phaxitis, Mygdonia, Bottiäis und Pieria umfaßte 3). Die Ur- einwohner dieser Gegenden waren dieselben Pelasgischen oder Thra- cischen Stämme, welche einst das ganze Hellenische Land inne ge- habt hatten, späterhin aber der höheren Entwickelung des Helleni- schen Lebens gegenüber als Barbaren erschienen. So hatten die Macedonischen Herakliden das gleiche Loos mit allen ihren Stam- mesgenossen, in ein fremdes Land eingewandert ihre Macht auf die Unterwerfung der einheimischen Urvölker gründen zu müssen, freilich mit dem wichtigen Unterschiede, daß hier wie in keinem Dorischen Lande das Alte mit dem Neuen zu einem Ganzen verschmolz, wel- ches im Stande war, die urkräftige Frische der Heroenzeit bis in späte Jahrhunderte zu bewahren. Und wenn berichtet wird, daß die Trophäen des ersten Sieges, den Perdikkas über die einheimi- schen Stämme davon trug, durch den Willen der Götter über Nacht von einem Löwen umgestürzt worden, zum Zeichen, daß man nicht Feinde besiegt, sondern Freunde gewonnen habe 4), so spricht sich in dem Sinne dieser Sage die eigenthümliche Kraft des Macedoni- schen Reiches und dessen Beruf aus, den letzten Krieg Griechen- lands gegen den Orient glücklich hindurch zu führen, da ja nicht über Unterworfene triumphirt, sondern die Völker Asiens für Grie- chisches Leben und Wesen gewonnen werden sollten.
Während im übrigen Griechenlande das Königthum, das sich in dem niederen Volke eine Stütze zu gewinnen versäumt hatte, ge- gen die Anmaaßungen eines ebenbürtigen Herrenstandes zu Grunde gegangen war, während gegen diesen Herrenstand selbst das niedere Volk, der Rechtlosigkeit und des unerträglichen Druckes müde, sich endlich empört, die edlen Geschlechter ihrer Vorrechte beraubt und in die gährende Masse des demokratischen Gemeinwesens hinabgezo- gen hatte, um selbst bald in Selbstsucht und Partheiung zu zerfal- len, hatte Macedonien in seiner ruhigen und alterthümlichen Weise fortbestehen können, da hier jene Elemente der Reibung und des Hasses in dem Verhältniß der verschiedenen Stände nicht vorhan-
3) Die nähere Einsicht in die höchst eigenthümlichen und einfluß- reichen Naturverhältnisse des kleinen Macedonischen Landes ist erst seit Cousinery's Werk (voyage dans la Macedoine) möglich geworden.
4)Paus. IX. 40.
3 *
phaxitis, Mygdonia, Bottiäis und Pieria umfaßte 3). Die Ur- einwohner dieſer Gegenden waren dieſelben Pelasgiſchen oder Thra- ciſchen Stämme, welche einſt das ganze Helleniſche Land inne ge- habt hatten, ſpäterhin aber der höheren Entwickelung des Helleni- ſchen Lebens gegenüber als Barbaren erſchienen. So hatten die Macedoniſchen Herakliden das gleiche Loos mit allen ihren Stam- mesgenoſſen, in ein fremdes Land eingewandert ihre Macht auf die Unterwerfung der einheimiſchen Urvölker gründen zu müſſen, freilich mit dem wichtigen Unterſchiede, daß hier wie in keinem Doriſchen Lande das Alte mit dem Neuen zu einem Ganzen verſchmolz, wel- ches im Stande war, die urkräftige Friſche der Heroenzeit bis in ſpäte Jahrhunderte zu bewahren. Und wenn berichtet wird, daß die Trophäen des erſten Sieges, den Perdikkas über die einheimi- ſchen Stämme davon trug, durch den Willen der Götter über Nacht von einem Löwen umgeſtürzt worden, zum Zeichen, daß man nicht Feinde beſiegt, ſondern Freunde gewonnen habe 4), ſo ſpricht ſich in dem Sinne dieſer Sage die eigenthümliche Kraft des Macedoni- ſchen Reiches und deſſen Beruf aus, den letzten Krieg Griechen- lands gegen den Orient glücklich hindurch zu führen, da ja nicht über Unterworfene triumphirt, ſondern die Völker Aſiens für Grie- chiſches Leben und Weſen gewonnen werden ſollten.
Während im übrigen Griechenlande das Königthum, das ſich in dem niederen Volke eine Stütze zu gewinnen verſäumt hatte, ge- gen die Anmaaßungen eines ebenbürtigen Herrenſtandes zu Grunde gegangen war, während gegen dieſen Herrenſtand ſelbſt das niedere Volk, der Rechtloſigkeit und des unerträglichen Druckes müde, ſich endlich empört, die edlen Geſchlechter ihrer Vorrechte beraubt und in die gährende Maſſe des demokratiſchen Gemeinweſens hinabgezo- gen hatte, um ſelbſt bald in Selbſtſucht und Partheiung zu zerfal- len, hatte Macedonien in ſeiner ruhigen und alterthümlichen Weiſe fortbeſtehen können, da hier jene Elemente der Reibung und des Haſſes in dem Verhältniß der verſchiedenen Stände nicht vorhan-
3) Die nähere Einſicht in die höchſt eigenthümlichen und einfluß- reichen Naturverhältniſſe des kleinen Macedoniſchen Landes iſt erſt ſeit Couſinery’s Werk (voyage dans la Macedoine) möglich geworden.
4)Paus. IX. 40.
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phaxitis, Mygdonia, Bottiäis und Pieria umfaßte 3). Die Ur-
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ciſchen Stämme, welche einſt das ganze Helleniſche Land inne ge-
habt hatten, ſpäterhin aber der höheren Entwickelung des Helleni-
ſchen Lebens gegenüber als Barbaren erſchienen. So hatten die
Macedoniſchen Herakliden das gleiche Loos mit allen ihren Stam-
mesgenoſſen, in ein fremdes Land eingewandert ihre Macht auf die
Unterwerfung der einheimiſchen Urvölker gründen zu müſſen, freilich
mit dem wichtigen Unterſchiede, daß hier wie in keinem Doriſchen
Lande das Alte mit dem Neuen zu einem Ganzen verſchmolz, wel-
ches im Stande war, die urkräftige Friſche der Heroenzeit bis in
ſpäte Jahrhunderte zu bewahren. Und wenn berichtet wird, daß
die Trophäen des erſten Sieges, den Perdikkas über die einheimi-
ſchen Stämme davon trug, durch den Willen der Götter über
Nacht von einem Löwen umgeſtürzt worden, zum Zeichen, daß man
nicht Feinde beſiegt, ſondern Freunde gewonnen habe 4), ſo ſpricht ſich
in dem Sinne dieſer Sage die eigenthümliche Kraft des Macedoni-
ſchen Reiches und deſſen Beruf aus, den letzten Krieg Griechen-
lands gegen den Orient glücklich hindurch zu führen, da ja nicht
über Unterworfene triumphirt, ſondern die Völker Aſiens für Grie-
chiſches Leben und Weſen gewonnen werden ſollten.
Während im übrigen Griechenlande das Königthum, das ſich
in dem niederen Volke eine Stütze zu gewinnen verſäumt hatte, ge-
gen die Anmaaßungen eines ebenbürtigen Herrenſtandes zu Grunde
gegangen war, während gegen dieſen Herrenſtand ſelbſt das niedere
Volk, der Rechtloſigkeit und des unerträglichen Druckes müde, ſich
endlich empört, die edlen Geſchlechter ihrer Vorrechte beraubt und
in die gährende Maſſe des demokratiſchen Gemeinweſens hinabgezo-
gen hatte, um ſelbſt bald in Selbſtſucht und Partheiung zu zerfal-
len, hatte Macedonien in ſeiner ruhigen und alterthümlichen Weiſe
fortbeſtehen können, da hier jene Elemente der Reibung und des
Haſſes in dem Verhältniß der verſchiedenen Stände nicht vorhan-
3) Die nähere Einſicht in die höchſt eigenthümlichen und einfluß-
reichen Naturverhältniſſe des kleinen Macedoniſchen Landes iſt erſt ſeit
Couſinery’s Werk (voyage dans la Macedoine) möglich geworden.
4) Paus. IX. 40.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/49>, abgerufen am 23.11.2024.
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