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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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ständigkeit ließ, das sicherste Mittel, ihnen beides allmählig zu
entwenden, gefunden. So herrschte denn auf dem Markt von
Athen Demades, dessen Einfluß nicht minder auf sein Verhältniß
zu Macedonien, als auf seine Friedenspolitik, wie sie den Wün-
schen der Wohlhabenden entsprach und den genußlüsternen Pöbel
mit Festschmausereien und Geldspenden zu ködern möglich machte,
begründet war. Und allerdings war unter seiner Führung das
materielle Wohl des Landes nicht wenig gefördert worden; "nicht
der Krieger," so sprach er einst in der Ekklesia, "wird meinen Tod
beklagen, denn ihm nützt der Krieg, und der Friede ernährt ihn
nicht; wohl aber der Landmann, der Handwerker, der Kaufmann
und jeder, der ein ruhiges Leben liebt; für sie habe ich Attika
nicht mit Wall und Graben, wohl aber mit Frieden und Freund-
schaft gegen die Mächtigen geschützt." Aus dem Rechtshandel
wegen seiner zwölfjährigen Staatsführung, durch den ihn seine
Gegner zur Zeit, als Alexander im fernsten Osten stand, zu stür-
zen suchten, ging er vollkommen siegreich hervor 63). Demosthe-
nes vermochte nichts mehr, und selbst frühere Freunde, namentlich
Lykurg, wandten sich von ihm; und Phocion, der alte und strenge
Patriot, der in gleichem Maaße seines Vaterlandes Verfall be-
griff und beklagte, wäre vermöge seiner richtigen Einsicht in die
Zeitverhältnisse und seiner vollkommenen Rechtlichkeit der Führung
des Staates fähig und würdig gewesen, wenn er nicht eben zu
streng in seinen Grundsätzen, zu ernst in seinen Ansichten, zu red-
lich in seinem Bemühen gewesen wäre. Die Zeit der Demokratie
war vorüber, überall zeigte sich die Nothwendigkeit, daß der ver-
änderte politische und gesellschaftliche Zustand auch eine gründliche
Umgestaltung in den Verfassungen der Staaten forderte; und wenn
Alexanders Plan, die Griechen allmählig von der Demokratie zur
Monarchie hinüber zu führen, durch seinen zu frühen Tod, oder will
man lieber, durch die innere Nothwendigkeit des Hellenischer We-
sens unvollendet geblieben ist, so liegt eben darin der Grund je-
nes trostlosen Hinwelkens, mit dem das nächste Jahrhundert der
Hellenischen Geschichte den Ruhm besserer Zeiten besudeln sollte.

63) Im Jahre 326; wer ihn verklagte, ist nicht klar; daß er
Sieger blieb, sieht man aus seiner Stellung im Harpalischen Prozeß.

ſtaͤndigkeit ließ, das ſicherſte Mittel, ihnen beides allmaͤhlig zu
entwenden, gefunden. So herrſchte denn auf dem Markt von
Athen Demades, deſſen Einfluß nicht minder auf ſein Verhaͤltniß
zu Macedonien, als auf ſeine Friedenspolitik, wie ſie den Wuͤn-
ſchen der Wohlhabenden entſprach und den genußluͤſternen Poͤbel
mit Feſtſchmauſereien und Geldſpenden zu koͤdern moͤglich machte,
begruͤndet war. Und allerdings war unter ſeiner Fuͤhrung das
materielle Wohl des Landes nicht wenig gefoͤrdert worden; „nicht
der Krieger,“ ſo ſprach er einſt in der Ekkleſia, „wird meinen Tod
beklagen, denn ihm nuͤtzt der Krieg, und der Friede ernaͤhrt ihn
nicht; wohl aber der Landmann, der Handwerker, der Kaufmann
und jeder, der ein ruhiges Leben liebt; fuͤr ſie habe ich Attika
nicht mit Wall und Graben, wohl aber mit Frieden und Freund-
ſchaft gegen die Maͤchtigen geſchuͤtzt.“ Aus dem Rechtshandel
wegen ſeiner zwoͤlfjaͤhrigen Staatsfuͤhrung, durch den ihn ſeine
Gegner zur Zeit, als Alexander im fernſten Oſten ſtand, zu ſtuͤr-
zen ſuchten, ging er vollkommen ſiegreich hervor 63). Demoſthe-
nes vermochte nichts mehr, und ſelbſt fruͤhere Freunde, namentlich
Lykurg, wandten ſich von ihm; und Phocion, der alte und ſtrenge
Patriot, der in gleichem Maaße ſeines Vaterlandes Verfall be-
griff und beklagte, waͤre vermoͤge ſeiner richtigen Einſicht in die
Zeitverhaͤltniſſe und ſeiner vollkommenen Rechtlichkeit der Fuͤhrung
des Staates faͤhig und wuͤrdig geweſen, wenn er nicht eben zu
ſtreng in ſeinen Grundſaͤtzen, zu ernſt in ſeinen Anſichten, zu red-
lich in ſeinem Bemuͤhen geweſen waͤre. Die Zeit der Demokratie
war voruͤber, uͤberall zeigte ſich die Nothwendigkeit, daß der ver-
aͤnderte politiſche und geſellſchaftliche Zuſtand auch eine gruͤndliche
Umgeſtaltung in den Verfaſſungen der Staaten forderte; und wenn
Alexanders Plan, die Griechen allmaͤhlig von der Demokratie zur
Monarchie hinuͤber zu fuͤhren, durch ſeinen zu fruͤhen Tod, oder will
man lieber, durch die innere Nothwendigkeit des Helleniſcher We-
ſens unvollendet geblieben iſt, ſo liegt eben darin der Grund je-
nes troſtloſen Hinwelkens, mit dem das naͤchſte Jahrhundert der
Helleniſchen Geſchichte den Ruhm beſſerer Zeiten beſudeln ſollte.

63) Im Jahre 326; wer ihn verklagte, iſt nicht klar; daß er
Sieger blieb, ſieht man aus ſeiner Stellung im Harpaliſchen Prozeß.
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[522/0536] ſtaͤndigkeit ließ, das ſicherſte Mittel, ihnen beides allmaͤhlig zu entwenden, gefunden. So herrſchte denn auf dem Markt von Athen Demades, deſſen Einfluß nicht minder auf ſein Verhaͤltniß zu Macedonien, als auf ſeine Friedenspolitik, wie ſie den Wuͤn- ſchen der Wohlhabenden entſprach und den genußluͤſternen Poͤbel mit Feſtſchmauſereien und Geldſpenden zu koͤdern moͤglich machte, begruͤndet war. Und allerdings war unter ſeiner Fuͤhrung das materielle Wohl des Landes nicht wenig gefoͤrdert worden; „nicht der Krieger,“ ſo ſprach er einſt in der Ekkleſia, „wird meinen Tod beklagen, denn ihm nuͤtzt der Krieg, und der Friede ernaͤhrt ihn nicht; wohl aber der Landmann, der Handwerker, der Kaufmann und jeder, der ein ruhiges Leben liebt; fuͤr ſie habe ich Attika nicht mit Wall und Graben, wohl aber mit Frieden und Freund- ſchaft gegen die Maͤchtigen geſchuͤtzt.“ Aus dem Rechtshandel wegen ſeiner zwoͤlfjaͤhrigen Staatsfuͤhrung, durch den ihn ſeine Gegner zur Zeit, als Alexander im fernſten Oſten ſtand, zu ſtuͤr- zen ſuchten, ging er vollkommen ſiegreich hervor 63). Demoſthe- nes vermochte nichts mehr, und ſelbſt fruͤhere Freunde, namentlich Lykurg, wandten ſich von ihm; und Phocion, der alte und ſtrenge Patriot, der in gleichem Maaße ſeines Vaterlandes Verfall be- griff und beklagte, waͤre vermoͤge ſeiner richtigen Einſicht in die Zeitverhaͤltniſſe und ſeiner vollkommenen Rechtlichkeit der Fuͤhrung des Staates faͤhig und wuͤrdig geweſen, wenn er nicht eben zu ſtreng in ſeinen Grundſaͤtzen, zu ernſt in ſeinen Anſichten, zu red- lich in ſeinem Bemuͤhen geweſen waͤre. Die Zeit der Demokratie war voruͤber, uͤberall zeigte ſich die Nothwendigkeit, daß der ver- aͤnderte politiſche und geſellſchaftliche Zuſtand auch eine gruͤndliche Umgeſtaltung in den Verfaſſungen der Staaten forderte; und wenn Alexanders Plan, die Griechen allmaͤhlig von der Demokratie zur Monarchie hinuͤber zu fuͤhren, durch ſeinen zu fruͤhen Tod, oder will man lieber, durch die innere Nothwendigkeit des Helleniſcher We- ſens unvollendet geblieben iſt, ſo liegt eben darin der Grund je- nes troſtloſen Hinwelkens, mit dem das naͤchſte Jahrhundert der Helleniſchen Geſchichte den Ruhm beſſerer Zeiten beſudeln ſollte. 63) Im Jahre 326; wer ihn verklagte, iſt nicht klar; daß er Sieger blieb, ſieht man aus ſeiner Stellung im Harpaliſchen Prozeß.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/536>, abgerufen am 22.11.2024.