hen, seiner persönlichen Führung um so mehr, da sie nur ihm vollkommen vertrauten. Wen also zum Führer der Flotte wäh- len? wer hatte Muth, Geschick und Hingebung genug? wer konnte die Vorurtheile und die Furcht der zur Flotte commandir- ten Truppen beschwichtigen, und statt des Wahnes, als würden sie sorglos der augenscheinlichen Gefahr Preis gegeben, ihnen Ver- trauen zu sich selbst, zu ihrem Führer und zu dem glücklichen Ende ihres Unternehmens einflößen. Alexander theilte alle diese Be- denken dem treuen Nearch mit, und fragte ihn um Rath, wem er die Flotte anvertrauen sollte. Nearch nannte ihm Einen nach dem Anderen, Alexander aber verwarf sie Alle; der Eine schien nicht entschlossen, ein Anderer nicht ergeben genug, um für ihn sich Gefahren auszusetzen, Andere waren mit dem Seewesen, mit dem Geist der Truppen nicht genug vertraut, oder voll Verlangen nach der Heimath und nach den Bequemlichkeiten eines ruhigen Pri- vatlebens. Nearch, so erzählt dieser ausgezeichnete General selbst in seinen Denkwürdigkeiten, bot endlich seine Dienste an, und sprach: "ich, o König, will wohl die Führung der Flotte über- nehmen, und mit Gottes Hülfe Schiffe und Menschen wohlbehal- ten bis zum Perserlande bringen, wenn anders das Meer schiffbar und das Unternehmen für menschliche Kräfte überhaupt ausführ- bar ist." Dagegen sprach Alexander, daß er einen so treuen und hochverdienten Mann nicht neuen Gefahren auszusetzen wünsche; aber Nearch bat um so dringender, und der König verhehlte sich nicht, daß gerade er vor Allen dazu geeignet sei; die Truppen, welche den edlen General liebten und des Königs große Zuneigung für ihn kannten, durften in dieser Wahl eine Gewähr für sich selbst finden, da ja Alexander nicht einen Freund und einen seiner ausgezeichnetesten Feldherren an die Spitze eines Unternehmens gestellt haben würde, an dessen Erfolg er selbst verzweifelte 121). So wurde Nearch, des Androtimus Sohn, zum Führer der Flotte ernannt, die glücklichste Wahl, die der König treffen konnte. Moch- ten die zur Flotte commandirten Truppen auch anfangs muthlos und über ihr Schicksal besorgt gewesen sein, das Vertrauen zu
121)Arrian Ind. 20.
hen, ſeiner perſoͤnlichen Fuͤhrung um ſo mehr, da ſie nur ihm vollkommen vertrauten. Wen alſo zum Fuͤhrer der Flotte waͤh- len? wer hatte Muth, Geſchick und Hingebung genug? wer konnte die Vorurtheile und die Furcht der zur Flotte commandir- ten Truppen beſchwichtigen, und ſtatt des Wahnes, als wuͤrden ſie ſorglos der augenſcheinlichen Gefahr Preis gegeben, ihnen Ver- trauen zu ſich ſelbſt, zu ihrem Fuͤhrer und zu dem gluͤcklichen Ende ihres Unternehmens einfloͤßen. Alexander theilte alle dieſe Be- denken dem treuen Nearch mit, und fragte ihn um Rath, wem er die Flotte anvertrauen ſollte. Nearch nannte ihm Einen nach dem Anderen, Alexander aber verwarf ſie Alle; der Eine ſchien nicht entſchloſſen, ein Anderer nicht ergeben genug, um fuͤr ihn ſich Gefahren auszuſetzen, Andere waren mit dem Seeweſen, mit dem Geiſt der Truppen nicht genug vertraut, oder voll Verlangen nach der Heimath und nach den Bequemlichkeiten eines ruhigen Pri- vatlebens. Nearch, ſo erzaͤhlt dieſer ausgezeichnete General ſelbſt in ſeinen Denkwuͤrdigkeiten, bot endlich ſeine Dienſte an, und ſprach: „ich, o Koͤnig, will wohl die Fuͤhrung der Flotte uͤber- nehmen, und mit Gottes Huͤlfe Schiffe und Menſchen wohlbehal- ten bis zum Perſerlande bringen, wenn anders das Meer ſchiffbar und das Unternehmen fuͤr menſchliche Kraͤfte uͤberhaupt ausfuͤhr- bar iſt.“ Dagegen ſprach Alexander, daß er einen ſo treuen und hochverdienten Mann nicht neuen Gefahren auszuſetzen wuͤnſche; aber Nearch bat um ſo dringender, und der Koͤnig verhehlte ſich nicht, daß gerade er vor Allen dazu geeignet ſei; die Truppen, welche den edlen General liebten und des Koͤnigs große Zuneigung fuͤr ihn kannten, durften in dieſer Wahl eine Gewaͤhr fuͤr ſich ſelbſt finden, da ja Alexander nicht einen Freund und einen ſeiner ausgezeichneteſten Feldherren an die Spitze eines Unternehmens geſtellt haben wuͤrde, an deſſen Erfolg er ſelbſt verzweifelte 121). So wurde Nearch, des Androtimus Sohn, zum Fuͤhrer der Flotte ernannt, die gluͤcklichſte Wahl, die der Koͤnig treffen konnte. Moch- ten die zur Flotte commandirten Truppen auch anfangs muthlos und uͤber ihr Schickſal beſorgt geweſen ſein, das Vertrauen zu
121)Arrian Ind. 20.
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konnte die Vorurtheile und die Furcht der zur Flotte commandir-
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ſorglos der augenſcheinlichen Gefahr Preis gegeben, ihnen Ver-
trauen zu ſich ſelbſt, zu ihrem Fuͤhrer und zu dem gluͤcklichen Ende
ihres Unternehmens einfloͤßen. Alexander theilte alle dieſe Be-
denken dem treuen Nearch mit, und fragte ihn um Rath, wem er
die Flotte anvertrauen ſollte. Nearch nannte ihm Einen nach dem
Anderen, Alexander aber verwarf ſie Alle; der Eine ſchien nicht
entſchloſſen, ein Anderer nicht ergeben genug, um fuͤr ihn ſich
Gefahren auszuſetzen, Andere waren mit dem Seeweſen, mit dem
Geiſt der Truppen nicht genug vertraut, oder voll Verlangen nach
der Heimath und nach den Bequemlichkeiten eines ruhigen Pri-
vatlebens. Nearch, ſo erzaͤhlt dieſer ausgezeichnete General ſelbſt
in ſeinen Denkwuͤrdigkeiten, bot endlich ſeine Dienſte an, und
ſprach: „ich, o Koͤnig, will wohl die Fuͤhrung der Flotte uͤber-
nehmen, und mit Gottes Huͤlfe Schiffe und Menſchen wohlbehal-
ten bis zum Perſerlande bringen, wenn anders das Meer ſchiffbar
und das Unternehmen fuͤr menſchliche Kraͤfte uͤberhaupt ausfuͤhr-
bar iſt.“ Dagegen ſprach Alexander, daß er einen ſo treuen und
hochverdienten Mann nicht neuen Gefahren auszuſetzen wuͤnſche;
aber Nearch bat um ſo dringender, und der Koͤnig verhehlte ſich
nicht, daß gerade er vor Allen dazu geeignet ſei; die Truppen,
welche den edlen General liebten und des Koͤnigs große Zuneigung
fuͤr ihn kannten, durften in dieſer Wahl eine Gewaͤhr fuͤr ſich
ſelbſt finden, da ja Alexander nicht einen Freund und einen ſeiner
ausgezeichneteſten Feldherren an die Spitze eines Unternehmens
geſtellt haben wuͤrde, an deſſen Erfolg er ſelbſt verzweifelte 121).
So wurde Nearch, des Androtimus Sohn, zum Fuͤhrer der Flotte
ernannt, die gluͤcklichſte Wahl, die der Koͤnig treffen konnte. Moch-
ten die zur Flotte commandirten Truppen auch anfangs muthlos
und uͤber ihr Schickſal beſorgt geweſen ſein, das Vertrauen zu
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/477>, abgerufen am 25.11.2024.
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