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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Zweck des Indischen Feldzuges war keinesweges, die unmittelbare
Herrschaft über Indien zu erobern. Alexander konnte nicht Völ-
ker, deren höchst eigenthümliche Civilisation der Hellenischen den
Rang streitig machte, mit einem Schlage zu Unterthanen eines
Macedonisch-Persischen Reiches machen wollen. Aber bis an den
Indus hin Herr alles Landes zu sein, über den Indus hinaus
das entschiedenste politische Uebergewicht zu gewinnen, und hier
dem Hellenistischen Leben solchen Einfluß zu sichern, daß im Laufe
der Zeiten selbst eine unmittelbare Vereinigung Indiens mit dem
übrigen Asien ausführbar werden konnte, das waren die großen
Absichten, die Alexanders Politik in Indien geleitet haben; nicht
die Völker, wohl aber die Fürsten mußten von ihm abhängig sein.
Die bisherige Stellung des Porus in dem Fünfstromlande des In-
dus konnte für die Politik Alexanders den Maaßstab abgeben. Of-
fenbar hatte Porus bis dahin ein entschiedenes Principat in dem
Gebiet der fünf Ströme gehabt, und eben dadurch die Eifersucht
der Fürsten von Taxila rege gemacht; sein Reich umfaßte zunächst
zwar nur die hochcultivirten Ebenen zwischen dem Hydaspes und

pes gestanden; sie haben daraus gefolgert, daß die Schlacht nach
der Sommersonnenwende geliefert, und im Arrian statt des Mu-
nychion der Metageitnion des Archonten Hegemon zu lesen sei, der
in den August 327 fallen würde, eine Zeit, in der Alexander noch in
der Gegend des Choaspes stand. Sie haben übersehen, daß einmal
das "ungefähr" in Arrians Ausdruck um so weniger bindend ist,
da jene Anführung der Sommersonnenwende nur die Absicht hat,
darauf aufmerksam zu machen, wie gerade jetzt die Zeit des tropi-
schen Regens und der großen Ueberschwemmungen war, und daß
auderer Seits Nearch bei Strabo ausdrücklich bezeugt, man habe
in der Zeit der Sommerwende schon am Acesines gelagert; Strabo
XV. p.
259. Durch den bezeichneten Irrthum ist Clintons Chro-
nologie von 327 bis 323 voll Irrthümer, und man darf sich wun-
dern, daß der Deutsche Gelehrte, der ihn ins Lateinische übersetzt
hat, keinen Anstoß darin fand, daß Alexander nach Clinton mit
dem Ende des Frühlings (Mai) über den Paropamisus ging, und
trotz der großen Kämpfe in der Indischen Satrapie schon um die
Sommersonnenwende (Juni) sechszig Meilen ostwärts am Hydas-
pes lagerte.
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Zweck des Indiſchen Feldzuges war keinesweges, die unmittelbare
Herrſchaft uͤber Indien zu erobern. Alexander konnte nicht Voͤl-
ker, deren hoͤchſt eigenthuͤmliche Civiliſation der Helleniſchen den
Rang ſtreitig machte, mit einem Schlage zu Unterthanen eines
Macedoniſch-Perſiſchen Reiches machen wollen. Aber bis an den
Indus hin Herr alles Landes zu ſein, uͤber den Indus hinaus
das entſchiedenſte politiſche Uebergewicht zu gewinnen, und hier
dem Helleniſtiſchen Leben ſolchen Einfluß zu ſichern, daß im Laufe
der Zeiten ſelbſt eine unmittelbare Vereinigung Indiens mit dem
uͤbrigen Aſien ausfuͤhrbar werden konnte, das waren die großen
Abſichten, die Alexanders Politik in Indien geleitet haben; nicht
die Voͤlker, wohl aber die Fuͤrſten mußten von ihm abhaͤngig ſein.
Die bisherige Stellung des Porus in dem Fuͤnfſtromlande des In-
dus konnte fuͤr die Politik Alexanders den Maaßſtab abgeben. Of-
fenbar hatte Porus bis dahin ein entſchiedenes Principat in dem
Gebiet der fuͤnf Stroͤme gehabt, und eben dadurch die Eiferſucht
der Fuͤrſten von Taxila rege gemacht; ſein Reich umfaßte zunaͤchſt
zwar nur die hochcultivirten Ebenen zwiſchen dem Hydaspes und

pes geſtanden; ſie haben daraus gefolgert, daß die Schlacht nach
der Sommerſonnenwende geliefert, und im Arrian ſtatt des Mu-
nychion der Metageitnion des Archonten Hegemon zu leſen ſei, der
in den Auguſt 327 fallen wuͤrde, eine Zeit, in der Alexander noch in
der Gegend des Choaspes ſtand. Sie haben uͤberſehen, daß einmal
das „ungefaͤhr“ in Arrians Ausdruck um ſo weniger bindend iſt,
da jene Anfuͤhrung der Sommerſonnenwende nur die Abſicht hat,
darauf aufmerkſam zu machen, wie gerade jetzt die Zeit des tropi-
ſchen Regens und der großen Ueberſchwemmungen war, und daß
auderer Seits Nearch bei Strabo ausdruͤcklich bezeugt, man habe
in der Zeit der Sommerwende ſchon am Aceſines gelagert; Strabo
XV. p.
259. Durch den bezeichneten Irrthum iſt Clintons Chro-
nologie von 327 bis 323 voll Irrthuͤmer, und man darf ſich wun-
dern, daß der Deutſche Gelehrte, der ihn ins Lateiniſche uͤberſetzt
hat, keinen Anſtoß darin fand, daß Alexander nach Clinton mit
dem Ende des Fruͤhlings (Mai) uͤber den Paropamiſus ging, und
trotz der großen Kaͤmpfe in der Indiſchen Satrapie ſchon um die
Sommerſonnenwende (Juni) ſechszig Meilen oſtwaͤrts am Hydas-
pes lagerte.
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[401/0415] Zweck des Indiſchen Feldzuges war keinesweges, die unmittelbare Herrſchaft uͤber Indien zu erobern. Alexander konnte nicht Voͤl- ker, deren hoͤchſt eigenthuͤmliche Civiliſation der Helleniſchen den Rang ſtreitig machte, mit einem Schlage zu Unterthanen eines Macedoniſch-Perſiſchen Reiches machen wollen. Aber bis an den Indus hin Herr alles Landes zu ſein, uͤber den Indus hinaus das entſchiedenſte politiſche Uebergewicht zu gewinnen, und hier dem Helleniſtiſchen Leben ſolchen Einfluß zu ſichern, daß im Laufe der Zeiten ſelbſt eine unmittelbare Vereinigung Indiens mit dem uͤbrigen Aſien ausfuͤhrbar werden konnte, das waren die großen Abſichten, die Alexanders Politik in Indien geleitet haben; nicht die Voͤlker, wohl aber die Fuͤrſten mußten von ihm abhaͤngig ſein. Die bisherige Stellung des Porus in dem Fuͤnfſtromlande des In- dus konnte fuͤr die Politik Alexanders den Maaßſtab abgeben. Of- fenbar hatte Porus bis dahin ein entſchiedenes Principat in dem Gebiet der fuͤnf Stroͤme gehabt, und eben dadurch die Eiferſucht der Fuͤrſten von Taxila rege gemacht; ſein Reich umfaßte zunaͤchſt zwar nur die hochcultivirten Ebenen zwiſchen dem Hydaspes und 49) 49) pes geſtanden; ſie haben daraus gefolgert, daß die Schlacht nach der Sommerſonnenwende geliefert, und im Arrian ſtatt des Mu- nychion der Metageitnion des Archonten Hegemon zu leſen ſei, der in den Auguſt 327 fallen wuͤrde, eine Zeit, in der Alexander noch in der Gegend des Choaspes ſtand. Sie haben uͤberſehen, daß einmal das „ungefaͤhr“ in Arrians Ausdruck um ſo weniger bindend iſt, da jene Anfuͤhrung der Sommerſonnenwende nur die Abſicht hat, darauf aufmerkſam zu machen, wie gerade jetzt die Zeit des tropi- ſchen Regens und der großen Ueberſchwemmungen war, und daß auderer Seits Nearch bei Strabo ausdruͤcklich bezeugt, man habe in der Zeit der Sommerwende ſchon am Aceſines gelagert; Strabo XV. p. 259. Durch den bezeichneten Irrthum iſt Clintons Chro- nologie von 327 bis 323 voll Irrthuͤmer, und man darf ſich wun- dern, daß der Deutſche Gelehrte, der ihn ins Lateiniſche uͤberſetzt hat, keinen Anſtoß darin fand, daß Alexander nach Clinton mit dem Ende des Fruͤhlings (Mai) uͤber den Paropamiſus ging, und trotz der großen Kaͤmpfe in der Indiſchen Satrapie ſchon um die Sommerſonnenwende (Juni) ſechszig Meilen oſtwaͤrts am Hydas- pes lagerte. 26

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/415>, abgerufen am 22.11.2024.