Im Sinne jenes Planes war es, daß Alexander von den Hellenen göttliche Ehre forderte, wie sie ihm von den Völkern des Morgenlandes von Anbeginn gezollt worden war. Was man auch in Beziehung auf die persönliche Gesinnung des Königs und deren Verwandelung aus diesem Gebot folgern mag, jeden Falls war es weder so überraschend und frevelhaft, wie es uns er- scheint, noch ist die tiefe politische Bedeutsamkeit dieser Maaßregel zu verkennen. Man vergegenwärtige sich die Eigenthümlichkeit des Hellenischen Heidenthums, das die Götter wie Menschen anzuse- hen und großen Männern heroische Ehre zu erzeigen gewohnt war, und das in dieser Zeit der Aufklärung und Frivolität die Religion selbst als Ceremonie, die Ehren der Götter als Gewohn- heit und Lustbarkeit, die Götter als menschliche Institutionen oder Allegorien irdischer Macht und Weisheit betrachtete, man nehme dazu, daß bereits seit mehreren Jahren die Gesandtschaften des Ko- rinthischen Bundes an den König die Form heiliger Processionen angenommen, daß auch die Athener das heilige Schiff, das dem Gotte von Delos gesandt zu werden pflegte, an Alexander ge- schickt hatten, daß nach allgemeinen Gerüchten die Orakel des Ammoniums, wie man auch spotten mochte, am Ende doch den König als Zeus Sohn bezeichnet hatten, daß endlich Alexander, aus dem Geschlechte des Herakles und Achilleus, eine Welt erobert und umgestaltet und in Wahrheit Größeres als Herakles und Dionysos vollbracht hatte, kurz man denke sich diese ganze wun- derliche Mischung von Aberglauben und Irreligiosität, von Gleich- gültigkeit gegen die Götter und Hingebung an das Irdische, und man wird es begreiflich finden, daß für das damalige Griechen- thum der Gedanke an göttliche Ehren und an das Vergöttern ei- nes Menschen nicht allzufern lag; wie natürlich vielmehr derglei- chen im Sinne der damaligen Zeit war, beweisen die nächsten Jahrzehnte bis zum Ueberdruß, nur daß der große Alexander der erste war, der für sich das in Anspruch nahm, was nach ihm die erbärmlichsten Fürsten und die verworfensten Menschen von allen Griechen, vor Allem aber von den Athenern für ein Billiges zu Kauf erhalten konnten. Nicht als ob Alexander einer Seits an seine eigene Gottheit geglaubt oder anderer Seits dieselbe für nichts als für eine äußerliche Maaßregel gehalten hätte; er selbst
Im Sinne jenes Planes war es, daß Alexander von den Hellenen goͤttliche Ehre forderte, wie ſie ihm von den Voͤlkern des Morgenlandes von Anbeginn gezollt worden war. Was man auch in Beziehung auf die perſoͤnliche Geſinnung des Koͤnigs und deren Verwandelung aus dieſem Gebot folgern mag, jeden Falls war es weder ſo uͤberraſchend und frevelhaft, wie es uns er- ſcheint, noch iſt die tiefe politiſche Bedeutſamkeit dieſer Maaßregel zu verkennen. Man vergegenwaͤrtige ſich die Eigenthuͤmlichkeit des Helleniſchen Heidenthums, das die Goͤtter wie Menſchen anzuſe- hen und großen Maͤnnern heroiſche Ehre zu erzeigen gewohnt war, und das in dieſer Zeit der Aufklaͤrung und Frivolitaͤt die Religion ſelbſt als Ceremonie, die Ehren der Goͤtter als Gewohn- heit und Luſtbarkeit, die Goͤtter als menſchliche Inſtitutionen oder Allegorien irdiſcher Macht und Weisheit betrachtete, man nehme dazu, daß bereits ſeit mehreren Jahren die Geſandtſchaften des Ko- rinthiſchen Bundes an den Koͤnig die Form heiliger Proceſſionen angenommen, daß auch die Athener das heilige Schiff, das dem Gotte von Delos geſandt zu werden pflegte, an Alexander ge- ſchickt hatten, daß nach allgemeinen Geruͤchten die Orakel des Ammoniums, wie man auch ſpotten mochte, am Ende doch den Koͤnig als Zeus Sohn bezeichnet hatten, daß endlich Alexander, aus dem Geſchlechte des Herakles und Achilleus, eine Welt erobert und umgeſtaltet und in Wahrheit Groͤßeres als Herakles und Dionyſos vollbracht hatte, kurz man denke ſich dieſe ganze wun- derliche Miſchung von Aberglauben und Irreligioſitaͤt, von Gleich- guͤltigkeit gegen die Goͤtter und Hingebung an das Irdiſche, und man wird es begreiflich finden, daß fuͤr das damalige Griechen- thum der Gedanke an goͤttliche Ehren und an das Vergoͤttern ei- nes Menſchen nicht allzufern lag; wie natuͤrlich vielmehr derglei- chen im Sinne der damaligen Zeit war, beweiſen die naͤchſten Jahrzehnte bis zum Ueberdruß, nur daß der große Alexander der erſte war, der fuͤr ſich das in Anſpruch nahm, was nach ihm die erbaͤrmlichſten Fuͤrſten und die verworfenſten Menſchen von allen Griechen, vor Allem aber von den Athenern fuͤr ein Billiges zu Kauf erhalten konnten. Nicht als ob Alexander einer Seits an ſeine eigene Gottheit geglaubt oder anderer Seits dieſelbe fuͤr nichts als fuͤr eine aͤußerliche Maaßregel gehalten haͤtte; er ſelbſt
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Im Sinne jenes Planes war es, daß Alexander von den
Hellenen goͤttliche Ehre forderte, wie ſie ihm von den Voͤlkern
des Morgenlandes von Anbeginn gezollt worden war. Was man
auch in Beziehung auf die perſoͤnliche Geſinnung des Koͤnigs und
deren Verwandelung aus dieſem Gebot folgern mag, jeden Falls
war es weder ſo uͤberraſchend und frevelhaft, wie es uns er-
ſcheint, noch iſt die tiefe politiſche Bedeutſamkeit dieſer Maaßregel
zu verkennen. Man vergegenwaͤrtige ſich die Eigenthuͤmlichkeit des
Helleniſchen Heidenthums, das die Goͤtter wie Menſchen anzuſe-
hen und großen Maͤnnern heroiſche Ehre zu erzeigen gewohnt
war, und das in dieſer Zeit der Aufklaͤrung und Frivolitaͤt die
Religion ſelbſt als Ceremonie, die Ehren der Goͤtter als Gewohn-
heit und Luſtbarkeit, die Goͤtter als menſchliche Inſtitutionen oder
Allegorien irdiſcher Macht und Weisheit betrachtete, man nehme
dazu, daß bereits ſeit mehreren Jahren die Geſandtſchaften des Ko-
rinthiſchen Bundes an den Koͤnig die Form heiliger Proceſſionen
angenommen, daß auch die Athener das heilige Schiff, das dem
Gotte von Delos geſandt zu werden pflegte, an Alexander ge-
ſchickt hatten, daß nach allgemeinen Geruͤchten die Orakel des
Ammoniums, wie man auch ſpotten mochte, am Ende doch den
Koͤnig als Zeus Sohn bezeichnet hatten, daß endlich Alexander,
aus dem Geſchlechte des Herakles und Achilleus, eine Welt erobert
und umgeſtaltet und in Wahrheit Groͤßeres als Herakles und
Dionyſos vollbracht hatte, kurz man denke ſich dieſe ganze wun-
derliche Miſchung von Aberglauben und Irreligioſitaͤt, von Gleich-
guͤltigkeit gegen die Goͤtter und Hingebung an das Irdiſche, und
man wird es begreiflich finden, daß fuͤr das damalige Griechen-
thum der Gedanke an goͤttliche Ehren und an das Vergoͤttern ei-
nes Menſchen nicht allzufern lag; wie natuͤrlich vielmehr derglei-
chen im Sinne der damaligen Zeit war, beweiſen die naͤchſten
Jahrzehnte bis zum Ueberdruß, nur daß der große Alexander der
erſte war, der fuͤr ſich das in Anſpruch nahm, was nach ihm die
erbaͤrmlichſten Fuͤrſten und die verworfenſten Menſchen von allen
Griechen, vor Allem aber von den Athenern fuͤr ein Billiges zu
Kauf erhalten konnten. Nicht als ob Alexander einer Seits an
ſeine eigene Gottheit geglaubt oder anderer Seits dieſelbe fuͤr
nichts als fuͤr eine aͤußerliche Maaßregel gehalten haͤtte; er ſelbſt
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/537>, abgerufen am 22.11.2024.
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