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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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welche Alexander nach dem Inneren Indiens vorzurücken ge-
dachte 12).

So die Südarmee; während dessen ging Alexander mit den
Hypaspisten, mit vier Geschwadern der Ritterschaft, unter diesen
die Leibschaar, mit dem größeren Theile der Macedonischen Phalangen,
mit den Bogenschützen, den Agrianern und den reitenden Schützen
über den Kophen und durch den Paß von Jellalli ostwärts vor.
Dort stürzt ein Bergstrom, der Choas oder Choaspes von den ho-
hen Gebirgen im Norden her zum Kophen herab, und bildet längs
den mächtigen Felsenlagen des Koond ein wildes Thalland; gegen-
über erheben sich die Gebirge von Neuem, wenn auch minder ge-
waltig, doch immer gefährlich genug für militärische Bewegungen;
das Volk der Aspasier oder Hippasier hatte hier seine Sitze, seine
Bergfesten, seine zahlreichen Heerden; einige Tage nordwärts am
Choaspes lag die Fürstenstadt Gorydale, wichtig auch durch die
Gebirgsstraße, die hier vorüber nach dem Quelllande des Oxus
führt 13). Sobald nun Alexander über diesen Fluß gesetzt war,
und dem sich allmählig verengendem Thale folgend die Südgränze
des Aspasischen Landes erreichte, flüchteten sich die Einwohner sofort
theils in die Berge, theils in die festen Städte, entschlossen den
Macedoniern Widerstand zu leisten. Desto mehr eilte Alexander
vorwärts; mit der gesammten Reuterei und achthundert seiner Hyp-

12) Von den vier Wegen, die zum Indus von Kabul aus hin-
abführen (s. Baber p. 140.), führt nur der von Lamghanat längs
dem Kabul zur Mündung dieses Stromes, mag man nun den Paß
von Kheiber auf dem Südufer (Elphinstone Kabul übers. von
Rühs II. 54.), oder den viel schwierigeren von Karrava auf dem
Nordufer des Kabulstromes wählen (Elphinstone II. 51.). Strabo
sagt XV. p. 268.: Alexander hatte in Erfahrung gebracht, daß die
Gegenden im Norden und in den Bergen fruchtbar und wohl bevölkert
seien, die südlichen dagegen entweder ganz wasserlos, oder, wo
Ströme flössen, von glühender Hitze und mehr für Thiere als für
Menschen passend; deshalb, und weil er die Flüsse ihren Quellen
näher leichter passiren zu können meinte, ging er die nördlichsten
Wege.
13) Dieß schreibe ich auf Ritters Autorität (Alexanders
Zug p. 167); eine bestimmte Angabe über diesen Paßweg habe ich
nicht finden können.

welche Alexander nach dem Inneren Indiens vorzuruͤcken ge-
dachte 12).

So die Suͤdarmee; waͤhrend deſſen ging Alexander mit den
Hypaspiſten, mit vier Geſchwadern der Ritterſchaft, unter dieſen
die Leibſchaar, mit dem groͤßeren Theile der Macedoniſchen Phalangen,
mit den Bogenſchuͤtzen, den Agrianern und den reitenden Schuͤtzen
uͤber den Kophen und durch den Paß von Jellalli oſtwaͤrts vor.
Dort ſtuͤrzt ein Bergſtrom, der Choas oder Choaspes von den ho-
hen Gebirgen im Norden her zum Kophen herab, und bildet laͤngs
den maͤchtigen Felſenlagen des Koond ein wildes Thalland; gegen-
uͤber erheben ſich die Gebirge von Neuem, wenn auch minder ge-
waltig, doch immer gefaͤhrlich genug fuͤr militaͤriſche Bewegungen;
das Volk der Aspaſier oder Hippaſier hatte hier ſeine Sitze, ſeine
Bergfeſten, ſeine zahlreichen Heerden; einige Tage nordwaͤrts am
Choaspes lag die Fuͤrſtenſtadt Gorydale, wichtig auch durch die
Gebirgsſtraße, die hier voruͤber nach dem Quelllande des Oxus
fuͤhrt 13). Sobald nun Alexander uͤber dieſen Fluß geſetzt war,
und dem ſich allmaͤhlig verengendem Thale folgend die Suͤdgraͤnze
des Aspaſiſchen Landes erreichte, fluͤchteten ſich die Einwohner ſofort
theils in die Berge, theils in die feſten Staͤdte, entſchloſſen den
Macedoniern Widerſtand zu leiſten. Deſto mehr eilte Alexander
vorwaͤrts; mit der geſammten Reuterei und achthundert ſeiner Hyp-

12) Von den vier Wegen, die zum Indus von Kabul aus hin-
abfuͤhren (ſ. Baber p. 140.), fuͤhrt nur der von Lamghanat laͤngs
dem Kabul zur Muͤndung dieſes Stromes, mag man nun den Paß
von Kheiber auf dem Suͤdufer (Elphinstone Kabul uͤberſ. von
Rühs II. 54.), oder den viel ſchwierigeren von Karrava auf dem
Nordufer des Kabulſtromes waͤhlen (Elphinstone II. 51.). Strabo
ſagt XV. p. 268.: Alexander hatte in Erfahrung gebracht, daß die
Gegenden im Norden und in den Bergen fruchtbar und wohl bevoͤlkert
ſeien, die ſuͤdlichen dagegen entweder ganz waſſerlos, oder, wo
Stroͤme floͤſſen, von gluͤhender Hitze und mehr fuͤr Thiere als fuͤr
Menſchen paſſend; deshalb, und weil er die Fluͤſſe ihren Quellen
naͤher leichter paſſiren zu koͤnnen meinte, ging er die noͤrdlichſten
Wege.
13) Dieß ſchreibe ich auf Ritters Autoritaͤt (Alexanders
Zug p. 167); eine beſtimmte Angabe uͤber dieſen Paßweg habe ich
nicht finden koͤnnen.
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[365/0379] welche Alexander nach dem Inneren Indiens vorzuruͤcken ge- dachte 12). So die Suͤdarmee; waͤhrend deſſen ging Alexander mit den Hypaspiſten, mit vier Geſchwadern der Ritterſchaft, unter dieſen die Leibſchaar, mit dem groͤßeren Theile der Macedoniſchen Phalangen, mit den Bogenſchuͤtzen, den Agrianern und den reitenden Schuͤtzen uͤber den Kophen und durch den Paß von Jellalli oſtwaͤrts vor. Dort ſtuͤrzt ein Bergſtrom, der Choas oder Choaspes von den ho- hen Gebirgen im Norden her zum Kophen herab, und bildet laͤngs den maͤchtigen Felſenlagen des Koond ein wildes Thalland; gegen- uͤber erheben ſich die Gebirge von Neuem, wenn auch minder ge- waltig, doch immer gefaͤhrlich genug fuͤr militaͤriſche Bewegungen; das Volk der Aspaſier oder Hippaſier hatte hier ſeine Sitze, ſeine Bergfeſten, ſeine zahlreichen Heerden; einige Tage nordwaͤrts am Choaspes lag die Fuͤrſtenſtadt Gorydale, wichtig auch durch die Gebirgsſtraße, die hier voruͤber nach dem Quelllande des Oxus fuͤhrt 13). Sobald nun Alexander uͤber dieſen Fluß geſetzt war, und dem ſich allmaͤhlig verengendem Thale folgend die Suͤdgraͤnze des Aspaſiſchen Landes erreichte, fluͤchteten ſich die Einwohner ſofort theils in die Berge, theils in die feſten Staͤdte, entſchloſſen den Macedoniern Widerſtand zu leiſten. Deſto mehr eilte Alexander vorwaͤrts; mit der geſammten Reuterei und achthundert ſeiner Hyp- 12) Von den vier Wegen, die zum Indus von Kabul aus hin- abfuͤhren (ſ. Baber p. 140.), fuͤhrt nur der von Lamghanat laͤngs dem Kabul zur Muͤndung dieſes Stromes, mag man nun den Paß von Kheiber auf dem Suͤdufer (Elphinstone Kabul uͤberſ. von Rühs II. 54.), oder den viel ſchwierigeren von Karrava auf dem Nordufer des Kabulſtromes waͤhlen (Elphinstone II. 51.). Strabo ſagt XV. p. 268.: Alexander hatte in Erfahrung gebracht, daß die Gegenden im Norden und in den Bergen fruchtbar und wohl bevoͤlkert ſeien, die ſuͤdlichen dagegen entweder ganz waſſerlos, oder, wo Stroͤme floͤſſen, von gluͤhender Hitze und mehr fuͤr Thiere als fuͤr Menſchen paſſend; deshalb, und weil er die Fluͤſſe ihren Quellen naͤher leichter paſſiren zu koͤnnen meinte, ging er die noͤrdlichſten Wege. 13) Dieß ſchreibe ich auf Ritters Autoritaͤt (Alexanders Zug p. 167); eine beſtimmte Angabe uͤber dieſen Paßweg habe ich nicht finden koͤnnen.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/379>, abgerufen am 25.11.2024.