äußerte sich darüber; "Zeus sei freilich aller Menschen Vater, aber nur die Besten mache er zu seinen Söhnen" 63b). Die Völker des Morgenlandes sind gewöhnt, ihren König als ein Wesen höherer Art zu verehren, und allerdings ist dieser Glaube, wie er sich auch nach den Sitten und den Vorurtheilen der Jahrhunderte umgestalten mag, die wahre Stütze jeder Monar- chie, ja jeder Form von Herrenthum; selbst die Dorischen Aristo- kratien des Alterthums gaben den Herakliden dieses Vorrecht ge- gen das arme Volk, und das demokratische Athen gründete auf ein durchaus analoges Vorurtheil gegen die Sklaven die Mög- lichkeit einer Freiheit, gegen welche die Monarchie Alexanders in jeder Hinsicht als Fortschritt zu bezeichnen ist. Alexander wollte Griechenland allmählig von den Formen einer überlebten Demokratie entwöhnen und in die der neuen Monarchie mit hinein- ziehen; es war der erste und wesentlichste Schritt, die Griechen zu demselben Glauben an seine Majestät, den Asien hegte, und in dem er mit allem Rechte die wesentlichste Garantie seines König- thums erkannte, zu veranlassen.
Zu der Zeit, als in Asien die letzten Schritte zur Verschmel- zung des Abend- und Morgenländischen gemacht wurden, und das Königthum entschieden die Gestalt eines Hellenistischen angenom- men hatte, ergingen nach Griechenland hin die Aufforderungen, durch öffentliche Beschlüsse dem Könige die Ehren der Götter zu ge- währen 64). In Athen brachte Demades den Vorschlag vor das Volk, Pytheas trat auf, gegen ihn zu sprechen: es sei gegen die Solonischen Gesetze, andere als die väterlichen Götter zu ehren; und als gegen ihn eingewandt ward, wie er, noch so jung, wagen
63b)Plutarch. apophth.
64) Demades wurde späterhin wegen dieses Vorschlages zu zehn (Athen. VI. 251. a.) oder richti- ger hundert Talenten, (Aelian. V. v. 12.) verurtheilt; dagegen siegte er mit der Rede über seine zwölfjährige Staatsverwaltung (326) und in dem erhaltenen Bruchstück ist wenigstens keine Spur da- von, daß er die timas ton en ourano dem Alexander schon dekretirt. Da im Jahre 323 zum ersten Male Theoren sämmtlicher Griechen an Alexander gehen, so ist das Gesetz des Demades wohl nicht früher, als 324 zu setzen.
aͤußerte ſich daruͤber; „Zeus ſei freilich aller Menſchen Vater, aber nur die Beſten mache er zu ſeinen Soͤhnen“ 63b). Die Voͤlker des Morgenlandes ſind gewoͤhnt, ihren Koͤnig als ein Weſen hoͤherer Art zu verehren, und allerdings iſt dieſer Glaube, wie er ſich auch nach den Sitten und den Vorurtheilen der Jahrhunderte umgeſtalten mag, die wahre Stuͤtze jeder Monar- chie, ja jeder Form von Herrenthum; ſelbſt die Doriſchen Ariſto- kratien des Alterthums gaben den Herakliden dieſes Vorrecht ge- gen das arme Volk, und das demokratiſche Athen gruͤndete auf ein durchaus analoges Vorurtheil gegen die Sklaven die Moͤg- lichkeit einer Freiheit, gegen welche die Monarchie Alexanders in jeder Hinſicht als Fortſchritt zu bezeichnen iſt. Alexander wollte Griechenland allmaͤhlig von den Formen einer uͤberlebten Demokratie entwoͤhnen und in die der neuen Monarchie mit hinein- ziehen; es war der erſte und weſentlichſte Schritt, die Griechen zu demſelben Glauben an ſeine Majeſtaͤt, den Aſien hegte, und in dem er mit allem Rechte die weſentlichſte Garantie ſeines Koͤnig- thums erkannte, zu veranlaſſen.
Zu der Zeit, als in Aſien die letzten Schritte zur Verſchmel- zung des Abend- und Morgenlaͤndiſchen gemacht wurden, und das Koͤnigthum entſchieden die Geſtalt eines Helleniſtiſchen angenom- men hatte, ergingen nach Griechenland hin die Aufforderungen, durch oͤffentliche Beſchluͤſſe dem Koͤnige die Ehren der Goͤtter zu ge- waͤhren 64). In Athen brachte Demades den Vorſchlag vor das Volk, Pytheas trat auf, gegen ihn zu ſprechen: es ſei gegen die Soloniſchen Geſetze, andere als die vaͤterlichen Goͤtter zu ehren; und als gegen ihn eingewandt ward, wie er, noch ſo jung, wagen
63b)Plutarch. apophth.
64) Demades wurde ſpaͤterhin wegen dieſes Vorſchlages zu zehn (Athen. VI. 251. a.) oder richti- ger hundert Talenten, (Aelian. V. v. 12.) verurtheilt; dagegen ſiegte er mit der Rede uͤber ſeine zwoͤlfjaͤhrige Staatsverwaltung (326) und in dem erhaltenen Bruchſtuͤck iſt wenigſtens keine Spur da- von, daß er die τιμὰς τῶν ἐν οὐϱανῷ dem Alexander ſchon dekretirt. Da im Jahre 323 zum erſten Male Theoren ſaͤmmtlicher Griechen an Alexander gehen, ſo iſt das Geſetz des Demades wohl nicht fruͤher, als 324 zu ſetzen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0538"n="524"/>
aͤußerte ſich daruͤber; „Zeus ſei freilich aller Menſchen Vater,<lb/>
aber nur die Beſten mache er zu ſeinen Soͤhnen“<noteplace="foot"n="63b)"><hirendition="#aq">Plutarch. apophth.</hi></note>. Die<lb/>
Voͤlker des Morgenlandes ſind gewoͤhnt, ihren Koͤnig als ein<lb/>
Weſen hoͤherer Art zu verehren, und allerdings iſt dieſer Glaube,<lb/>
wie er ſich auch nach den Sitten und den Vorurtheilen der<lb/>
Jahrhunderte umgeſtalten mag, die wahre Stuͤtze jeder Monar-<lb/>
chie, ja jeder Form von Herrenthum; ſelbſt die Doriſchen Ariſto-<lb/>
kratien des Alterthums gaben den Herakliden dieſes Vorrecht ge-<lb/>
gen das arme Volk, und das demokratiſche Athen gruͤndete auf<lb/>
ein durchaus analoges Vorurtheil gegen die Sklaven die Moͤg-<lb/>
lichkeit einer Freiheit, gegen welche die Monarchie Alexanders in<lb/>
jeder Hinſicht als Fortſchritt zu bezeichnen iſt. Alexander<lb/>
wollte Griechenland allmaͤhlig von den Formen einer uͤberlebten<lb/>
Demokratie entwoͤhnen und in die der neuen Monarchie mit hinein-<lb/>
ziehen; es war der erſte und weſentlichſte Schritt, die Griechen<lb/>
zu demſelben Glauben an ſeine Majeſtaͤt, den Aſien hegte, und in<lb/>
dem er mit allem Rechte die weſentlichſte Garantie ſeines Koͤnig-<lb/>
thums erkannte, zu veranlaſſen.</p><lb/><p>Zu der Zeit, als in Aſien die letzten Schritte zur Verſchmel-<lb/>
zung des Abend- und Morgenlaͤndiſchen gemacht wurden, und das<lb/>
Koͤnigthum entſchieden die Geſtalt eines Helleniſtiſchen angenom-<lb/>
men hatte, ergingen nach Griechenland hin die Aufforderungen, durch<lb/>
oͤffentliche Beſchluͤſſe dem Koͤnige die Ehren der Goͤtter zu ge-<lb/>
waͤhren <noteplace="foot"n="64)">Demades wurde ſpaͤterhin<lb/>
wegen dieſes Vorſchlages zu zehn (<hirendition="#aq">Athen. VI. 251. a.</hi>) oder richti-<lb/>
ger hundert Talenten, (<hirendition="#aq">Aelian. V. v.</hi> 12.) verurtheilt; dagegen ſiegte<lb/>
er mit der Rede uͤber ſeine zwoͤlfjaͤhrige Staatsverwaltung (326)<lb/>
und in dem erhaltenen Bruchſtuͤck iſt wenigſtens keine Spur da-<lb/>
von, daß er die τιμὰςτῶνἐνοὐϱανῷ dem Alexander ſchon dekretirt. Da<lb/>
im Jahre 323 zum erſten Male Theoren ſaͤmmtlicher Griechen an<lb/>
Alexander gehen, ſo iſt das Geſetz des Demades wohl nicht fruͤher,<lb/>
als 324 zu ſetzen.</note>. In Athen brachte Demades den Vorſchlag vor das<lb/>
Volk, Pytheas trat auf, gegen ihn zu ſprechen: es ſei gegen die<lb/>
Soloniſchen Geſetze, andere als die vaͤterlichen Goͤtter zu ehren;<lb/>
und als gegen ihn eingewandt ward, wie er, noch ſo jung, wagen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[524/0538]
aͤußerte ſich daruͤber; „Zeus ſei freilich aller Menſchen Vater,
aber nur die Beſten mache er zu ſeinen Soͤhnen“ 63b). Die
Voͤlker des Morgenlandes ſind gewoͤhnt, ihren Koͤnig als ein
Weſen hoͤherer Art zu verehren, und allerdings iſt dieſer Glaube,
wie er ſich auch nach den Sitten und den Vorurtheilen der
Jahrhunderte umgeſtalten mag, die wahre Stuͤtze jeder Monar-
chie, ja jeder Form von Herrenthum; ſelbſt die Doriſchen Ariſto-
kratien des Alterthums gaben den Herakliden dieſes Vorrecht ge-
gen das arme Volk, und das demokratiſche Athen gruͤndete auf
ein durchaus analoges Vorurtheil gegen die Sklaven die Moͤg-
lichkeit einer Freiheit, gegen welche die Monarchie Alexanders in
jeder Hinſicht als Fortſchritt zu bezeichnen iſt. Alexander
wollte Griechenland allmaͤhlig von den Formen einer uͤberlebten
Demokratie entwoͤhnen und in die der neuen Monarchie mit hinein-
ziehen; es war der erſte und weſentlichſte Schritt, die Griechen
zu demſelben Glauben an ſeine Majeſtaͤt, den Aſien hegte, und in
dem er mit allem Rechte die weſentlichſte Garantie ſeines Koͤnig-
thums erkannte, zu veranlaſſen.
Zu der Zeit, als in Aſien die letzten Schritte zur Verſchmel-
zung des Abend- und Morgenlaͤndiſchen gemacht wurden, und das
Koͤnigthum entſchieden die Geſtalt eines Helleniſtiſchen angenom-
men hatte, ergingen nach Griechenland hin die Aufforderungen, durch
oͤffentliche Beſchluͤſſe dem Koͤnige die Ehren der Goͤtter zu ge-
waͤhren 64). In Athen brachte Demades den Vorſchlag vor das
Volk, Pytheas trat auf, gegen ihn zu ſprechen: es ſei gegen die
Soloniſchen Geſetze, andere als die vaͤterlichen Goͤtter zu ehren;
und als gegen ihn eingewandt ward, wie er, noch ſo jung, wagen
63b) Plutarch. apophth.
64) Demades wurde ſpaͤterhin
wegen dieſes Vorſchlages zu zehn (Athen. VI. 251. a.) oder richti-
ger hundert Talenten, (Aelian. V. v. 12.) verurtheilt; dagegen ſiegte
er mit der Rede uͤber ſeine zwoͤlfjaͤhrige Staatsverwaltung (326)
und in dem erhaltenen Bruchſtuͤck iſt wenigſtens keine Spur da-
von, daß er die τιμὰς τῶν ἐν οὐϱανῷ dem Alexander ſchon dekretirt. Da
im Jahre 323 zum erſten Male Theoren ſaͤmmtlicher Griechen an
Alexander gehen, ſo iſt das Geſetz des Demades wohl nicht fruͤher,
als 324 zu ſetzen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/538>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.