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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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terwarfen; am dritten Tage nahte er der Kathäerhauptstadt San-
gala; sie war von bedeutendem Umfang, mit starken Mauern um-
geben, auf der einen Seite durch einen See geschützt; auf der an-
deren erhob sich in einiger Entfernung von den Thoren ein Berg-
rücken, der die Ebene beherrschte; diesen hatten die Kathäer nebst
ihren Verbündeten so stark als möglich besetzt, hatten um den Berg
ihre Streitwagen zu einem dreifachen Verhau in einander gescho-
ben, und lagerten selbst in dem inneren Bezirk dieser mächtigen Wa-
genburg; selbst unangreifbar, vermochten sie jeder Bewegung des
Feindes schnell und mit bedeutender Macht zu begegnen. Alexan-
der erkannte sehr bald das Drohende dieser Stellung, welche den
Berichten von der Kühnheit und kriegerischen Gewandtheit dieses
Volks vollkommen entsprach; je mehr er von ihnen Ueberfall und
kühnes Wagniß erwarten durfte, desto behutsamer glaubte er selbst
vorgehen, desto schneller Entscheidendes wagen zu müssen.

Während noch die übrigen Heeresabtheilungen heranrückten und sich
in Schlachtlinie stellten, waren schon die Turanischen Bogenschützen
vorgegangen und plänkerten längs der feindlichen Linie, um das
Anrücken der noch ungeordneten Massen vor der Gefahr eines
Ausfalls zu sichern. Endlich standen die sämmtlichen Corps der
Vorhut in Schlachtordnung da: auf dem rechten Flügel der Kö-
nig selbst mit zwei Geschwadern der Ritterschaft, mit den Hypas-
pisten und den Agrianern; den linken Flügel unter Perdikkas Be-
fehl bildeten die Phalangen und das Geschwader Perdikkas; die
Bogenschützen standen auf die Spitze der beiden Flügel vertheilt;
zu ihnen wurden die Reuter, die aus den nachrückenden Kolonnen
noch anlangten, an die Flanken detaschirt, während einiges Fußvolk
ebendaher zur Verstärkung der Phalanx herangezogen wurde. Und
schon begann Alexander seinen Angriff; er hatte bemerkt, daß die
Wagenreihe nach der linken Seite des Feindes hinüber minder
dicht, das Terrain aber weit und frei für einen Angriff der schwe-
ren Reuterei war; er hoffte durch eine schnelle und gefahrdrohende

statt der Attakaner, die Arrian an den Reudrusquellen zwischen dem
Acesines und Hyarotis notirt, Arratakanen zu lesen, wohin dann
die Arattenstadt Saccala des Mahabharata gehören wird, s. Wil-
son
in Asiat. Researches XV. p. 107.

terwarfen; am dritten Tage nahte er der Kathaͤerhauptſtadt San-
gala; ſie war von bedeutendem Umfang, mit ſtarken Mauern um-
geben, auf der einen Seite durch einen See geſchuͤtzt; auf der an-
deren erhob ſich in einiger Entfernung von den Thoren ein Berg-
ruͤcken, der die Ebene beherrſchte; dieſen hatten die Kathaͤer nebſt
ihren Verbuͤndeten ſo ſtark als moͤglich beſetzt, hatten um den Berg
ihre Streitwagen zu einem dreifachen Verhau in einander geſcho-
ben, und lagerten ſelbſt in dem inneren Bezirk dieſer maͤchtigen Wa-
genburg; ſelbſt unangreifbar, vermochten ſie jeder Bewegung des
Feindes ſchnell und mit bedeutender Macht zu begegnen. Alexan-
der erkannte ſehr bald das Drohende dieſer Stellung, welche den
Berichten von der Kuͤhnheit und kriegeriſchen Gewandtheit dieſes
Volks vollkommen entſprach; je mehr er von ihnen Ueberfall und
kuͤhnes Wagniß erwarten durfte, deſto behutſamer glaubte er ſelbſt
vorgehen, deſto ſchneller Entſcheidendes wagen zu muͤſſen.

Waͤhrend noch die uͤbrigen Heeresabtheilungen heranruͤckten und ſich
in Schlachtlinie ſtellten, waren ſchon die Turaniſchen Bogenſchuͤtzen
vorgegangen und plaͤnkerten laͤngs der feindlichen Linie, um das
Anruͤcken der noch ungeordneten Maſſen vor der Gefahr eines
Ausfalls zu ſichern. Endlich ſtanden die ſaͤmmtlichen Corps der
Vorhut in Schlachtordnung da: auf dem rechten Fluͤgel der Koͤ-
nig ſelbſt mit zwei Geſchwadern der Ritterſchaft, mit den Hypas-
piſten und den Agrianern; den linken Fluͤgel unter Perdikkas Be-
fehl bildeten die Phalangen und das Geſchwader Perdikkas; die
Bogenſchuͤtzen ſtanden auf die Spitze der beiden Fluͤgel vertheilt;
zu ihnen wurden die Reuter, die aus den nachruͤckenden Kolonnen
noch anlangten, an die Flanken detaſchirt, waͤhrend einiges Fußvolk
ebendaher zur Verſtaͤrkung der Phalanx herangezogen wurde. Und
ſchon begann Alexander ſeinen Angriff; er hatte bemerkt, daß die
Wagenreihe nach der linken Seite des Feindes hinuͤber minder
dicht, das Terrain aber weit und frei fuͤr einen Angriff der ſchwe-
ren Reuterei war; er hoffte durch eine ſchnelle und gefahrdrohende

ſtatt der Attakaner, die Arrian an den Reudrusquellen zwiſchen dem
Aceſines und Hyarotis notirt, Arratakanen zu leſen, wohin dann
die Arattenſtadt Saccala des Mahabharata gehoͤren wird, ſ. Wil-
son
in Asiat. Researches XV. p. 107.
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[409/0423] terwarfen; am dritten Tage nahte er der Kathaͤerhauptſtadt San- gala; ſie war von bedeutendem Umfang, mit ſtarken Mauern um- geben, auf der einen Seite durch einen See geſchuͤtzt; auf der an- deren erhob ſich in einiger Entfernung von den Thoren ein Berg- ruͤcken, der die Ebene beherrſchte; dieſen hatten die Kathaͤer nebſt ihren Verbuͤndeten ſo ſtark als moͤglich beſetzt, hatten um den Berg ihre Streitwagen zu einem dreifachen Verhau in einander geſcho- ben, und lagerten ſelbſt in dem inneren Bezirk dieſer maͤchtigen Wa- genburg; ſelbſt unangreifbar, vermochten ſie jeder Bewegung des Feindes ſchnell und mit bedeutender Macht zu begegnen. Alexan- der erkannte ſehr bald das Drohende dieſer Stellung, welche den Berichten von der Kuͤhnheit und kriegeriſchen Gewandtheit dieſes Volks vollkommen entſprach; je mehr er von ihnen Ueberfall und kuͤhnes Wagniß erwarten durfte, deſto behutſamer glaubte er ſelbſt vorgehen, deſto ſchneller Entſcheidendes wagen zu muͤſſen. Waͤhrend noch die uͤbrigen Heeresabtheilungen heranruͤckten und ſich in Schlachtlinie ſtellten, waren ſchon die Turaniſchen Bogenſchuͤtzen vorgegangen und plaͤnkerten laͤngs der feindlichen Linie, um das Anruͤcken der noch ungeordneten Maſſen vor der Gefahr eines Ausfalls zu ſichern. Endlich ſtanden die ſaͤmmtlichen Corps der Vorhut in Schlachtordnung da: auf dem rechten Fluͤgel der Koͤ- nig ſelbſt mit zwei Geſchwadern der Ritterſchaft, mit den Hypas- piſten und den Agrianern; den linken Fluͤgel unter Perdikkas Be- fehl bildeten die Phalangen und das Geſchwader Perdikkas; die Bogenſchuͤtzen ſtanden auf die Spitze der beiden Fluͤgel vertheilt; zu ihnen wurden die Reuter, die aus den nachruͤckenden Kolonnen noch anlangten, an die Flanken detaſchirt, waͤhrend einiges Fußvolk ebendaher zur Verſtaͤrkung der Phalanx herangezogen wurde. Und ſchon begann Alexander ſeinen Angriff; er hatte bemerkt, daß die Wagenreihe nach der linken Seite des Feindes hinuͤber minder dicht, das Terrain aber weit und frei fuͤr einen Angriff der ſchwe- ren Reuterei war; er hoffte durch eine ſchnelle und gefahrdrohende 64) 64) ſtatt der Attakaner, die Arrian an den Reudrusquellen zwiſchen dem Aceſines und Hyarotis notirt, Arratakanen zu leſen, wohin dann die Arattenſtadt Saccala des Mahabharata gehoͤren wird, ſ. Wil- son in Asiat. Researches XV. p. 107.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/423>, abgerufen am 22.11.2024.