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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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könne in so wichtigen Dingen zu sprechen, antwortete er: Alexan-
der sei noch jünger 65). Auch Lykurgus erhob sich gegen den
Gesetzvorschlag: wie sei es möglich, sprach er, den als Gott zu
verehren, der voll Ungerechtigkeit sei und selbst die Gesetze der
Sitte und Schicklichkeit nicht achte 66). Demosthenes aber, der
sich in früheren Jahren heftig genug über die Vergötterung, die
dem Könige in Asien gezollt wurde, geäußert hatte, rieth jetzt dem
Volke, dem mächtigen Könige die Ehren der Olympischen Götter
nicht zu weigern, und das Athenäische Volk dekretirte nach dem
Borschlage des Demades 67). Auch in Sparta wurde ohne Wei-
teres Folge geleistet; das lakonische Dekret lautete: will Alexan-
der Gott sein, so sei er Gott 68). Die übrigen Hellenen folgten
dem Beispiel der Hauptstaaten, und die nächsten Hellenischen Ge-
sandten an Alexander kamen gekränzt und in der Weise, wie Theo-
ren zu den Tempeln der Götter ziehen 69).

Eine zweite, nicht minder wichtige Anordnung Alexanders
bezog sich auf die Verbannten der Hellenischen Freistaaten; die
Verbannungen waren zum größten Theil Folge politischer Verän-
derungen, und hatten wegen der Siege, die die Macedonier seit
den letzten funfzehn Jahren wiederholentlich davon getragen, na-
türlich die Gegner Macedoniens vorzüglich betroffen. Die Ver-
bannten hatten früher in den Heeren des Persischen Großkönigs
Dienste und fortgesetzten Kampf gegen Macedonien gefunden; nach
Persiens Fall irrten sie hülflos und heimathlos in der Welt um-
her; manche mochten Dienste im Macedonischen Heere nehmen,
andere wurden, während Alexander in Indien stand, von den
Satrapen auf eigene Hand angeworben, noch Andere gingen nach
Griechenland zurück, um in der Nachbarschaft ihrer Heimathstädte
auf eine Veränderung der Dinge zu warten, oder zogen zu dem

65) Plutarch. princ. pol. p. 804.
66) Plutarch. X Orat.
Lykurg sagte: was ist das für ein Gott, aus dessen Nähe man
sich nicht entfernen darf, ohne sich zu reinigen?
67) Dinarch.
p.
172. Demades soll bei der Gelegenheit gesagt haben: sehet zu,
daß, während ihr den Himmel hütet, die Erde euch nicht entrissen
wird. Val. Max. VII. 2. 10.
68) Aelian. V. H. 11. 19.
69) Arrian. VII. 23. 3.

koͤnne in ſo wichtigen Dingen zu ſprechen, antwortete er: Alexan-
der ſei noch juͤnger 65). Auch Lykurgus erhob ſich gegen den
Geſetzvorſchlag: wie ſei es moͤglich, ſprach er, den als Gott zu
verehren, der voll Ungerechtigkeit ſei und ſelbſt die Geſetze der
Sitte und Schicklichkeit nicht achte 66). Demoſthenes aber, der
ſich in fruͤheren Jahren heftig genug uͤber die Vergoͤtterung, die
dem Koͤnige in Aſien gezollt wurde, geaͤußert hatte, rieth jetzt dem
Volke, dem maͤchtigen Koͤnige die Ehren der Olympiſchen Goͤtter
nicht zu weigern, und das Athenaͤiſche Volk dekretirte nach dem
Borſchlage des Demades 67). Auch in Sparta wurde ohne Wei-
teres Folge geleiſtet; das lakoniſche Dekret lautete: will Alexan-
der Gott ſein, ſo ſei er Gott 68). Die uͤbrigen Hellenen folgten
dem Beiſpiel der Hauptſtaaten, und die naͤchſten Helleniſchen Ge-
ſandten an Alexander kamen gekraͤnzt und in der Weiſe, wie Theo-
ren zu den Tempeln der Goͤtter ziehen 69).

Eine zweite, nicht minder wichtige Anordnung Alexanders
bezog ſich auf die Verbannten der Helleniſchen Freiſtaaten; die
Verbannungen waren zum groͤßten Theil Folge politiſcher Veraͤn-
derungen, und hatten wegen der Siege, die die Macedonier ſeit
den letzten funfzehn Jahren wiederholentlich davon getragen, na-
tuͤrlich die Gegner Macedoniens vorzuͤglich betroffen. Die Ver-
bannten hatten fruͤher in den Heeren des Perſiſchen Großkoͤnigs
Dienſte und fortgeſetzten Kampf gegen Macedonien gefunden; nach
Perſiens Fall irrten ſie huͤlflos und heimathlos in der Welt um-
her; manche mochten Dienſte im Macedoniſchen Heere nehmen,
andere wurden, waͤhrend Alexander in Indien ſtand, von den
Satrapen auf eigene Hand angeworben, noch Andere gingen nach
Griechenland zuruͤck, um in der Nachbarſchaft ihrer Heimathſtaͤdte
auf eine Veraͤnderung der Dinge zu warten, oder zogen zu dem

65) Plutarch. princ. pol. p. 804.
66) Plutarch. X Orat.
Lykurg ſagte: was iſt das fuͤr ein Gott, aus deſſen Naͤhe man
ſich nicht entfernen darf, ohne ſich zu reinigen?
67) Dinarch.
p.
172. Demades ſoll bei der Gelegenheit geſagt haben: ſehet zu,
daß, waͤhrend ihr den Himmel huͤtet, die Erde euch nicht entriſſen
wird. Val. Max. VII. 2. 10.
68) Aelian. V. H. 11. 19.
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[525/0539] koͤnne in ſo wichtigen Dingen zu ſprechen, antwortete er: Alexan- der ſei noch juͤnger 65). Auch Lykurgus erhob ſich gegen den Geſetzvorſchlag: wie ſei es moͤglich, ſprach er, den als Gott zu verehren, der voll Ungerechtigkeit ſei und ſelbſt die Geſetze der Sitte und Schicklichkeit nicht achte 66). Demoſthenes aber, der ſich in fruͤheren Jahren heftig genug uͤber die Vergoͤtterung, die dem Koͤnige in Aſien gezollt wurde, geaͤußert hatte, rieth jetzt dem Volke, dem maͤchtigen Koͤnige die Ehren der Olympiſchen Goͤtter nicht zu weigern, und das Athenaͤiſche Volk dekretirte nach dem Borſchlage des Demades 67). Auch in Sparta wurde ohne Wei- teres Folge geleiſtet; das lakoniſche Dekret lautete: will Alexan- der Gott ſein, ſo ſei er Gott 68). Die uͤbrigen Hellenen folgten dem Beiſpiel der Hauptſtaaten, und die naͤchſten Helleniſchen Ge- ſandten an Alexander kamen gekraͤnzt und in der Weiſe, wie Theo- ren zu den Tempeln der Goͤtter ziehen 69). Eine zweite, nicht minder wichtige Anordnung Alexanders bezog ſich auf die Verbannten der Helleniſchen Freiſtaaten; die Verbannungen waren zum groͤßten Theil Folge politiſcher Veraͤn- derungen, und hatten wegen der Siege, die die Macedonier ſeit den letzten funfzehn Jahren wiederholentlich davon getragen, na- tuͤrlich die Gegner Macedoniens vorzuͤglich betroffen. Die Ver- bannten hatten fruͤher in den Heeren des Perſiſchen Großkoͤnigs Dienſte und fortgeſetzten Kampf gegen Macedonien gefunden; nach Perſiens Fall irrten ſie huͤlflos und heimathlos in der Welt um- her; manche mochten Dienſte im Macedoniſchen Heere nehmen, andere wurden, waͤhrend Alexander in Indien ſtand, von den Satrapen auf eigene Hand angeworben, noch Andere gingen nach Griechenland zuruͤck, um in der Nachbarſchaft ihrer Heimathſtaͤdte auf eine Veraͤnderung der Dinge zu warten, oder zogen zu dem 65) Plutarch. princ. pol. p. 804. 66) Plutarch. X Orat. Lykurg ſagte: was iſt das fuͤr ein Gott, aus deſſen Naͤhe man ſich nicht entfernen darf, ohne ſich zu reinigen? 67) Dinarch. p. 172. Demades ſoll bei der Gelegenheit geſagt haben: ſehet zu, daß, waͤhrend ihr den Himmel huͤtet, die Erde euch nicht entriſſen wird. Val. Max. VII. 2. 10. 68) Aelian. V. H. 11. 19. 69) Arrian. VII. 23. 3.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/539>, abgerufen am 22.11.2024.