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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Heere befindlichen Macedonier durch die Indischen Feldzüge und
den Zug durch Gedrosien bis auf fünfundzwanzigtausend zusam-
men geschmolzen; von diesen war fast die Hälfte für unfähig zum
weiteren Heerdienste anzusehen, und in Kurzem zu entlassen oder
anzusiedeln; aus Macedonien aber konnten kaum bedeutende Re-
krutensendungen erwartet werden, der Mangel an jungen Leuten
begann dort schon fühlbar zu werden. Anderer Seits fühlte Alex-
ander sehr wohl, daß die Macedonischen Veteranen, nach den
furchtbaren Bedrängnissen Indiens und Gedrosiens zu neuen
Wagnissen stumpf sein und nach Ruhe und endlichem Genuß des
Erkämpften verlangen mußten, daß es zu den großen Entwürfen,
die seinen unermüdlichen Geist beschäftigten, des Enthusiasmus,
des Wetteifers, der physischen und moralischen Kraft junger Trup-
pen bedürfe, daß ferner der Stolz der Macedonischen Kerntruppen
leicht eine Fessel für ihn selbst werden konnte, zumal da sie sich
nach der alten kameradschaftlichen Vertraulichkeit zu ihrem Könige
eine Freiheit in Urtheilen und Aeußerungen erlaubten, wie sie zu
den ganz veränderten Verhältnissen nicht mehr passend erschien;
ja er mußte fürchten, daß sie endlich bei irgend welcher Gelegen-
heit die Scenen vom Hyphasis zu erneuen versuchen könnten, da
ihr Hochmuth nur zu geneigt war, die damalige Nachgiebigkeit
des Königs nicht dem allgemeinen Unglück, sonden ihrem eigenen
Einfluß zuzuschreiben. Ueberhaupt war seit jener Zeit eine gegen-
seitige Entfremdung zwischen dem Könige und den Macedoniern
im Heere immer fühlbarer geworden, und die nachfolgenden Er-
eignisse hatten nur dazu beigetragen, dieselbe noch augenfälliger zu
machen; selbst die Art, wie das Heer des Königs Anerbieten einer
allgemeinen Schuldentilgung angenommen hatte, zeigte deutlich,
wie tief das Mistrauen bereits gedrungen war. Alexander mochte
gehofft haben, durch jene wahrhaft königliche Gnade, durch die
ausgedehnteste Freigiebigkeit, mit der er Geschenke und Ehren an
die Macedonier vertheilte, durch die Hochzeitfeier, die er mit Tau-
senden seiner Veteranen zugleich feierte, der Stimmung im Heere
Herr zu werden; es war ihm nicht gelungen, er mußte einer ge-
fährlichen Krisis entgegensehen, die durch jeden weiteren Schritt
zur Hellenistischen Gestaltung des Reiches nur schneller herbeige-
führt wurde; er mußte doppelt eilen, sich mit einer militairischen

Heere befindlichen Macedonier durch die Indiſchen Feldzuͤge und
den Zug durch Gedroſien bis auf fuͤnfundzwanzigtauſend zuſam-
men geſchmolzen; von dieſen war faſt die Haͤlfte fuͤr unfaͤhig zum
weiteren Heerdienſte anzuſehen, und in Kurzem zu entlaſſen oder
anzuſiedeln; aus Macedonien aber konnten kaum bedeutende Re-
krutenſendungen erwartet werden, der Mangel an jungen Leuten
begann dort ſchon fuͤhlbar zu werden. Anderer Seits fuͤhlte Alex-
ander ſehr wohl, daß die Macedoniſchen Veteranen, nach den
furchtbaren Bedraͤngniſſen Indiens und Gedroſiens zu neuen
Wagniſſen ſtumpf ſein und nach Ruhe und endlichem Genuß des
Erkaͤmpften verlangen mußten, daß es zu den großen Entwuͤrfen,
die ſeinen unermuͤdlichen Geiſt beſchaͤftigten, des Enthuſiasmus,
des Wetteifers, der phyſiſchen und moraliſchen Kraft junger Trup-
pen beduͤrfe, daß ferner der Stolz der Macedoniſchen Kerntruppen
leicht eine Feſſel fuͤr ihn ſelbſt werden konnte, zumal da ſie ſich
nach der alten kameradſchaftlichen Vertraulichkeit zu ihrem Koͤnige
eine Freiheit in Urtheilen und Aeußerungen erlaubten, wie ſie zu
den ganz veraͤnderten Verhaͤltniſſen nicht mehr paſſend erſchien;
ja er mußte fuͤrchten, daß ſie endlich bei irgend welcher Gelegen-
heit die Scenen vom Hyphaſis zu erneuen verſuchen koͤnnten, da
ihr Hochmuth nur zu geneigt war, die damalige Nachgiebigkeit
des Koͤnigs nicht dem allgemeinen Ungluͤck, ſonden ihrem eigenen
Einfluß zuzuſchreiben. Ueberhaupt war ſeit jener Zeit eine gegen-
ſeitige Entfremdung zwiſchen dem Koͤnige und den Macedoniern
im Heere immer fuͤhlbarer geworden, und die nachfolgenden Er-
eigniſſe hatten nur dazu beigetragen, dieſelbe noch augenfaͤlliger zu
machen; ſelbſt die Art, wie das Heer des Koͤnigs Anerbieten einer
allgemeinen Schuldentilgung angenommen hatte, zeigte deutlich,
wie tief das Mistrauen bereits gedrungen war. Alexander mochte
gehofft haben, durch jene wahrhaft koͤnigliche Gnade, durch die
ausgedehnteſte Freigiebigkeit, mit der er Geſchenke und Ehren an
die Macedonier vertheilte, durch die Hochzeitfeier, die er mit Tau-
ſenden ſeiner Veteranen zugleich feierte, der Stimmung im Heere
Herr zu werden; es war ihm nicht gelungen, er mußte einer ge-
faͤhrlichen Kriſis entgegenſehen, die durch jeden weiteren Schritt
zur Helleniſtiſchen Geſtaltung des Reiches nur ſchneller herbeige-
fuͤhrt wurde; er mußte doppelt eilen, ſich mit einer militairiſchen

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[505/0519] Heere befindlichen Macedonier durch die Indiſchen Feldzuͤge und den Zug durch Gedroſien bis auf fuͤnfundzwanzigtauſend zuſam- men geſchmolzen; von dieſen war faſt die Haͤlfte fuͤr unfaͤhig zum weiteren Heerdienſte anzuſehen, und in Kurzem zu entlaſſen oder anzuſiedeln; aus Macedonien aber konnten kaum bedeutende Re- krutenſendungen erwartet werden, der Mangel an jungen Leuten begann dort ſchon fuͤhlbar zu werden. Anderer Seits fuͤhlte Alex- ander ſehr wohl, daß die Macedoniſchen Veteranen, nach den furchtbaren Bedraͤngniſſen Indiens und Gedroſiens zu neuen Wagniſſen ſtumpf ſein und nach Ruhe und endlichem Genuß des Erkaͤmpften verlangen mußten, daß es zu den großen Entwuͤrfen, die ſeinen unermuͤdlichen Geiſt beſchaͤftigten, des Enthuſiasmus, des Wetteifers, der phyſiſchen und moraliſchen Kraft junger Trup- pen beduͤrfe, daß ferner der Stolz der Macedoniſchen Kerntruppen leicht eine Feſſel fuͤr ihn ſelbſt werden konnte, zumal da ſie ſich nach der alten kameradſchaftlichen Vertraulichkeit zu ihrem Koͤnige eine Freiheit in Urtheilen und Aeußerungen erlaubten, wie ſie zu den ganz veraͤnderten Verhaͤltniſſen nicht mehr paſſend erſchien; ja er mußte fuͤrchten, daß ſie endlich bei irgend welcher Gelegen- heit die Scenen vom Hyphaſis zu erneuen verſuchen koͤnnten, da ihr Hochmuth nur zu geneigt war, die damalige Nachgiebigkeit des Koͤnigs nicht dem allgemeinen Ungluͤck, ſonden ihrem eigenen Einfluß zuzuſchreiben. Ueberhaupt war ſeit jener Zeit eine gegen- ſeitige Entfremdung zwiſchen dem Koͤnige und den Macedoniern im Heere immer fuͤhlbarer geworden, und die nachfolgenden Er- eigniſſe hatten nur dazu beigetragen, dieſelbe noch augenfaͤlliger zu machen; ſelbſt die Art, wie das Heer des Koͤnigs Anerbieten einer allgemeinen Schuldentilgung angenommen hatte, zeigte deutlich, wie tief das Mistrauen bereits gedrungen war. Alexander mochte gehofft haben, durch jene wahrhaft koͤnigliche Gnade, durch die ausgedehnteſte Freigiebigkeit, mit der er Geſchenke und Ehren an die Macedonier vertheilte, durch die Hochzeitfeier, die er mit Tau- ſenden ſeiner Veteranen zugleich feierte, der Stimmung im Heere Herr zu werden; es war ihm nicht gelungen, er mußte einer ge- faͤhrlichen Kriſis entgegenſehen, die durch jeden weiteren Schritt zur Helleniſtiſchen Geſtaltung des Reiches nur ſchneller herbeige- fuͤhrt wurde; er mußte doppelt eilen, ſich mit einer militairiſchen

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/519>, abgerufen am 22.11.2024.