Ostwinde abzuwarten, zur Abfahrt bereitet, war am 21. Septem- ber abgesegelt, und hatte in wenigen Tagen die Kanäle des In- dusdelta hinter sich; dann war er durch heftige Südwinde genö- thigt, unter dem Vorgebirge, das Indien vom Arabiterlande trennt, in einem Hafen, den er nach Alexander nannte, ans Land zu ge- hen und daselbst vierundzwanzig Tage zu rasten, bis sich endlich die regelmäßigen Winde gesetzt hatten. Mit dem 23. Oktober war er weiter geschifft, war unter mannichfaltigen Gefahren, bald zwischen Klippen hindurchsteuernd, bald gegen die gewaltige Bran- dung des Oceans ankämpfend an der Arabiusmündung vorübergese- gelt, und nach einem furchtbaren Seesturm am 30. Oktober, der dreien Fahrzeugen den Untergang brachte, bei Kokala an das Land gegangen, um zehn Tage zu rasten und die schadhaften Schiffe auszubessern; es war das der Ort, an dem kurz zuvor der Stra- teg Leonnat die Barbaren der Umgegend in einem sehr blutigen Treffen überwältigt hatte; der Satrap Apollophanes von Gedro- sien war bei dieser Gelegenheit erschlagen worden. Hier reichlich mit Vorräthen versehen und nach wiederholentlichen Zusammen- künsten mit Leonnat, war Nearch weiter gen Westen gefahren, und am 10. November lag das Geschwader vor der Mündung des Flusses Tomerus, an dessen Ufern bewaffnete Oriter haufenweise standen, um die Einfahrt der Flotte zu hindern; ein kühner Ue- berfall genügte, sie zu bewältigen, und für einige Tage einen ruhi- gen Landungsplatz zu gewinnen. Mit dem 21. November war die Flotte an die Küste der Ichthyophagen gekommen, jener arm- seligen und furchtbaren Einöde, bei der das Unglück des Landheeres so entsetzlich zu werden begann; auch das Schiffsheer hatte hier viel zu leiden, der Mangel an süßem Wasser und an Vorräthen wurde mit jedem Tage drückender. Endlich fand man in einem Fischerdorfe bald hinter dem Vorgebirge Bageia einen Eingebore- nen Namens Hydraces, der sich erbot, die Flotte als Lootse zu begleiten; er war ihr von großem Nutzen, unter seiner Leitung vermochte man fortan größere Fahrten zu machen, und dazu die kühleren Nächte zu wählen. Unter immer steigendem Mangel fuhr man bei der öden Sandküste Gedrosiens vorüber, und schon hatte die Unzufriedenheit der Schiffsleute einen gefährlichen Grad erreicht; da endlich erblickte man die mit Fruchtfeldern, Palmhai-
Oſtwinde abzuwarten, zur Abfahrt bereitet, war am 21. Septem- ber abgeſegelt, und hatte in wenigen Tagen die Kanaͤle des In- dusdelta hinter ſich; dann war er durch heftige Suͤdwinde genoͤ- thigt, unter dem Vorgebirge, das Indien vom Arabiterlande trennt, in einem Hafen, den er nach Alexander nannte, ans Land zu ge- hen und daſelbſt vierundzwanzig Tage zu raſten, bis ſich endlich die regelmaͤßigen Winde geſetzt hatten. Mit dem 23. Oktober war er weiter geſchifft, war unter mannichfaltigen Gefahren, bald zwiſchen Klippen hindurchſteuernd, bald gegen die gewaltige Bran- dung des Oceans ankaͤmpfend an der Arabiusmuͤndung voruͤbergeſe- gelt, und nach einem furchtbaren Seeſturm am 30. Oktober, der dreien Fahrzeugen den Untergang brachte, bei Kokala an das Land gegangen, um zehn Tage zu raſten und die ſchadhaften Schiffe auszubeſſern; es war das der Ort, an dem kurz zuvor der Stra- teg Leonnat die Barbaren der Umgegend in einem ſehr blutigen Treffen uͤberwaͤltigt hatte; der Satrap Apollophanes von Gedro- ſien war bei dieſer Gelegenheit erſchlagen worden. Hier reichlich mit Vorraͤthen verſehen und nach wiederholentlichen Zuſammen- kuͤnſten mit Leonnat, war Nearch weiter gen Weſten gefahren, und am 10. November lag das Geſchwader vor der Muͤndung des Fluſſes Tomerus, an deſſen Ufern bewaffnete Oriter haufenweiſe ſtanden, um die Einfahrt der Flotte zu hindern; ein kuͤhner Ue- berfall genuͤgte, ſie zu bewaͤltigen, und fuͤr einige Tage einen ruhi- gen Landungsplatz zu gewinnen. Mit dem 21. November war die Flotte an die Kuͤſte der Ichthyophagen gekommen, jener arm- ſeligen und furchtbaren Einoͤde, bei der das Ungluͤck des Landheeres ſo entſetzlich zu werden begann; auch das Schiffsheer hatte hier viel zu leiden, der Mangel an ſuͤßem Waſſer und an Vorraͤthen wurde mit jedem Tage druͤckender. Endlich fand man in einem Fiſcherdorfe bald hinter dem Vorgebirge Bageia einen Eingebore- nen Namens Hydraces, der ſich erbot, die Flotte als Lootſe zu begleiten; er war ihr von großem Nutzen, unter ſeiner Leitung vermochte man fortan groͤßere Fahrten zu machen, und dazu die kuͤhleren Naͤchte zu waͤhlen. Unter immer ſteigendem Mangel fuhr man bei der oͤden Sandkuͤſte Gedroſiens voruͤber, und ſchon hatte die Unzufriedenheit der Schiffsleute einen gefaͤhrlichen Grad erreicht; da endlich erblickte man die mit Fruchtfeldern, Palmhai-
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Oſtwinde abzuwarten, zur Abfahrt bereitet, war am 21. Septem-
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dusdelta hinter ſich; dann war er durch heftige Suͤdwinde genoͤ-
thigt, unter dem Vorgebirge, das Indien vom Arabiterlande trennt,
in einem Hafen, den er nach Alexander nannte, ans Land zu ge-
hen und daſelbſt vierundzwanzig Tage zu raſten, bis ſich endlich
die regelmaͤßigen Winde geſetzt hatten. Mit dem 23. Oktober
war er weiter geſchifft, war unter mannichfaltigen Gefahren, bald
zwiſchen Klippen hindurchſteuernd, bald gegen die gewaltige Bran-
dung des Oceans ankaͤmpfend an der Arabiusmuͤndung voruͤbergeſe-
gelt, und nach einem furchtbaren Seeſturm am 30. Oktober, der
dreien Fahrzeugen den Untergang brachte, bei Kokala an das Land
gegangen, um zehn Tage zu raſten und die ſchadhaften Schiffe
auszubeſſern; es war das der Ort, an dem kurz zuvor der Stra-
teg Leonnat die Barbaren der Umgegend in einem ſehr blutigen
Treffen uͤberwaͤltigt hatte; der Satrap Apollophanes von Gedro-
ſien war bei dieſer Gelegenheit erſchlagen worden. Hier reichlich
mit Vorraͤthen verſehen und nach wiederholentlichen Zuſammen-
kuͤnſten mit Leonnat, war Nearch weiter gen Weſten gefahren, und
am 10. November lag das Geſchwader vor der Muͤndung des
Fluſſes Tomerus, an deſſen Ufern bewaffnete Oriter haufenweiſe
ſtanden, um die Einfahrt der Flotte zu hindern; ein kuͤhner Ue-
berfall genuͤgte, ſie zu bewaͤltigen, und fuͤr einige Tage einen ruhi-
gen Landungsplatz zu gewinnen. Mit dem 21. November war
die Flotte an die Kuͤſte der Ichthyophagen gekommen, jener arm-
ſeligen und furchtbaren Einoͤde, bei der das Ungluͤck des Landheeres
ſo entſetzlich zu werden begann; auch das Schiffsheer hatte hier
viel zu leiden, der Mangel an ſuͤßem Waſſer und an Vorraͤthen
wurde mit jedem Tage druͤckender. Endlich fand man in einem
Fiſcherdorfe bald hinter dem Vorgebirge Bageia einen Eingebore-
nen Namens Hydraces, der ſich erbot, die Flotte als Lootſe zu
begleiten; er war ihr von großem Nutzen, unter ſeiner Leitung
vermochte man fortan groͤßere Fahrten zu machen, und dazu die
kuͤhleren Naͤchte zu waͤhlen. Unter immer ſteigendem Mangel
fuhr man bei der oͤden Sandkuͤſte Gedroſiens voruͤber, und ſchon
hatte die Unzufriedenheit der Schiffsleute einen gefaͤhrlichen Grad
erreicht; da endlich erblickte man die mit Fruchtfeldern, Palmhai-
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/493>, abgerufen am 25.11.2024.
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