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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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bewegungen den Feind über den Ort des beabsichtigten Ueberganges
zu verwirren und seine Aufmerksamkeit zu ermüden; er ließ zugleich
durch andere Abtheilungen seines Heeres die Ufergegend nach allen
Seiten hin recognosciren, durch andere das von Vertheidigern ent-
blößte Gebiet des Spittakus brandschatzen und von allen Seiten
her große Vorräthe zusammenbringen, als ob er noch lange an die-
ser Stelle zu bleiben gedächte; er wußte bis in das feindliche La-
ger das Gerücht zu verbreiten, daß er in dieser Jahreszeit den
Flußübergang allerdings für unmöglich halte, daß er das Ende der
Regenzeit abwarten wolle, um, wenn das Wasser gefallen wäre,
den Angriff über den Strom hin zu versuchen. Zu gleicher Zeit
aber mußten die steten Bewegungen der Macedonischen Reuterei,
das Auf- und Abfahren stark bemannter Böte, das wiederholte
Ausrücken der Phalangen, die trotz der heftigsten Regengüsse oft
stundenlang unter den Waffen und wie zum Kämpfen bereit stan-
den, den Fürsten Porus in steter Besorgniß wegen Eröffnung der
Feindseligkeiten halten; ein Paar Werder im Flusse gaben Veran-
lassung zu kleinen Gefechten, es schien, als ob sie, sobald es zum
ernsteren Kampfe käme, von entscheidender Wichtigkeit werden
mußten.

Indeß erfuhr Alexander, daß Abisares von Kaschmir, trotz al-
ler neuerdings wiederholten Versicherungen seiner Ergebenheit, nicht
bloß heimlich Verbindungen mit Porus unterhalte, sondern bereits
mit seiner ganzen Macht heranrücke, um sich mit demselben zu ver-
einigen 39); und war es auch von Anfang her keinesweges des
Königs Absicht gewesen, die Regenzeit hindurch unthätig am rech-
ten Flußufer stehen zu bleiben, so bewog ihn doch diese Nachricht
noch mehr, ernstlich an einen baldigen Angriff zu denken, da der
Kampf gegen die vereinte Macht des Abisares und Porus schwie-
rig, wenn nicht gefährlich werden konnte; aber es war unmöglich,
hier im Angesicht des Feindes über den Fluß zu gehen: einmal war
das Strombette selbst durch die Fülle und Strömung des Wassers
unsicher und das niedrige Ufer drüben voll schlammiger Untiefen,
sodann wäre es tollkühn gewesen, die Phalangen unter den Ge-
schossen des dicht geordneten und sicher stehenden Feindes an's Ufer

39) Diod. XVII. 87.
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bewegungen den Feind uͤber den Ort des beabſichtigten Ueberganges
zu verwirren und ſeine Aufmerkſamkeit zu ermuͤden; er ließ zugleich
durch andere Abtheilungen ſeines Heeres die Ufergegend nach allen
Seiten hin recognosciren, durch andere das von Vertheidigern ent-
bloͤßte Gebiet des Spittakus brandſchatzen und von allen Seiten
her große Vorraͤthe zuſammenbringen, als ob er noch lange an die-
ſer Stelle zu bleiben gedaͤchte; er wußte bis in das feindliche La-
ger das Geruͤcht zu verbreiten, daß er in dieſer Jahreszeit den
Flußuͤbergang allerdings fuͤr unmoͤglich halte, daß er das Ende der
Regenzeit abwarten wolle, um, wenn das Waſſer gefallen waͤre,
den Angriff uͤber den Strom hin zu verſuchen. Zu gleicher Zeit
aber mußten die ſteten Bewegungen der Macedoniſchen Reuterei,
das Auf- und Abfahren ſtark bemannter Boͤte, das wiederholte
Ausruͤcken der Phalangen, die trotz der heftigſten Regenguͤſſe oft
ſtundenlang unter den Waffen und wie zum Kaͤmpfen bereit ſtan-
den, den Fuͤrſten Porus in ſteter Beſorgniß wegen Eroͤffnung der
Feindſeligkeiten halten; ein Paar Werder im Fluſſe gaben Veran-
laſſung zu kleinen Gefechten, es ſchien, als ob ſie, ſobald es zum
ernſteren Kampfe kaͤme, von entſcheidender Wichtigkeit werden
mußten.

Indeß erfuhr Alexander, daß Abiſares von Kaſchmir, trotz al-
ler neuerdings wiederholten Verſicherungen ſeiner Ergebenheit, nicht
bloß heimlich Verbindungen mit Porus unterhalte, ſondern bereits
mit ſeiner ganzen Macht heranruͤcke, um ſich mit demſelben zu ver-
einigen 39); und war es auch von Anfang her keinesweges des
Koͤnigs Abſicht geweſen, die Regenzeit hindurch unthaͤtig am rech-
ten Flußufer ſtehen zu bleiben, ſo bewog ihn doch dieſe Nachricht
noch mehr, ernſtlich an einen baldigen Angriff zu denken, da der
Kampf gegen die vereinte Macht des Abiſares und Porus ſchwie-
rig, wenn nicht gefaͤhrlich werden konnte; aber es war unmoͤglich,
hier im Angeſicht des Feindes uͤber den Fluß zu gehen: einmal war
das Strombette ſelbſt durch die Fuͤlle und Stroͤmung des Waſſers
unſicher und das niedrige Ufer druͤben voll ſchlammiger Untiefen,
ſodann waͤre es tollkuͤhn geweſen, die Phalangen unter den Ge-
ſchoſſen des dicht geordneten und ſicher ſtehenden Feindes an’s Ufer

39) Diod. XVII. 87.
25 *
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[387/0401] bewegungen den Feind uͤber den Ort des beabſichtigten Ueberganges zu verwirren und ſeine Aufmerkſamkeit zu ermuͤden; er ließ zugleich durch andere Abtheilungen ſeines Heeres die Ufergegend nach allen Seiten hin recognosciren, durch andere das von Vertheidigern ent- bloͤßte Gebiet des Spittakus brandſchatzen und von allen Seiten her große Vorraͤthe zuſammenbringen, als ob er noch lange an die- ſer Stelle zu bleiben gedaͤchte; er wußte bis in das feindliche La- ger das Geruͤcht zu verbreiten, daß er in dieſer Jahreszeit den Flußuͤbergang allerdings fuͤr unmoͤglich halte, daß er das Ende der Regenzeit abwarten wolle, um, wenn das Waſſer gefallen waͤre, den Angriff uͤber den Strom hin zu verſuchen. Zu gleicher Zeit aber mußten die ſteten Bewegungen der Macedoniſchen Reuterei, das Auf- und Abfahren ſtark bemannter Boͤte, das wiederholte Ausruͤcken der Phalangen, die trotz der heftigſten Regenguͤſſe oft ſtundenlang unter den Waffen und wie zum Kaͤmpfen bereit ſtan- den, den Fuͤrſten Porus in ſteter Beſorgniß wegen Eroͤffnung der Feindſeligkeiten halten; ein Paar Werder im Fluſſe gaben Veran- laſſung zu kleinen Gefechten, es ſchien, als ob ſie, ſobald es zum ernſteren Kampfe kaͤme, von entſcheidender Wichtigkeit werden mußten. Indeß erfuhr Alexander, daß Abiſares von Kaſchmir, trotz al- ler neuerdings wiederholten Verſicherungen ſeiner Ergebenheit, nicht bloß heimlich Verbindungen mit Porus unterhalte, ſondern bereits mit ſeiner ganzen Macht heranruͤcke, um ſich mit demſelben zu ver- einigen 39); und war es auch von Anfang her keinesweges des Koͤnigs Abſicht geweſen, die Regenzeit hindurch unthaͤtig am rech- ten Flußufer ſtehen zu bleiben, ſo bewog ihn doch dieſe Nachricht noch mehr, ernſtlich an einen baldigen Angriff zu denken, da der Kampf gegen die vereinte Macht des Abiſares und Porus ſchwie- rig, wenn nicht gefaͤhrlich werden konnte; aber es war unmoͤglich, hier im Angeſicht des Feindes uͤber den Fluß zu gehen: einmal war das Strombette ſelbſt durch die Fuͤlle und Stroͤmung des Waſſers unſicher und das niedrige Ufer druͤben voll ſchlammiger Untiefen, ſodann waͤre es tollkuͤhn geweſen, die Phalangen unter den Ge- ſchoſſen des dicht geordneten und ſicher ſtehenden Feindes an’s Ufer 39) Diod. XVII. 87. 25 *

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/401>, abgerufen am 22.11.2024.