des Landes; die eine mit Könus, dem Phalangenfüh- rer, die andere mit Attalus 20), dem Oheim einer ſpäteren Ge- mahlin des Königs. In nicht minder einflußreicher und ehrenvoller Stellung war Antipater oder, wie ihn die Macedonier nannten, Antipas; das bezeichnet des Königs Wort: „ich habe ruhig geſchla- fen, denn Antipas wachte“ 20a); ſeine erprobte Treue und die nüchterne Klarheit, mit der er vorliegende Verhältniſſe zu betrachten pflegte 20b), machten ihn für das hohe Amt eines Reichsverweſers, das er bald genug einnehmen ſollte, vollkommen geeignet; die Vermäh-
18)Demosth. in Arist. p. 600.
19)Plut. apophth.
19a)Corp. Inscr. 105.
20)Curt. X. 7. 8.
20a)Plut. apophth. cf. Athen. X. 435 c.
20b)Anonym. apd. Boissonnade anecdota vol. II. p. 468.
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König zu Gericht ſaß, einen gerechten Spruch erlangen, und Phi-
lipp eilte, eine Unrechtlichkeit, die ein Verwandter des Hauſes ſich
zu Schulden kommen ließ, zur öffentlichen Kränkung der Familie zu
benutzen; die Bitten, die des Machatas Sohn Harpalus, dem der
König durch Uebertragung einer politiſchen Miſſion jüngſt Vertrauen
bewieſen hatte 18), für ihn einlegte, wurden nicht ohne Bitterkeit
zurückgewieſen 19). Der Glanz, den dieſe Familie in ſpäterer Zeit
erreicht hat, begann erſt mit Philipps Tode. Harpalus Bruder
war Philipp, der Vater des berühmten Antigonus, deſſen Sohn, der
Städtezertrümmerer Demetrius, Gründer der neuen Macedoni-
ſchen Dynaſtie wurde, die bis zum Untergange des Reiches gewährt
hat. — Es iſt nicht möglich, alle die edlen Geſchlechter, die an dem
Hofe von Pella verſammelt waren, aufzuzählen; doch verdienen
zwei derſelben wegen ihrer beſondern Wichtigkeit Erwähnung, das
des Antipater und des Philotas. Philotas Sohn war jener treue und
gewandte Feldherr Parmenion, dem Philipp wiederholentlich die
Führung der wichtigſten Expeditionen anvertraute; ſeine ſoldatiſche
Biederkeit machte ihn zum Mann des Volkes; ſeine Brüder Aſan-
der und Agathon 19a), und noch mehr ſeine Söhne Philotas, Ni-
kanor und Hektor nahmen ſpäter bedeutenden Antheil an dem
Ruhme des Vaters; ſeine Töchter verbanden ſich mit den vornehm-
ſten Söhnen des Landes; die eine mit Könus, dem Phalangenfüh-
rer, die andere mit Attalus 20), dem Oheim einer ſpäteren Ge-
mahlin des Königs. In nicht minder einflußreicher und ehrenvoller
Stellung war Antipater oder, wie ihn die Macedonier nannten,
Antipas; das bezeichnet des Königs Wort: „ich habe ruhig geſchla-
fen, denn Antipas wachte“ 20a); ſeine erprobte Treue und die
nüchterne Klarheit, mit der er vorliegende Verhältniſſe zu betrachten
pflegte 20b), machten ihn für das hohe Amt eines Reichsverweſers,
das er bald genug einnehmen ſollte, vollkommen geeignet; die Vermäh-
18) Demosth. in Arist. p. 600.
19) Plut. apophth.
19a) Corp. Inscr. 105.
20) Curt. X. 7. 8.
20a) Plut. apophth.
cf. Athen. X. 435 c.
20b) Anonym. apd. Boissonnade anecdota
vol. II. p. 468.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/58>, abgerufen am 23.11.2024.
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