heit der Asiaten war so unbegrenzt, daß er sich ihnen ganz anver- trauen konnte. Deshalb berief er am dritten Tage die Perser in das Königsschloß, eröffnete ihnen seinen Willen, wählte aus ihnen die Hauptleute und Anführer im neuen Heere, nannte viele von ihnen mit dem Ehrennamen königlicher Verwandten und gab ihnen nach morgenländischer Weise das Vorrecht des Kusses; dann wurden die barbarischen Truppen nach Macedonischer Weise in Phalangen und Geschwader getheilt, es wurde ein Geleit der Perser, Persische Getreuen vom Fußvolk, eine Persische Schaar Hypaspisten Silberschildner, Persische Ritterschaft der Getreuen, ein königliches Geleit Persischer Ritterschaft ausgerüstet; es wur- den die Posten am Schlosse von Persern besetzt und ihnen der Dienst beim Könige übergeben, es wurde den Macedoniern der Befehl gesandt, das Lager zu räumen und zu gehen, wohin sie wollten, oder sich, wenn sie es vorzögen, einen Führer zu wählen und gegen Alexander, ihren König, ins Feld zu rücken, um dann von ihm besiegt zu erkennen, daß sie ohne ihn nichts wären 52). Sobald dieser Aufruf des Königs, die Nachricht von der Einrich- tung des neuen Heeres und von den Persischen Wachen beim Kö- nige im Lager der Macedonier bekannt wurde, da hielten sich die alten Truppen nicht länger; sie überließen sich dem wildesten Schmerze und der bittersten Reue, sie verfluchten, was sie gethan, sie zogen in hellen Haufen vor des Königs Schloß, warfen ihre Waffen vor den Schloßpforten zusammen, zum Zeichen ihrer De- müthigung und ihres Flehens; sie jammerten und schrieen, daß sie sich auf Gnade und Ungnade ergäben, daß Alexander über sie verhängen möge, was ihm gut scheine, daß er sie strafen möge, wie es Undankbare, Aufrührer und Meuterer verdienten; sie for- derten eingelassen zu werden, um sich dem Könige als Flehende zu nahen, um ihm die Urheber des Aufruhrs auszuliefern, sie würden Tag und Nacht nicht von hinnen weichen, bis sich der König erbarmte. So blieben sie zwei Tage und zwei Nächte vor dem Schlosse, und wurden nicht müde, um Gnade zu flehen und Alexander, ihren König, ihren Herrn zu rufen. Endlich öffneten
52) Dieses etwa meinet Polyaen. IV. 3. 7.
33 *
heit der Aſiaten war ſo unbegrenzt, daß er ſich ihnen ganz anver- trauen konnte. Deshalb berief er am dritten Tage die Perſer in das Koͤnigsſchloß, eroͤffnete ihnen ſeinen Willen, waͤhlte aus ihnen die Hauptleute und Anfuͤhrer im neuen Heere, nannte viele von ihnen mit dem Ehrennamen koͤniglicher Verwandten und gab ihnen nach morgenlaͤndiſcher Weiſe das Vorrecht des Kuſſes; dann wurden die barbariſchen Truppen nach Macedoniſcher Weiſe in Phalangen und Geſchwader getheilt, es wurde ein Geleit der Perſer, Perſiſche Getreuen vom Fußvolk, eine Perſiſche Schaar Hypaspiſten Silberſchildner, Perſiſche Ritterſchaft der Getreuen, ein koͤnigliches Geleit Perſiſcher Ritterſchaft ausgeruͤſtet; es wur- den die Poſten am Schloſſe von Perſern beſetzt und ihnen der Dienſt beim Koͤnige uͤbergeben, es wurde den Macedoniern der Befehl geſandt, das Lager zu raͤumen und zu gehen, wohin ſie wollten, oder ſich, wenn ſie es vorzoͤgen, einen Fuͤhrer zu waͤhlen und gegen Alexander, ihren Koͤnig, ins Feld zu ruͤcken, um dann von ihm beſiegt zu erkennen, daß ſie ohne ihn nichts waͤren 52). Sobald dieſer Aufruf des Koͤnigs, die Nachricht von der Einrich- tung des neuen Heeres und von den Perſiſchen Wachen beim Koͤ- nige im Lager der Macedonier bekannt wurde, da hielten ſich die alten Truppen nicht laͤnger; ſie uͤberließen ſich dem wildeſten Schmerze und der bitterſten Reue, ſie verfluchten, was ſie gethan, ſie zogen in hellen Haufen vor des Koͤnigs Schloß, warfen ihre Waffen vor den Schloßpforten zuſammen, zum Zeichen ihrer De- muͤthigung und ihres Flehens; ſie jammerten und ſchrieen, daß ſie ſich auf Gnade und Ungnade ergaͤben, daß Alexander uͤber ſie verhaͤngen moͤge, was ihm gut ſcheine, daß er ſie ſtrafen moͤge, wie es Undankbare, Aufruͤhrer und Meuterer verdienten; ſie for- derten eingelaſſen zu werden, um ſich dem Koͤnige als Flehende zu nahen, um ihm die Urheber des Aufruhrs auszuliefern, ſie wuͤrden Tag und Nacht nicht von hinnen weichen, bis ſich der Koͤnig erbarmte. So blieben ſie zwei Tage und zwei Naͤchte vor dem Schloſſe, und wurden nicht muͤde, um Gnade zu flehen und Alexander, ihren Koͤnig, ihren Herrn zu rufen. Endlich oͤffneten
52) Dieſes etwa meinet Polyaen. IV. 3. 7.
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heit der Aſiaten war ſo unbegrenzt, daß er ſich ihnen ganz anver-
trauen konnte. Deshalb berief er am dritten Tage die Perſer
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ihnen die Hauptleute und Anfuͤhrer im neuen Heere, nannte viele
von ihnen mit dem Ehrennamen koͤniglicher Verwandten und gab
ihnen nach morgenlaͤndiſcher Weiſe das Vorrecht des Kuſſes;
dann wurden die barbariſchen Truppen nach Macedoniſcher Weiſe
in Phalangen und Geſchwader getheilt, es wurde ein Geleit der
Perſer, Perſiſche Getreuen vom Fußvolk, eine Perſiſche Schaar
Hypaspiſten Silberſchildner, Perſiſche Ritterſchaft der Getreuen,
ein koͤnigliches Geleit Perſiſcher Ritterſchaft ausgeruͤſtet; es wur-
den die Poſten am Schloſſe von Perſern beſetzt und ihnen der
Dienſt beim Koͤnige uͤbergeben, es wurde den Macedoniern der
Befehl geſandt, das Lager zu raͤumen und zu gehen, wohin ſie
wollten, oder ſich, wenn ſie es vorzoͤgen, einen Fuͤhrer zu waͤhlen
und gegen Alexander, ihren Koͤnig, ins Feld zu ruͤcken, um dann
von ihm beſiegt zu erkennen, daß ſie ohne ihn nichts waͤren 52).
Sobald dieſer Aufruf des Koͤnigs, die Nachricht von der Einrich-
tung des neuen Heeres und von den Perſiſchen Wachen beim Koͤ-
nige im Lager der Macedonier bekannt wurde, da hielten ſich die
alten Truppen nicht laͤnger; ſie uͤberließen ſich dem wildeſten
Schmerze und der bitterſten Reue, ſie verfluchten, was ſie gethan,
ſie zogen in hellen Haufen vor des Koͤnigs Schloß, warfen ihre
Waffen vor den Schloßpforten zuſammen, zum Zeichen ihrer De-
muͤthigung und ihres Flehens; ſie jammerten und ſchrieen, daß
ſie ſich auf Gnade und Ungnade ergaͤben, daß Alexander uͤber ſie
verhaͤngen moͤge, was ihm gut ſcheine, daß er ſie ſtrafen moͤge,
wie es Undankbare, Aufruͤhrer und Meuterer verdienten; ſie for-
derten eingelaſſen zu werden, um ſich dem Koͤnige als Flehende
zu nahen, um ihm die Urheber des Aufruhrs auszuliefern, ſie
wuͤrden Tag und Nacht nicht von hinnen weichen, bis ſich der
Koͤnig erbarmte. So blieben ſie zwei Tage und zwei Naͤchte vor
dem Schloſſe, und wurden nicht muͤde, um Gnade zu flehen und
Alexander, ihren Koͤnig, ihren Herrn zu rufen. Endlich oͤffneten
52) Dieſes etwa meinet Polyaen. IV. 3. 7.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/529>, abgerufen am 22.11.2024.
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