bunde der neueren Zeit, durch gegenseitige Furcht und Eifersucht, der Abhängigkeit von der überlegenen Macht Alexanders, wenn er auch nach Westen zurückkehrte, gesichert; sollte eine Eroberung des Gangeslandes möglich sein, so hätte Alexander das Indusland, wie frü- her Sogdiana, wenn auch mit denselben strengen Mitteln und glei- chem Zeitaufwand, sich unmittelbar und vollkommen unterwerfen und zu organischen Theilen seines ungeheueren Reiches machen müs- sen; aber er hatte sich von Anfang her überzeugt, daß die Bevöl- kerung des Induslandes in allen Verhältnissen des Lebens, des Staates und der Religion zu eigenthümlich entwickelt, und in ih- rer Entwickelung zu fertig war, als daß sie schon jetzt für das Hellenistische Leben gewonnen werden konnte. So konnte Alexander nicht daran denken, jenseits der nur verbündeten Fürstenthümer eine neue Reihe von Eroberungen seinem Reiche in der Form un- mittelbarer Abhängigkeit einzuverleiben; und wenn er bereits nach der Schlacht am Hydaspes den Bau einer Flotte beginnen ließ, die sein Heer den Indus hinab zum Persischen Meere bringen sollte, so zeigt dies unzweideutig, daß er auf dem Wege des In- dus, nicht des Ganges, zurück zu kehren die Absicht hatte, daß also sein Zug gegen die Gangesländer nicht viel mehr als eine Inva- sion sein sollte. Man darf vermuthen, daß sie, wie Napoleons großer Feldzug gegen Osten, von einer Operationsbasis kaum be- wältigter Fürstenthümer aus, die nur durch die schwachen Bande der Dankbarkeit, der Furcht und Selbstsucht an den Eroberer gefesselt waren, wahrscheinlich einen eben so traurigen Ausgang gehabt ha- ben würde; überhaupt aber scheint es nicht zu viel, wenn man läugnet, daß Alexander klar und entschieden den Zweck und den Plan des Gangesfeldzuges ins Auge gefaßt habe; wenigstens bietet eine Analogie dafür Napoleons staunenswürdiges Unternehmen, das offenbar durch denselben Fehler so vollkommen gescheitert und seines Sturzes Anfang geworden ist. --
Es mochte in den letzten Tagen des Augusts 326 sein, als sich das Macedonische Heer an den Ufern des Hyphasisstromes zum Rückmarsch rüstete; jede der zwölf Phalangen erhielt den Befehl, an den Ufern des Stromes einen mächtigen, thurmähnli- chen Altar zu errichten, zum Andenken des abendländischen Heeres und zum Dank für die Götter, die es bis hicher siegreich hatten
bunde der neueren Zeit, durch gegenſeitige Furcht und Eiferſucht, der Abhaͤngigkeit von der uͤberlegenen Macht Alexanders, wenn er auch nach Weſten zuruͤckkehrte, geſichert; ſollte eine Eroberung des Gangeslandes moͤglich ſein, ſo haͤtte Alexander das Indusland, wie fruͤ- her Sogdiana, wenn auch mit denſelben ſtrengen Mitteln und glei- chem Zeitaufwand, ſich unmittelbar und vollkommen unterwerfen und zu organiſchen Theilen ſeines ungeheueren Reiches machen muͤſ- ſen; aber er hatte ſich von Anfang her uͤberzeugt, daß die Bevoͤl- kerung des Induslandes in allen Verhaͤltniſſen des Lebens, des Staates und der Religion zu eigenthuͤmlich entwickelt, und in ih- rer Entwickelung zu fertig war, als daß ſie ſchon jetzt fuͤr das Helleniſtiſche Leben gewonnen werden konnte. So konnte Alexander nicht daran denken, jenſeits der nur verbuͤndeten Fuͤrſtenthuͤmer eine neue Reihe von Eroberungen ſeinem Reiche in der Form un- mittelbarer Abhaͤngigkeit einzuverleiben; und wenn er bereits nach der Schlacht am Hydaspes den Bau einer Flotte beginnen ließ, die ſein Heer den Indus hinab zum Perſiſchen Meere bringen ſollte, ſo zeigt dies unzweideutig, daß er auf dem Wege des In- dus, nicht des Ganges, zuruͤck zu kehren die Abſicht hatte, daß alſo ſein Zug gegen die Gangeslaͤnder nicht viel mehr als eine Inva- ſion ſein ſollte. Man darf vermuthen, daß ſie, wie Napoleons großer Feldzug gegen Oſten, von einer Operationsbaſis kaum be- waͤltigter Fuͤrſtenthuͤmer aus, die nur durch die ſchwachen Bande der Dankbarkeit, der Furcht und Selbſtſucht an den Eroberer gefeſſelt waren, wahrſcheinlich einen eben ſo traurigen Ausgang gehabt ha- ben wuͤrde; uͤberhaupt aber ſcheint es nicht zu viel, wenn man laͤugnet, daß Alexander klar und entſchieden den Zweck und den Plan des Gangesfeldzuges ins Auge gefaßt habe; wenigſtens bietet eine Analogie dafuͤr Napoleons ſtaunenswuͤrdiges Unternehmen, das offenbar durch denſelben Fehler ſo vollkommen geſcheitert und ſeines Sturzes Anfang geworden iſt. —
Es mochte in den letzten Tagen des Auguſts 326 ſein, als ſich das Macedoniſche Heer an den Ufern des Hyphaſisſtromes zum Ruͤckmarſch ruͤſtete; jede der zwoͤlf Phalangen erhielt den Befehl, an den Ufern des Stromes einen maͤchtigen, thurmaͤhnli- chen Altar zu errichten, zum Andenken des abendlaͤndiſchen Heeres und zum Dank fuͤr die Goͤtter, die es bis hicher ſiegreich hatten
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bunde der neueren Zeit, durch gegenſeitige Furcht und Eiferſucht,
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auch nach Weſten zuruͤckkehrte, geſichert; ſollte eine Eroberung des
Gangeslandes moͤglich ſein, ſo haͤtte Alexander das Indusland, wie fruͤ-
her Sogdiana, wenn auch mit denſelben ſtrengen Mitteln und glei-
chem Zeitaufwand, ſich unmittelbar und vollkommen unterwerfen
und zu organiſchen Theilen ſeines ungeheueren Reiches machen muͤſ-
ſen; aber er hatte ſich von Anfang her uͤberzeugt, daß die Bevoͤl-
kerung des Induslandes in allen Verhaͤltniſſen des Lebens, des
Staates und der Religion zu eigenthuͤmlich entwickelt, und in ih-
rer Entwickelung zu fertig war, als daß ſie ſchon jetzt fuͤr das
Helleniſtiſche Leben gewonnen werden konnte. So konnte Alexander
nicht daran denken, jenſeits der nur verbuͤndeten Fuͤrſtenthuͤmer
eine neue Reihe von Eroberungen ſeinem Reiche in der Form un-
mittelbarer Abhaͤngigkeit einzuverleiben; und wenn er bereits nach
der Schlacht am Hydaspes den Bau einer Flotte beginnen ließ,
die ſein Heer den Indus hinab zum Perſiſchen Meere bringen
ſollte, ſo zeigt dies unzweideutig, daß er auf dem Wege des In-
dus, nicht des Ganges, zuruͤck zu kehren die Abſicht hatte, daß alſo
ſein Zug gegen die Gangeslaͤnder nicht viel mehr als eine Inva-
ſion ſein ſollte. Man darf vermuthen, daß ſie, wie Napoleons
großer Feldzug gegen Oſten, von einer Operationsbaſis kaum be-
waͤltigter Fuͤrſtenthuͤmer aus, die nur durch die ſchwachen Bande der
Dankbarkeit, der Furcht und Selbſtſucht an den Eroberer gefeſſelt
waren, wahrſcheinlich einen eben ſo traurigen Ausgang gehabt ha-
ben wuͤrde; uͤberhaupt aber ſcheint es nicht zu viel, wenn man
laͤugnet, daß Alexander klar und entſchieden den Zweck und den
Plan des Gangesfeldzuges ins Auge gefaßt habe; wenigſtens bietet
eine Analogie dafuͤr Napoleons ſtaunenswuͤrdiges Unternehmen,
das offenbar durch denſelben Fehler ſo vollkommen geſcheitert
und ſeines Sturzes Anfang geworden iſt. —
Es mochte in den letzten Tagen des Auguſts 326 ſein, als
ſich das Macedoniſche Heer an den Ufern des Hyphaſisſtromes
zum Ruͤckmarſch ruͤſtete; jede der zwoͤlf Phalangen erhielt den
Befehl, an den Ufern des Stromes einen maͤchtigen, thurmaͤhnli-
chen Altar zu errichten, zum Andenken des abendlaͤndiſchen Heeres
und zum Dank fuͤr die Goͤtter, die es bis hicher ſiegreich hatten
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/436>, abgerufen am 22.11.2024.
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