durchzogen hatte, nicht etwa auf dem Wege, den er gekom- men, in sein Reich zurück zu kehren, sondern eben so in den Län- dern stromabwärts die Gewalt der Europäischen Waffen geltend zu machen und den Saamen des Hellenistischen Lebens auszu- streuen. Sein Verhältniß zu dieser neuentdeckten Indischen Welt, nicht das eines unmittelbaren Herrschers, sondern auf den jetzt zum ersten Male eröffneten Verkehr mit jenen Völkern begründet, auf das allmählige Wachsthum dieser neuen Verbindungen und Anfänge berechnet, hätte, wenn etwa nur die Indische Satrapie mit dem Kophenstrome das vermittelnde Band blieb, weder durch- greifend wirken, noch selbst für die Dauer bestehen können. Wenn auch jene Satrapie die Hauptstraße des gegenseitigen Verkehrs darbot, so mußte doch die ganze Linie des Indusstromes in Hän- den der Macedonier sein, es mußten die tiefer am Strome woh- nenden Völker denselben Einfluß wie die Völker des Fünfstrom- landes anerkennen lernen, es mußte um so entschiedener gegen sie verfahren werden, je mehr manche derselben, namentlich die Mal- lier und Sudraker auf ihre Unabhängigkeit und ihren kriegerischen Ruhm trotzten, und jeden fremden Einfluß verabscheuten oder ver- achteten; vor Allem mußte dieser Einfluß selbst durch Hellenistische Colonien am Indusstrome Halt und Nachdruck erhalten. In die- sem Plane war es, daß Alexander schon, als er von dem Hydas- pes gen Osten aufgebrochen war, den Befehl zum Bau der großen Stromflotte gegeben hatte, mit der er zum Indus und bis zum Meere hinab zu segeln gedachte; jetzt, da es unmöglich geworden war, den Feldzug bis zum Ganges und zum Ostmeere fort zu se- tzen, mochte sich Alexander mit doppeltem Eifer zu dieser Expedition wenden, die, wenn nicht eben so viel Ruhm, wie die Heerfahrt zum Ganges, so doch gewiß große Erfolge erwarten ließ.
Während der vier Monate, die Alexander vom Hydaspes ent- fernt gewesen, hatte sich die äußere Gestalt dieser Gegend, in der seine beiden Städte lagen, vollkommen verwandelt; die Regenzeit war vorüber, die Wasser begannen in ihr altes Bette zurück zu treten, und weite Reisfelder, auf dem Fruchtboden der Ueberschwem- mungen im üppigsten Grün, zogen sich auf der rechten Seite des Stromes hinab; das Ufer drüben unter den waldigen Höhen war meilenweit mit Schiffswerften bedeckt, auf denen Hunderte von
durchzogen hatte, nicht etwa auf dem Wege, den er gekom- men, in ſein Reich zuruͤck zu kehren, ſondern eben ſo in den Laͤn- dern ſtromabwaͤrts die Gewalt der Europaͤiſchen Waffen geltend zu machen und den Saamen des Helleniſtiſchen Lebens auszu- ſtreuen. Sein Verhaͤltniß zu dieſer neuentdeckten Indiſchen Welt, nicht das eines unmittelbaren Herrſchers, ſondern auf den jetzt zum erſten Male eroͤffneten Verkehr mit jenen Voͤlkern begruͤndet, auf das allmaͤhlige Wachsthum dieſer neuen Verbindungen und Anfaͤnge berechnet, haͤtte, wenn etwa nur die Indiſche Satrapie mit dem Kophenſtrome das vermittelnde Band blieb, weder durch- greifend wirken, noch ſelbſt fuͤr die Dauer beſtehen koͤnnen. Wenn auch jene Satrapie die Hauptſtraße des gegenſeitigen Verkehrs darbot, ſo mußte doch die ganze Linie des Indusſtromes in Haͤn- den der Macedonier ſein, es mußten die tiefer am Strome woh- nenden Voͤlker denſelben Einfluß wie die Voͤlker des Fuͤnfſtrom- landes anerkennen lernen, es mußte um ſo entſchiedener gegen ſie verfahren werden, je mehr manche derſelben, namentlich die Mal- lier und Sudraker auf ihre Unabhaͤngigkeit und ihren kriegeriſchen Ruhm trotzten, und jeden fremden Einfluß verabſcheuten oder ver- achteten; vor Allem mußte dieſer Einfluß ſelbſt durch Helleniſtiſche Colonien am Indusſtrome Halt und Nachdruck erhalten. In die- ſem Plane war es, daß Alexander ſchon, als er von dem Hydas- pes gen Oſten aufgebrochen war, den Befehl zum Bau der großen Stromflotte gegeben hatte, mit der er zum Indus und bis zum Meere hinab zu ſegeln gedachte; jetzt, da es unmoͤglich geworden war, den Feldzug bis zum Ganges und zum Oſtmeere fort zu ſe- tzen, mochte ſich Alexander mit doppeltem Eifer zu dieſer Expedition wenden, die, wenn nicht eben ſo viel Ruhm, wie die Heerfahrt zum Ganges, ſo doch gewiß große Erfolge erwarten ließ.
Waͤhrend der vier Monate, die Alexander vom Hydaspes ent- fernt geweſen, hatte ſich die aͤußere Geſtalt dieſer Gegend, in der ſeine beiden Staͤdte lagen, vollkommen verwandelt; die Regenzeit war voruͤber, die Waſſer begannen in ihr altes Bette zuruͤck zu treten, und weite Reisfelder, auf dem Fruchtboden der Ueberſchwem- mungen im uͤppigſten Gruͤn, zogen ſich auf der rechten Seite des Stromes hinab; das Ufer druͤben unter den waldigen Hoͤhen war meilenweit mit Schiffswerften bedeckt, auf denen Hunderte von
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0439"n="425"/>
durchzogen hatte, nicht etwa auf dem Wege, den er gekom-<lb/>
men, in ſein Reich zuruͤck zu kehren, ſondern eben ſo in den Laͤn-<lb/>
dern ſtromabwaͤrts die Gewalt der Europaͤiſchen Waffen geltend<lb/>
zu machen und den Saamen des Helleniſtiſchen Lebens auszu-<lb/>ſtreuen. Sein Verhaͤltniß zu dieſer neuentdeckten Indiſchen Welt,<lb/>
nicht das eines unmittelbaren Herrſchers, ſondern auf den jetzt<lb/>
zum erſten Male eroͤffneten Verkehr mit jenen Voͤlkern begruͤndet,<lb/>
auf das allmaͤhlige Wachsthum dieſer neuen Verbindungen und<lb/>
Anfaͤnge berechnet, haͤtte, wenn etwa nur die Indiſche Satrapie<lb/>
mit dem Kophenſtrome das vermittelnde Band blieb, weder durch-<lb/>
greifend wirken, noch ſelbſt fuͤr die Dauer beſtehen koͤnnen. Wenn<lb/>
auch jene Satrapie die Hauptſtraße des gegenſeitigen Verkehrs<lb/>
darbot, ſo mußte doch die ganze Linie des Indusſtromes in Haͤn-<lb/>
den der Macedonier ſein, es mußten die tiefer am Strome woh-<lb/>
nenden Voͤlker denſelben Einfluß wie die Voͤlker des Fuͤnfſtrom-<lb/>
landes anerkennen lernen, es mußte um ſo entſchiedener gegen ſie<lb/>
verfahren werden, je mehr manche derſelben, namentlich die Mal-<lb/>
lier und Sudraker auf ihre Unabhaͤngigkeit und ihren kriegeriſchen<lb/>
Ruhm trotzten, und jeden fremden Einfluß verabſcheuten oder ver-<lb/>
achteten; vor Allem mußte dieſer Einfluß ſelbſt durch Helleniſtiſche<lb/>
Colonien am Indusſtrome Halt und Nachdruck erhalten. In die-<lb/>ſem Plane war es, daß Alexander ſchon, als er von dem Hydas-<lb/>
pes gen Oſten aufgebrochen war, den Befehl zum Bau der großen<lb/>
Stromflotte gegeben hatte, mit der er zum Indus und bis zum<lb/>
Meere hinab zu ſegeln gedachte; jetzt, da es unmoͤglich geworden<lb/>
war, den Feldzug bis zum Ganges und zum Oſtmeere fort zu ſe-<lb/>
tzen, mochte ſich Alexander mit doppeltem Eifer zu dieſer Expedition<lb/>
wenden, die, wenn nicht eben ſo viel Ruhm, wie die Heerfahrt<lb/>
zum Ganges, ſo doch gewiß große Erfolge erwarten ließ.</p><lb/><p>Waͤhrend der vier Monate, die Alexander vom Hydaspes ent-<lb/>
fernt geweſen, hatte ſich die aͤußere Geſtalt dieſer Gegend, in der<lb/>ſeine beiden Staͤdte lagen, vollkommen verwandelt; die Regenzeit<lb/>
war voruͤber, die Waſſer begannen in ihr altes Bette zuruͤck zu<lb/>
treten, und weite Reisfelder, auf dem Fruchtboden der Ueberſchwem-<lb/>
mungen im uͤppigſten Gruͤn, zogen ſich auf der rechten Seite des<lb/>
Stromes hinab; das Ufer druͤben unter den waldigen Hoͤhen war<lb/>
meilenweit mit Schiffswerften bedeckt, auf denen Hunderte von<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[425/0439]
durchzogen hatte, nicht etwa auf dem Wege, den er gekom-
men, in ſein Reich zuruͤck zu kehren, ſondern eben ſo in den Laͤn-
dern ſtromabwaͤrts die Gewalt der Europaͤiſchen Waffen geltend
zu machen und den Saamen des Helleniſtiſchen Lebens auszu-
ſtreuen. Sein Verhaͤltniß zu dieſer neuentdeckten Indiſchen Welt,
nicht das eines unmittelbaren Herrſchers, ſondern auf den jetzt
zum erſten Male eroͤffneten Verkehr mit jenen Voͤlkern begruͤndet,
auf das allmaͤhlige Wachsthum dieſer neuen Verbindungen und
Anfaͤnge berechnet, haͤtte, wenn etwa nur die Indiſche Satrapie
mit dem Kophenſtrome das vermittelnde Band blieb, weder durch-
greifend wirken, noch ſelbſt fuͤr die Dauer beſtehen koͤnnen. Wenn
auch jene Satrapie die Hauptſtraße des gegenſeitigen Verkehrs
darbot, ſo mußte doch die ganze Linie des Indusſtromes in Haͤn-
den der Macedonier ſein, es mußten die tiefer am Strome woh-
nenden Voͤlker denſelben Einfluß wie die Voͤlker des Fuͤnfſtrom-
landes anerkennen lernen, es mußte um ſo entſchiedener gegen ſie
verfahren werden, je mehr manche derſelben, namentlich die Mal-
lier und Sudraker auf ihre Unabhaͤngigkeit und ihren kriegeriſchen
Ruhm trotzten, und jeden fremden Einfluß verabſcheuten oder ver-
achteten; vor Allem mußte dieſer Einfluß ſelbſt durch Helleniſtiſche
Colonien am Indusſtrome Halt und Nachdruck erhalten. In die-
ſem Plane war es, daß Alexander ſchon, als er von dem Hydas-
pes gen Oſten aufgebrochen war, den Befehl zum Bau der großen
Stromflotte gegeben hatte, mit der er zum Indus und bis zum
Meere hinab zu ſegeln gedachte; jetzt, da es unmoͤglich geworden
war, den Feldzug bis zum Ganges und zum Oſtmeere fort zu ſe-
tzen, mochte ſich Alexander mit doppeltem Eifer zu dieſer Expedition
wenden, die, wenn nicht eben ſo viel Ruhm, wie die Heerfahrt
zum Ganges, ſo doch gewiß große Erfolge erwarten ließ.
Waͤhrend der vier Monate, die Alexander vom Hydaspes ent-
fernt geweſen, hatte ſich die aͤußere Geſtalt dieſer Gegend, in der
ſeine beiden Staͤdte lagen, vollkommen verwandelt; die Regenzeit
war voruͤber, die Waſſer begannen in ihr altes Bette zuruͤck zu
treten, und weite Reisfelder, auf dem Fruchtboden der Ueberſchwem-
mungen im uͤppigſten Gruͤn, zogen ſich auf der rechten Seite des
Stromes hinab; das Ufer druͤben unter den waldigen Hoͤhen war
meilenweit mit Schiffswerften bedeckt, auf denen Hunderte von
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/439>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.