die Hoffnung noch keinesweges auf; vielleicht mochte die Stim- mung, welche der kurz darauf erlassene Befehl Alexanders in Athen hervorgebracht hatte, ihm günstig genug zu einem zweiten Versuche scheinen; er segelte nach Tänarum, setzte dort seine Trup- pen ans Land, deponirte den größten Theil seiner Schätze, und kehrte mit etwa siebenhundert Talenten nach Athen zurück 75). Aber schon war von Macedonien her eine Aufforderung des An- tipater, den Großschatzmeister der Strafe zu überliefern, eingelau- fen 76), und das besorgte Volk schien geneigt zu willfahren. Har- palus sah sich sofort von denen, die er bezahlte, verlassen; nur Phocion suchte wenigstens seine Auslieferung an Antipater zu hindern; Demosthenes stimmte ihm bei 77), und schlug dem Volke vor, die Schätze einstweilen auf der Burg niederzulegen, bis Alex- ander Bevollmächtigte schickte, dieselben in Empfang zu nehmen. Das Volk gab dem Antrage seine Zustimmung und beauftragte ihn selbst mit der Deponirung der Gelder und Kostbarkeiten. Als kurze Zeit darnach in der Volksversammlung die Frage, was wei- ter mit Harpalus selbst zu bestimmen, an der Tagesordnung war, erschien der berühmte Redner, den Hals mit Tüchern und Bin- den umhüllt, vor dem Volke, und erklärte, er könne vor Halsweh nicht sprechen. Das Volk aber lärmte und lachte: er habe nicht Halsweh, sondern Goldweh, einen Goldbecher mit zwanzig Talen- ten, der ihm besonders gefallen, habe Harpalus in der Nacht zu ihm geschickt. Da sich der Redner rechtfertigen wollte, ließ ihn das Volk nicht zu Worte kommen, und ein Witzling sprach: bei
75)Phot. p. 494. a. 30., Plutarch. Phoc. l. c., Plutarch. Demosth. 25.
76)Diodor XVII. 108. sagt: von Antipater und Olympias; bei Photius, Plutarch, (X. Oratt. Dem.) und sonst ist nur von Antipater die Rede; Pausanias II. 33. sagt, Philoxenus habe seine Auslieferung gefordert, eine Unwahrscheinlichkeit, welche die Angaben jener Stelle verdächtigt.
77) Hierher gehört seine Rede Peri tou me ekdounai ton Arpalon. Dionys. Dem. 57., wenn anders sie wirklich gehalten worden ist, und nicht etwa das Schicksal der Midiana gehabt hat. Die gleichnamige Rede, die Dionys als dem Dinarch angehörig bezeichnet, könnte von die- sem wie alle Harpalischen für einen andern geschrieben sein.
die Hoffnung noch keinesweges auf; vielleicht mochte die Stim- mung, welche der kurz darauf erlaſſene Befehl Alexanders in Athen hervorgebracht hatte, ihm guͤnſtig genug zu einem zweiten Verſuche ſcheinen; er ſegelte nach Taͤnarum, ſetzte dort ſeine Trup- pen ans Land, deponirte den groͤßten Theil ſeiner Schaͤtze, und kehrte mit etwa ſiebenhundert Talenten nach Athen zuruͤck 75). Aber ſchon war von Macedonien her eine Aufforderung des An- tipater, den Großſchatzmeiſter der Strafe zu uͤberliefern, eingelau- fen 76), und das beſorgte Volk ſchien geneigt zu willfahren. Har- palus ſah ſich ſofort von denen, die er bezahlte, verlaſſen; nur Phocion ſuchte wenigſtens ſeine Auslieferung an Antipater zu hindern; Demoſthenes ſtimmte ihm bei 77), und ſchlug dem Volke vor, die Schaͤtze einſtweilen auf der Burg niederzulegen, bis Alex- ander Bevollmaͤchtigte ſchickte, dieſelben in Empfang zu nehmen. Das Volk gab dem Antrage ſeine Zuſtimmung und beauftragte ihn ſelbſt mit der Deponirung der Gelder und Koſtbarkeiten. Als kurze Zeit darnach in der Volksverſammlung die Frage, was wei- ter mit Harpalus ſelbſt zu beſtimmen, an der Tagesordnung war, erſchien der beruͤhmte Redner, den Hals mit Tuͤchern und Bin- den umhuͤllt, vor dem Volke, und erklaͤrte, er koͤnne vor Halsweh nicht ſprechen. Das Volk aber laͤrmte und lachte: er habe nicht Halsweh, ſondern Goldweh, einen Goldbecher mit zwanzig Talen- ten, der ihm beſonders gefallen, habe Harpalus in der Nacht zu ihm geſchickt. Da ſich der Redner rechtfertigen wollte, ließ ihn das Volk nicht zu Worte kommen, und ein Witzling ſprach: bei
75)Phot. p. 494. a. 30., Plutarch. Phoc. l. c., Plutarch. Demosth. 25.
76)Diodor XVII. 108. ſagt: von Antipater und Olympias; bei Photius, Plutarch, (X. Oratt. Dem.) und ſonſt iſt nur von Antipater die Rede; Pausanias II. 33. ſagt, Philoxenus habe ſeine Auslieferung gefordert, eine Unwahrſcheinlichkeit, welche die Angaben jener Stelle verdaͤchtigt.
77) Hierher gehoͤrt ſeine Rede Πεϱὶ τοῦ μὴ ἐκδοῦναι τόν Ἅϱπαλον. Dionys. Dem. 57., wenn anders ſie wirklich gehalten worden iſt, und nicht etwa das Schickſal der Midiana gehabt hat. Die gleichnamige Rede, die Dionys als dem Dinarch angehoͤrig bezeichnet, koͤnnte von die- ſem wie alle Harpaliſchen fuͤr einen andern geſchrieben ſein.
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Verſuche ſcheinen; er ſegelte nach Taͤnarum, ſetzte dort ſeine Trup-
pen ans Land, deponirte den groͤßten Theil ſeiner Schaͤtze, und
kehrte mit etwa ſiebenhundert Talenten nach Athen zuruͤck 75).
Aber ſchon war von Macedonien her eine Aufforderung des An-
tipater, den Großſchatzmeiſter der Strafe zu uͤberliefern, eingelau-
fen 76), und das beſorgte Volk ſchien geneigt zu willfahren. Har-
palus ſah ſich ſofort von denen, die er bezahlte, verlaſſen; nur
Phocion ſuchte wenigſtens ſeine Auslieferung an Antipater zu
hindern; Demoſthenes ſtimmte ihm bei 77), und ſchlug dem Volke
vor, die Schaͤtze einſtweilen auf der Burg niederzulegen, bis Alex-
ander Bevollmaͤchtigte ſchickte, dieſelben in Empfang zu nehmen.
Das Volk gab dem Antrage ſeine Zuſtimmung und beauftragte
ihn ſelbſt mit der Deponirung der Gelder und Koſtbarkeiten. Als
kurze Zeit darnach in der Volksverſammlung die Frage, was wei-
ter mit Harpalus ſelbſt zu beſtimmen, an der Tagesordnung war,
erſchien der beruͤhmte Redner, den Hals mit Tuͤchern und Bin-
den umhuͤllt, vor dem Volke, und erklaͤrte, er koͤnne vor Halsweh
nicht ſprechen. Das Volk aber laͤrmte und lachte: er habe nicht
Halsweh, ſondern Goldweh, einen Goldbecher mit zwanzig Talen-
ten, der ihm beſonders gefallen, habe Harpalus in der Nacht zu
ihm geſchickt. Da ſich der Redner rechtfertigen wollte, ließ ihn
das Volk nicht zu Worte kommen, und ein Witzling ſprach: bei
75) Phot. p. 494. a. 30., Plutarch. Phoc. l. c., Plutarch.
Demosth. 25.
76) Diodor XVII. 108. ſagt: von Antipater
und Olympias; bei Photius, Plutarch, (X. Oratt. Dem.) und ſonſt iſt
nur von Antipater die Rede; Pausanias II. 33. ſagt, Philoxenus
habe ſeine Auslieferung gefordert, eine Unwahrſcheinlichkeit, welche
die Angaben jener Stelle verdaͤchtigt.
77) Hierher gehoͤrt ſeine
Rede Πεϱὶ τοῦ μὴ ἐκδοῦναι τόν Ἅϱπαλον. Dionys. Dem. 57.,
wenn anders ſie wirklich gehalten worden iſt, und nicht etwa das
Schickſal der Midiana gehabt hat. Die gleichnamige Rede, die
Dionys als dem Dinarch angehoͤrig bezeichnet, koͤnnte von die-
ſem wie alle Harpaliſchen fuͤr einen andern geſchrieben ſein.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/544>, abgerufen am 23.07.2024.
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