Stelle, verschanzte sich dort und zündete das verabredete Feuerzei- chen an. Sobald dies Alexander gesehen, beschloß er den Sturm für den nächsten Morgen, in der Hoffnung, daß Ptolemäus von der Höhe des Gebirges aus zugleich angreifen würde. Indeß war es unmöglich, von der Tiefe her das Geringste zu gewinnen; die Indier, von dieser Seite vollkommen sicher, wandten sich mit desto größerer Keckheit gegen die von Ptolemäus besetzten Höhen, und nur mit der größten Anstrengung gelang es dem Lagiden, sich hinter scinen Schanzen zu behaupten. Seine Schützen und Agrio- ner hatten den Feind sehr mitgenommen, der sich mit Anbruch der Nacht in seine Feste zurückzog. Alexander hatte sich durch diesen unglücklichen Versuch überzeugt, daß es unmöglich sei, von der Tiefe aus zum Ziel zu gelangen; er sandte daher durch einen der Ge- gend kundigen Mann über Nacht den schriftlichen Befehl an Pto- lemäus, daß er, wenn am nächsten Tage an einer dem Ptolemäus näheren Stelle der Sturm versucht und dann gegen die Stürmenden von der Feste aus ein Ausfall gemacht würde, von der Höhe her- ab den Feinden in den Rücken kommen und um jeden Preis die Vereinigung mit Alexander zu bewerkstelligen suchen solle. So geschah es; mit dem nächsten Frühroth stand der König da an dem Fuße des Gebirges, wo Ptolemäus hinaufgestiegen war. Bald eilten die Indier dorthin, die schmalen Fußsteige zu vertheidigen; bis Mittag wurde auf das Hartnäckigste gekämpft, dann begannen die Feinde ein Wenig zu weichen; Ptolemäus that seinerseits das Mögliche, gegen Abend waren die Pfade erstiegen, und beide Heeresabtheilungen vereinigt; der immer eiligere Rückzug der Feinde und der durch den Erfolg hochaufgeregte Muth seiner tapferen Krieger bewogen den König, die fliehenden Indier zu verfolgen, um vielleicht unter der Verwirrung den Eingang in die Feste zu erzwingen; jedoch mislang dies, und zu einem Sturm war das Terrain zu eng. Er zog sich auf die von Ptolemäus verschanzte Höhe zurück, die, niedriger als die Feste, von dieser durch eine weite und tiefe Schlucht getrennt war. Alexander er- kannte sofort die Nothwendigkeit, die Ungunst dieser örtlichen Verhältnisse überwältigen zu müssen; er faßte den ungeheueren Plan, diese Schlucht von fast viertausend Fuß Breite mit einem Damm zu durchbauen, und auf diese Weise der Feste wenigstens
Stelle, verſchanzte ſich dort und zuͤndete das verabredete Feuerzei- chen an. Sobald dies Alexander geſehen, beſchloß er den Sturm fuͤr den naͤchſten Morgen, in der Hoffnung, daß Ptolemaͤus von der Hoͤhe des Gebirges aus zugleich angreifen wuͤrde. Indeß war es unmoͤglich, von der Tiefe her das Geringſte zu gewinnen; die Indier, von dieſer Seite vollkommen ſicher, wandten ſich mit deſto groͤßerer Keckheit gegen die von Ptolemaͤus beſetzten Hoͤhen, und nur mit der groͤßten Anſtrengung gelang es dem Lagiden, ſich hinter ſcinen Schanzen zu behaupten. Seine Schuͤtzen und Agrio- ner hatten den Feind ſehr mitgenommen, der ſich mit Anbruch der Nacht in ſeine Feſte zuruͤckzog. Alexander hatte ſich durch dieſen ungluͤcklichen Verſuch uͤberzeugt, daß es unmoͤglich ſei, von der Tiefe aus zum Ziel zu gelangen; er ſandte daher durch einen der Ge- gend kundigen Mann uͤber Nacht den ſchriftlichen Befehl an Pto- lemaͤus, daß er, wenn am naͤchſten Tage an einer dem Ptolemaͤus naͤheren Stelle der Sturm verſucht und dann gegen die Stuͤrmenden von der Feſte aus ein Ausfall gemacht wuͤrde, von der Hoͤhe her- ab den Feinden in den Ruͤcken kommen und um jeden Preis die Vereinigung mit Alexander zu bewerkſtelligen ſuchen ſolle. So geſchah es; mit dem naͤchſten Fruͤhroth ſtand der Koͤnig da an dem Fuße des Gebirges, wo Ptolemaͤus hinaufgeſtiegen war. Bald eilten die Indier dorthin, die ſchmalen Fußſteige zu vertheidigen; bis Mittag wurde auf das Hartnaͤckigſte gekaͤmpft, dann begannen die Feinde ein Wenig zu weichen; Ptolemaͤus that ſeinerſeits das Moͤgliche, gegen Abend waren die Pfade erſtiegen, und beide Heeresabtheilungen vereinigt; der immer eiligere Ruͤckzug der Feinde und der durch den Erfolg hochaufgeregte Muth ſeiner tapferen Krieger bewogen den Koͤnig, die fliehenden Indier zu verfolgen, um vielleicht unter der Verwirrung den Eingang in die Feſte zu erzwingen; jedoch mislang dies, und zu einem Sturm war das Terrain zu eng. Er zog ſich auf die von Ptolemaͤus verſchanzte Hoͤhe zuruͤck, die, niedriger als die Feſte, von dieſer durch eine weite und tiefe Schlucht getrennt war. Alexander er- kannte ſofort die Nothwendigkeit, die Ungunſt dieſer oͤrtlichen Verhaͤltniſſe uͤberwaͤltigen zu muͤſſen; er faßte den ungeheueren Plan, dieſe Schlucht von faſt viertauſend Fuß Breite mit einem Damm zu durchbauen, und auf dieſe Weiſe der Feſte wenigſtens
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0392"n="378"/>
Stelle, verſchanzte ſich dort und zuͤndete das verabredete Feuerzei-<lb/>
chen an. Sobald dies Alexander geſehen, beſchloß er den Sturm fuͤr<lb/>
den naͤchſten Morgen, in der Hoffnung, daß Ptolemaͤus von der<lb/>
Hoͤhe des Gebirges aus zugleich angreifen wuͤrde. Indeß war<lb/>
es unmoͤglich, von der Tiefe her das Geringſte zu gewinnen; die<lb/>
Indier, von dieſer Seite vollkommen ſicher, wandten ſich mit deſto<lb/>
groͤßerer Keckheit gegen die von Ptolemaͤus beſetzten Hoͤhen, und<lb/>
nur mit der groͤßten Anſtrengung gelang es dem Lagiden, ſich<lb/>
hinter ſcinen Schanzen zu behaupten. Seine Schuͤtzen und Agrio-<lb/>
ner hatten den Feind ſehr mitgenommen, der ſich mit Anbruch der<lb/>
Nacht in ſeine Feſte zuruͤckzog. Alexander hatte ſich durch dieſen<lb/>
ungluͤcklichen Verſuch uͤberzeugt, daß es unmoͤglich ſei, von der<lb/>
Tiefe aus zum Ziel zu gelangen; er ſandte daher durch einen der Ge-<lb/>
gend kundigen Mann uͤber Nacht den ſchriftlichen Befehl an Pto-<lb/>
lemaͤus, daß er, wenn am naͤchſten Tage an einer dem Ptolemaͤus<lb/>
naͤheren Stelle der Sturm verſucht und dann gegen die Stuͤrmenden<lb/>
von der Feſte aus ein Ausfall gemacht wuͤrde, von der Hoͤhe her-<lb/>
ab den Feinden in den Ruͤcken kommen und um jeden Preis die<lb/>
Vereinigung mit Alexander zu bewerkſtelligen ſuchen ſolle. So<lb/>
geſchah es; mit dem naͤchſten Fruͤhroth ſtand der Koͤnig da an dem<lb/>
Fuße des Gebirges, wo Ptolemaͤus hinaufgeſtiegen war. Bald<lb/>
eilten die Indier dorthin, die ſchmalen Fußſteige zu vertheidigen;<lb/>
bis Mittag wurde auf das Hartnaͤckigſte gekaͤmpft, dann begannen<lb/>
die Feinde ein Wenig zu weichen; Ptolemaͤus that ſeinerſeits das<lb/>
Moͤgliche, gegen Abend waren die Pfade erſtiegen, und beide<lb/>
Heeresabtheilungen vereinigt; der immer eiligere Ruͤckzug der<lb/>
Feinde und der durch den Erfolg hochaufgeregte Muth ſeiner<lb/>
tapferen Krieger bewogen den Koͤnig, die fliehenden Indier zu<lb/>
verfolgen, um vielleicht unter der Verwirrung den Eingang in die<lb/>
Feſte zu erzwingen; jedoch mislang dies, und zu einem Sturm<lb/>
war das Terrain zu eng. Er zog ſich auf die von Ptolemaͤus<lb/>
verſchanzte Hoͤhe zuruͤck, die, niedriger als die Feſte, von dieſer<lb/>
durch eine weite und tiefe Schlucht getrennt war. Alexander er-<lb/>
kannte ſofort die Nothwendigkeit, die Ungunſt dieſer oͤrtlichen<lb/>
Verhaͤltniſſe uͤberwaͤltigen zu muͤſſen; er faßte den ungeheueren<lb/>
Plan, dieſe Schlucht von faſt viertauſend Fuß Breite mit einem<lb/>
Damm zu durchbauen, und auf dieſe Weiſe der Feſte wenigſtens<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[378/0392]
Stelle, verſchanzte ſich dort und zuͤndete das verabredete Feuerzei-
chen an. Sobald dies Alexander geſehen, beſchloß er den Sturm fuͤr
den naͤchſten Morgen, in der Hoffnung, daß Ptolemaͤus von der
Hoͤhe des Gebirges aus zugleich angreifen wuͤrde. Indeß war
es unmoͤglich, von der Tiefe her das Geringſte zu gewinnen; die
Indier, von dieſer Seite vollkommen ſicher, wandten ſich mit deſto
groͤßerer Keckheit gegen die von Ptolemaͤus beſetzten Hoͤhen, und
nur mit der groͤßten Anſtrengung gelang es dem Lagiden, ſich
hinter ſcinen Schanzen zu behaupten. Seine Schuͤtzen und Agrio-
ner hatten den Feind ſehr mitgenommen, der ſich mit Anbruch der
Nacht in ſeine Feſte zuruͤckzog. Alexander hatte ſich durch dieſen
ungluͤcklichen Verſuch uͤberzeugt, daß es unmoͤglich ſei, von der
Tiefe aus zum Ziel zu gelangen; er ſandte daher durch einen der Ge-
gend kundigen Mann uͤber Nacht den ſchriftlichen Befehl an Pto-
lemaͤus, daß er, wenn am naͤchſten Tage an einer dem Ptolemaͤus
naͤheren Stelle der Sturm verſucht und dann gegen die Stuͤrmenden
von der Feſte aus ein Ausfall gemacht wuͤrde, von der Hoͤhe her-
ab den Feinden in den Ruͤcken kommen und um jeden Preis die
Vereinigung mit Alexander zu bewerkſtelligen ſuchen ſolle. So
geſchah es; mit dem naͤchſten Fruͤhroth ſtand der Koͤnig da an dem
Fuße des Gebirges, wo Ptolemaͤus hinaufgeſtiegen war. Bald
eilten die Indier dorthin, die ſchmalen Fußſteige zu vertheidigen;
bis Mittag wurde auf das Hartnaͤckigſte gekaͤmpft, dann begannen
die Feinde ein Wenig zu weichen; Ptolemaͤus that ſeinerſeits das
Moͤgliche, gegen Abend waren die Pfade erſtiegen, und beide
Heeresabtheilungen vereinigt; der immer eiligere Ruͤckzug der
Feinde und der durch den Erfolg hochaufgeregte Muth ſeiner
tapferen Krieger bewogen den Koͤnig, die fliehenden Indier zu
verfolgen, um vielleicht unter der Verwirrung den Eingang in die
Feſte zu erzwingen; jedoch mislang dies, und zu einem Sturm
war das Terrain zu eng. Er zog ſich auf die von Ptolemaͤus
verſchanzte Hoͤhe zuruͤck, die, niedriger als die Feſte, von dieſer
durch eine weite und tiefe Schlucht getrennt war. Alexander er-
kannte ſofort die Nothwendigkeit, die Ungunſt dieſer oͤrtlichen
Verhaͤltniſſe uͤberwaͤltigen zu muͤſſen; er faßte den ungeheueren
Plan, dieſe Schlucht von faſt viertauſend Fuß Breite mit einem
Damm zu durchbauen, und auf dieſe Weiſe der Feſte wenigſtens
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/392>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.