Leiter. Und schon ist der König bis an die Zinne; den Schild vor sich aufgestützt, zugleich kämpfend und sich wehrend, stürzt er die Indier, die auf ihn hinabschlagen, rücklings von der Mauer hinab, und braucht sein kurzes Schwert gegen ihre Füße; endlich ist die Stelle vor ihm einen Augenblick frei, er schwingt sich auf die Zinne, ihm folgt Perdikkas, Leonnatus, Abreas, schon dringen die Hypaspisten mit lautem Geschrei auf den Leitern nach, überfüllt brechen diese zusammen, und der König auf der Zinne ist abge- schnitten. In seiner glänzenden Rüstung und seinem Helmbusch erkennen ihn die Indier; zu nahen wagt ihm Niemand, aber Pfeile, Speere, Steine werden aus den Thürmen herab, aus der Burg herauf gegen ihn geschleudert; seine Getreuen rufen ihm zu, zurück zu springen und seines Lebens zu schonen; er aber mißt mit einem Blick die Mauerhöhe zur Burg hinein, und schon ist der kühne Sprung gethan, er steht allein innerhalb der feindlichen Mauer; mit dem Rücken an sie gelehnt erwartet er die Feinde. Schon wagen sie zu nahen, schon dringt ihr Führer auf ihn los, mit einen Schwertstoß durchbohrt ihn Alexander, einen Zweiten zerschmettert er durch einen Steinwurf, ein Dritter, ein Vierter sinkt unter des Königs Schwert; die Indier weichen zurück, sie beginnen von allen Seiten her mit ihren Pfeilen auf ihn zu zielen; noch schützt ihn sein Schild, dann ermüdet sein Arm; aber jetzt treten Peucestas, Leonnatus, Abreas an seine Seite, und schon sinkt dieser von einem Pfeile durchbohrt nieder; jauchzend sehen das die Indier, mit doppeltem Eifer schießen sie; ein Pfeil trifft des Königs Brust, der Panzer ist durchbohrt, ein Blutstrahl sprüht hervor, mit ihm der Athem der Lunge; Alexander merkt es in der Wuth des Kampfes nicht, er will noch kämpfen; da beginnt das Blut zu stocken, zu erkalten, die Knie schwanken, der Athem röchelt, das Auge bricht, er sinkt nieder auf seinen Schild. Wilder dringen die Indier vor, Peucestas deckt den Gefallenen mit dem heiligen Schilde von Ilion, Leonnatus beschirmt ihn von der anderen Seite; und schon trifft sie Pfeil auf Pfeil, sie halten sich kaum noch aufrecht, der König verblutet.
Indeß ist vor den Mauern die wildeste Bewegung; die Macedo- nier haben ihren König in die Stadt hinab springen sehen; es ist nicht möglich, daß er sich rettet, und sie vermögen ihm nicht zu
Leiter. Und ſchon iſt der Koͤnig bis an die Zinne; den Schild vor ſich aufgeſtuͤtzt, zugleich kaͤmpfend und ſich wehrend, ſtuͤrzt er die Indier, die auf ihn hinabſchlagen, ruͤcklings von der Mauer hinab, und braucht ſein kurzes Schwert gegen ihre Fuͤße; endlich iſt die Stelle vor ihm einen Augenblick frei, er ſchwingt ſich auf die Zinne, ihm folgt Perdikkas, Leonnatus, Abreas, ſchon dringen die Hypaspiſten mit lautem Geſchrei auf den Leitern nach, uͤberfuͤllt brechen dieſe zuſammen, und der Koͤnig auf der Zinne iſt abge- ſchnitten. In ſeiner glaͤnzenden Ruͤſtung und ſeinem Helmbuſch erkennen ihn die Indier; zu nahen wagt ihm Niemand, aber Pfeile, Speere, Steine werden aus den Thuͤrmen herab, aus der Burg herauf gegen ihn geſchleudert; ſeine Getreuen rufen ihm zu, zuruͤck zu ſpringen und ſeines Lebens zu ſchonen; er aber mißt mit einem Blick die Mauerhoͤhe zur Burg hinein, und ſchon iſt der kuͤhne Sprung gethan, er ſteht allein innerhalb der feindlichen Mauer; mit dem Ruͤcken an ſie gelehnt erwartet er die Feinde. Schon wagen ſie zu nahen, ſchon dringt ihr Fuͤhrer auf ihn los, mit einen Schwertſtoß durchbohrt ihn Alexander, einen Zweiten zerſchmettert er durch einen Steinwurf, ein Dritter, ein Vierter ſinkt unter des Koͤnigs Schwert; die Indier weichen zuruͤck, ſie beginnen von allen Seiten her mit ihren Pfeilen auf ihn zu zielen; noch ſchuͤtzt ihn ſein Schild, dann ermuͤdet ſein Arm; aber jetzt treten Peuceſtas, Leonnatus, Abreas an ſeine Seite, und ſchon ſinkt dieſer von einem Pfeile durchbohrt nieder; jauchzend ſehen das die Indier, mit doppeltem Eifer ſchießen ſie; ein Pfeil trifft des Koͤnigs Bruſt, der Panzer iſt durchbohrt, ein Blutſtrahl ſpruͤht hervor, mit ihm der Athem der Lunge; Alexander merkt es in der Wuth des Kampfes nicht, er will noch kaͤmpfen; da beginnt das Blut zu ſtocken, zu erkalten, die Knie ſchwanken, der Athem roͤchelt, das Auge bricht, er ſinkt nieder auf ſeinen Schild. Wilder dringen die Indier vor, Peuceſtas deckt den Gefallenen mit dem heiligen Schilde von Ilion, Leonnatus beſchirmt ihn von der anderen Seite; und ſchon trifft ſie Pfeil auf Pfeil, ſie halten ſich kaum noch aufrecht, der Koͤnig verblutet.
Indeß iſt vor den Mauern die wildeſte Bewegung; die Macedo- nier haben ihren Koͤnig in die Stadt hinab ſpringen ſehen; es iſt nicht moͤglich, daß er ſich rettet, und ſie vermoͤgen ihm nicht zu
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Leiter. Und ſchon iſt der Koͤnig bis an die Zinne; den Schild
vor ſich aufgeſtuͤtzt, zugleich kaͤmpfend und ſich wehrend, ſtuͤrzt er die
Indier, die auf ihn hinabſchlagen, ruͤcklings von der Mauer hinab,
und braucht ſein kurzes Schwert gegen ihre Fuͤße; endlich iſt die
Stelle vor ihm einen Augenblick frei, er ſchwingt ſich auf die
Zinne, ihm folgt Perdikkas, Leonnatus, Abreas, ſchon dringen die
Hypaspiſten mit lautem Geſchrei auf den Leitern nach, uͤberfuͤllt
brechen dieſe zuſammen, und der Koͤnig auf der Zinne iſt abge-
ſchnitten. In ſeiner glaͤnzenden Ruͤſtung und ſeinem Helmbuſch
erkennen ihn die Indier; zu nahen wagt ihm Niemand, aber
Pfeile, Speere, Steine werden aus den Thuͤrmen herab, aus der
Burg herauf gegen ihn geſchleudert; ſeine Getreuen rufen ihm zu,
zuruͤck zu ſpringen und ſeines Lebens zu ſchonen; er aber mißt
mit einem Blick die Mauerhoͤhe zur Burg hinein, und ſchon iſt
der kuͤhne Sprung gethan, er ſteht allein innerhalb der feindlichen
Mauer; mit dem Ruͤcken an ſie gelehnt erwartet er die Feinde.
Schon wagen ſie zu nahen, ſchon dringt ihr Fuͤhrer auf ihn los,
mit einen Schwertſtoß durchbohrt ihn Alexander, einen Zweiten
zerſchmettert er durch einen Steinwurf, ein Dritter, ein Vierter
ſinkt unter des Koͤnigs Schwert; die Indier weichen zuruͤck,
ſie beginnen von allen Seiten her mit ihren Pfeilen auf ihn zu
zielen; noch ſchuͤtzt ihn ſein Schild, dann ermuͤdet ſein Arm; aber
jetzt treten Peuceſtas, Leonnatus, Abreas an ſeine Seite, und
ſchon ſinkt dieſer von einem Pfeile durchbohrt nieder; jauchzend
ſehen das die Indier, mit doppeltem Eifer ſchießen ſie; ein Pfeil
trifft des Koͤnigs Bruſt, der Panzer iſt durchbohrt, ein Blutſtrahl
ſpruͤht hervor, mit ihm der Athem der Lunge; Alexander merkt
es in der Wuth des Kampfes nicht, er will noch kaͤmpfen; da
beginnt das Blut zu ſtocken, zu erkalten, die Knie ſchwanken, der
Athem roͤchelt, das Auge bricht, er ſinkt nieder auf ſeinen Schild.
Wilder dringen die Indier vor, Peuceſtas deckt den Gefallenen
mit dem heiligen Schilde von Ilion, Leonnatus beſchirmt ihn von
der anderen Seite; und ſchon trifft ſie Pfeil auf Pfeil, ſie halten
ſich kaum noch aufrecht, der Koͤnig verblutet.
Indeß iſt vor den Mauern die wildeſte Bewegung; die Macedo-
nier haben ihren Koͤnig in die Stadt hinab ſpringen ſehen; es iſt
nicht moͤglich, daß er ſich rettet, und ſie vermoͤgen ihm nicht zu
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/453>, abgerufen am 25.11.2024.
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