östlichste Land, das Alexander in seinem Siegeslaufe betreten sollte; der Tag der Rückkehr war gekommen.
Die historische Tradition hat diesen Punkt in der Geschichte Alexanders auf eine bemerkenswerthe Weise verdunkelt; selbst von dem Aeußerlichsten wird nicht Genügendes und Uebereinstimmen- des angegeben; manche der Macedonier haben Unglaubliches in die Heimath berichtet, und Kraterus schrieb seiner Mutter, bis zum Ganges seien sie vorgedrungen und hätten diesen ungeheueren Strom voll Haifische und brandend wie das Meer gesehen 71). Andere nannten wenigstens den Hyphasis der Wahrheit gemäß als das Ende der Macedonischen Züge; aber, um doch irgendwie zu erk ä- ren, warum der Eroberung ein Ziel gesetzt worden, haben sie aus dem äußerlichen Anlaß der Rückkehr einen Causalzusammenhang hergeleitet, über dessen Werth weder die sonstige Glaubwürdigkeit der Berichterstatter noch der verdachtlose Glaube, der ihnen seit zwei Jahrtausenden geschenkt worden, täuschen darf.
Alexander, so wird erzählt 72), war an den Hyphasis vorge- drungen, mit der Absicht, auch das Land jenseits zu unterwerfen, denn es schien ihm kein Ende des Krieges, so lange noch irgend Feindliches da war. Da erfuhr er, jeuseits des Hyphasis sei ein rei- ches Land, und drinnen ein Volk, das fleißig den Acker baue, die Waffen mit Muth führe, sich einer wohlgeordneten Verfassung freue; denn die Edelsten beherrschten das Volk ohne Druck und Eifer- sucht; die Kriegselephanten seien dort mächtiger, wilder und in größerer Zahl als irgendwo sonst in Indien. Das Alles erregte des Königs Verlangen, weiter zu dringen. Aber die Macedonier sahen mit Schmerz, wie ihr König Mühe auf Mühe, Gefahr auf Gefahr häufe; sie traten hie und da im Lager zusammen, sie klag- ten um ihr trauriges Loos, sie schwuren einander, nicht weiter zu folgen, wenn es auch Alexander geböte. Als das der König er- fuhr, eilte er, bevor die Unordnung und die Muthlosigkeit der Truppen weiter um sich griffe, die Generale zur Versammlung zu berufen. "Da sie, so sprach er, ihm nicht weiter von gleicher Ge-
71)Strabo XV. p. 275. cf. Arrian Peripl. p. 27. ed. Hudson. Justin. VII. 8. Paul Oros. III. 19. etc.
72)Arrian. V. 25. sqq. wie es scheint (c. 28.) nach Ptolemäus.
oͤſtlichſte Land, das Alexander in ſeinem Siegeslaufe betreten ſollte; der Tag der Ruͤckkehr war gekommen.
Die hiſtoriſche Tradition hat dieſen Punkt in der Geſchichte Alexanders auf eine bemerkenswerthe Weiſe verdunkelt; ſelbſt von dem Aeußerlichſten wird nicht Genuͤgendes und Uebereinſtimmen- des angegeben; manche der Macedonier haben Unglaubliches in die Heimath berichtet, und Kraterus ſchrieb ſeiner Mutter, bis zum Ganges ſeien ſie vorgedrungen und haͤtten dieſen ungeheueren Strom voll Haifiſche und brandend wie das Meer geſehen 71). Andere nannten wenigſtens den Hyphaſis der Wahrheit gemaͤß als das Ende der Macedoniſchen Zuͤge; aber, um doch irgendwie zu erk aͤ- ren, warum der Eroberung ein Ziel geſetzt worden, haben ſie aus dem aͤußerlichen Anlaß der Ruͤckkehr einen Cauſalzuſammenhang hergeleitet, uͤber deſſen Werth weder die ſonſtige Glaubwuͤrdigkeit der Berichterſtatter noch der verdachtloſe Glaube, der ihnen ſeit zwei Jahrtauſenden geſchenkt worden, taͤuſchen darf.
Alexander, ſo wird erzaͤhlt 72), war an den Hyphaſis vorge- drungen, mit der Abſicht, auch das Land jenſeits zu unterwerfen, denn es ſchien ihm kein Ende des Krieges, ſo lange noch irgend Feindliches da war. Da erfuhr er, jeuſeits des Hyphaſis ſei ein rei- ches Land, und drinnen ein Volk, das fleißig den Acker baue, die Waffen mit Muth fuͤhre, ſich einer wohlgeordneten Verfaſſung freue; denn die Edelſten beherrſchten das Volk ohne Druck und Eifer- ſucht; die Kriegselephanten ſeien dort maͤchtiger, wilder und in groͤßerer Zahl als irgendwo ſonſt in Indien. Das Alles erregte des Koͤnigs Verlangen, weiter zu dringen. Aber die Macedonier ſahen mit Schmerz, wie ihr Koͤnig Muͤhe auf Muͤhe, Gefahr auf Gefahr haͤufe; ſie traten hie und da im Lager zuſammen, ſie klag- ten um ihr trauriges Loos, ſie ſchwuren einander, nicht weiter zu folgen, wenn es auch Alexander geboͤte. Als das der Koͤnig er- fuhr, eilte er, bevor die Unordnung und die Muthloſigkeit der Truppen weiter um ſich griffe, die Generale zur Verſammlung zu berufen. „Da ſie, ſo ſprach er, ihm nicht weiter von gleicher Ge-
71)Strabo XV. p. 275. cf. Arrian Peripl. p. 27. ed. Hudson. Justin. VII. 8. Paul Oros. III. 19. etc.
72)Arrian. V. 25. sqq. wie es ſcheint (c. 28.) nach Ptolemaͤus.
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der Tag der Ruͤckkehr war gekommen.
Die hiſtoriſche Tradition hat dieſen Punkt in der Geſchichte
Alexanders auf eine bemerkenswerthe Weiſe verdunkelt; ſelbſt von
dem Aeußerlichſten wird nicht Genuͤgendes und Uebereinſtimmen-
des angegeben; manche der Macedonier haben Unglaubliches in die
Heimath berichtet, und Kraterus ſchrieb ſeiner Mutter, bis zum
Ganges ſeien ſie vorgedrungen und haͤtten dieſen ungeheueren Strom
voll Haifiſche und brandend wie das Meer geſehen 71). Andere
nannten wenigſtens den Hyphaſis der Wahrheit gemaͤß als das
Ende der Macedoniſchen Zuͤge; aber, um doch irgendwie zu erk aͤ-
ren, warum der Eroberung ein Ziel geſetzt worden, haben ſie aus
dem aͤußerlichen Anlaß der Ruͤckkehr einen Cauſalzuſammenhang
hergeleitet, uͤber deſſen Werth weder die ſonſtige Glaubwuͤrdigkeit
der Berichterſtatter noch der verdachtloſe Glaube, der ihnen ſeit
zwei Jahrtauſenden geſchenkt worden, taͤuſchen darf.
Alexander, ſo wird erzaͤhlt 72), war an den Hyphaſis vorge-
drungen, mit der Abſicht, auch das Land jenſeits zu unterwerfen,
denn es ſchien ihm kein Ende des Krieges, ſo lange noch irgend
Feindliches da war. Da erfuhr er, jeuſeits des Hyphaſis ſei ein rei-
ches Land, und drinnen ein Volk, das fleißig den Acker baue, die
Waffen mit Muth fuͤhre, ſich einer wohlgeordneten Verfaſſung freue;
denn die Edelſten beherrſchten das Volk ohne Druck und Eifer-
ſucht; die Kriegselephanten ſeien dort maͤchtiger, wilder und in
groͤßerer Zahl als irgendwo ſonſt in Indien. Das Alles erregte
des Koͤnigs Verlangen, weiter zu dringen. Aber die Macedonier
ſahen mit Schmerz, wie ihr Koͤnig Muͤhe auf Muͤhe, Gefahr auf
Gefahr haͤufe; ſie traten hie und da im Lager zuſammen, ſie klag-
ten um ihr trauriges Loos, ſie ſchwuren einander, nicht weiter zu
folgen, wenn es auch Alexander geboͤte. Als das der Koͤnig er-
fuhr, eilte er, bevor die Unordnung und die Muthloſigkeit der
Truppen weiter um ſich griffe, die Generale zur Verſammlung zu
berufen. „Da ſie, ſo ſprach er, ihm nicht weiter von gleicher Ge-
71) Strabo XV. p. 275. cf. Arrian Peripl. p. 27. ed. Hudson.
Justin. VII. 8. Paul Oros. III. 19. etc.
72) Arrian. V. 25. sqq.
wie es ſcheint (c. 28.) nach Ptolemaͤus.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/429>, abgerufen am 25.11.2024.
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