dere Länder, ohne Sorge für die Zukunft und nur der Gegenwart gewiß, das Alles vereinte sich, der Umgebung Alexanders jene aben- theuerliche und phantastische Haltung zu geben, die zu dem wun- derbaren Glanze seiner Siegeszüge paßte. Neben seiner überwie- genden Persönlichkeit treten die Einzelnen selten aus der Masse her- vor, ihr Verhältniß zum Könige ist ihr Charakter 80); so der edle Kraterus, der den König, der milde Hephästion, der Alexandern liebte, so der unermüdliche Lagide Ptolemäus, der gewandte Kar- dianer Eumenes, der das Kabinet des Königs leitete. Kenntlicher sind die allgemeinen Charaktere: die Macedonischen Edlen, kriegerisch, ungestüm, gebieterisch, die Asiatischen Fürsten, ceremoniös, prunkend, Meister in jeder Kunst des Luxus, der Unterwürfigkeit und Intri- gue, die Hellenischen Begleiter, theils in der Adjudantur und für wissenschaftliche Interessen beschäftigt, theils als Dichter, Künstler, Philosophen, Müßiggänger im Gefolge des Königs, der, Grieche genug, um unter den Waffen der Musen nicht zu vergessen, sich gern von den Gebildetsten des Jahrhunderts gefeiert sah, und we- der Geschenke noch Huld und Herablassung sparte, um die für sich zu gewinnen, welche er um den Ruhm der Wissenschaft beneidete.
Unter diesen Hellenen in Alexanders Gefolge waren besonders zwei Literaten, die durch sonderbare Verknüpfung der Umstände einige Bedeutung in den Verhältnissen des Hoflagers gewannen. Der eine war der oben erwähnte Olynthier Kallisthenes; Schüler und Verwandter des großen Aristoteles, der ihn seinem königlichen Zöglinge zugesandt hatte, begleitete er den König nach Asien, um als Augenzeuge die Großthaten der Macedonier der Nachwelt zu über- lifern; Philosoph ohne Kenntnisse, hochmüthig ohne Charakter, von selbstgefälliger Wohlbeleibtheit und voll kleinlicher Schwächen, glaubte er eigentlich der große Mann zu sein, unter dessen Augen der Kö- nig und das Heer jene Thaten ausführe, deren Wesen und Werth er allein zu würdigen verstände: durch ihn werde Alexanders Name berühmt werden, ihm und seinem Geschichtswerke, nicht den Mähr- chen, die Olympias sich einrede, noch den Orakeln des Ammon und
80) Alexander zürnte einst auf Hephästion, der sich mit Kraterus entzweit hatte; er sagte: was ist deine Macht, was ist deine That, wenn dir jemand Alexandern entreißt. Plut. de fort. Alex. II.
dere Laͤnder, ohne Sorge fuͤr die Zukunft und nur der Gegenwart gewiß, das Alles vereinte ſich, der Umgebung Alexanders jene aben- theuerliche und phantaſtiſche Haltung zu geben, die zu dem wun- derbaren Glanze ſeiner Siegeszuͤge paßte. Neben ſeiner uͤberwie- genden Perſoͤnlichkeit treten die Einzelnen ſelten aus der Maſſe her- vor, ihr Verhaͤltniß zum Koͤnige iſt ihr Charakter 80); ſo der edle Kraterus, der den Koͤnig, der milde Hephaͤſtion, der Alexandern liebte, ſo der unermuͤdliche Lagide Ptolemaͤus, der gewandte Kar- dianer Eumenes, der das Kabinet des Koͤnigs leitete. Kenntlicher ſind die allgemeinen Charaktere: die Macedoniſchen Edlen, kriegeriſch, ungeſtuͤm, gebieteriſch, die Aſiatiſchen Fuͤrſten, ceremonioͤs, prunkend, Meiſter in jeder Kunſt des Luxus, der Unterwuͤrfigkeit und Intri- gue, die Helleniſchen Begleiter, theils in der Adjudantur und fuͤr wiſſenſchaftliche Intereſſen beſchaͤftigt, theils als Dichter, Kuͤnſtler, Philoſophen, Muͤßiggaͤnger im Gefolge des Koͤnigs, der, Grieche genug, um unter den Waffen der Muſen nicht zu vergeſſen, ſich gern von den Gebildetſten des Jahrhunderts gefeiert ſah, und we- der Geſchenke noch Huld und Herablaſſung ſparte, um die fuͤr ſich zu gewinnen, welche er um den Ruhm der Wiſſenſchaft beneidete.
Unter dieſen Hellenen in Alexanders Gefolge waren beſonders zwei Literaten, die durch ſonderbare Verknuͤpfung der Umſtaͤnde einige Bedeutung in den Verhaͤltniſſen des Hoflagers gewannen. Der eine war der oben erwaͤhnte Olynthier Kalliſthenes; Schuͤler und Verwandter des großen Ariſtoteles, der ihn ſeinem koͤniglichen Zoͤglinge zugeſandt hatte, begleitete er den Koͤnig nach Aſien, um als Augenzeuge die Großthaten der Macedonier der Nachwelt zu uͤber- lifern; Philoſoph ohne Kenntniſſe, hochmuͤthig ohne Charakter, von ſelbſtgefaͤlliger Wohlbeleibtheit und voll kleinlicher Schwaͤchen, glaubte er eigentlich der große Mann zu ſein, unter deſſen Augen der Koͤ- nig und das Heer jene Thaten ausfuͤhre, deren Weſen und Werth er allein zu wuͤrdigen verſtaͤnde: durch ihn werde Alexanders Name beruͤhmt werden, ihm und ſeinem Geſchichtswerke, nicht den Maͤhr- chen, die Olympias ſich einrede, noch den Orakeln des Ammon und
80) Alexander zuͤrnte einſt auf Hephaͤſtion, der ſich mit Kraterus entzweit hatte; er ſagte: was iſt deine Macht, was iſt deine That, wenn dir jemand Alexandern entreißt. Plut. de fort. Alex. II.
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dere Laͤnder, ohne Sorge fuͤr die Zukunft und nur der Gegenwart
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derbaren Glanze ſeiner Siegeszuͤge paßte. Neben ſeiner uͤberwie-
genden Perſoͤnlichkeit treten die Einzelnen ſelten aus der Maſſe her-
vor, ihr Verhaͤltniß zum Koͤnige iſt ihr Charakter 80); ſo der edle
Kraterus, der den Koͤnig, der milde Hephaͤſtion, der Alexandern
liebte, ſo der unermuͤdliche Lagide Ptolemaͤus, der gewandte Kar-
dianer Eumenes, der das Kabinet des Koͤnigs leitete. Kenntlicher
ſind die allgemeinen Charaktere: die Macedoniſchen Edlen, kriegeriſch,
ungeſtuͤm, gebieteriſch, die Aſiatiſchen Fuͤrſten, ceremonioͤs, prunkend,
Meiſter in jeder Kunſt des Luxus, der Unterwuͤrfigkeit und Intri-
gue, die Helleniſchen Begleiter, theils in der Adjudantur und fuͤr
wiſſenſchaftliche Intereſſen beſchaͤftigt, theils als Dichter, Kuͤnſtler,
Philoſophen, Muͤßiggaͤnger im Gefolge des Koͤnigs, der, Grieche
genug, um unter den Waffen der Muſen nicht zu vergeſſen, ſich
gern von den Gebildetſten des Jahrhunderts gefeiert ſah, und we-
der Geſchenke noch Huld und Herablaſſung ſparte, um die fuͤr ſich
zu gewinnen, welche er um den Ruhm der Wiſſenſchaft beneidete.
Unter dieſen Hellenen in Alexanders Gefolge waren beſonders
zwei Literaten, die durch ſonderbare Verknuͤpfung der Umſtaͤnde
einige Bedeutung in den Verhaͤltniſſen des Hoflagers gewannen.
Der eine war der oben erwaͤhnte Olynthier Kalliſthenes; Schuͤler
und Verwandter des großen Ariſtoteles, der ihn ſeinem koͤniglichen
Zoͤglinge zugeſandt hatte, begleitete er den Koͤnig nach Aſien, um
als Augenzeuge die Großthaten der Macedonier der Nachwelt zu uͤber-
lifern; Philoſoph ohne Kenntniſſe, hochmuͤthig ohne Charakter, von
ſelbſtgefaͤlliger Wohlbeleibtheit und voll kleinlicher Schwaͤchen, glaubte
er eigentlich der große Mann zu ſein, unter deſſen Augen der Koͤ-
nig und das Heer jene Thaten ausfuͤhre, deren Weſen und Werth
er allein zu wuͤrdigen verſtaͤnde: durch ihn werde Alexanders Name
beruͤhmt werden, ihm und ſeinem Geſchichtswerke, nicht den Maͤhr-
chen, die Olympias ſich einrede, noch den Orakeln des Ammon und
80) Alexander zuͤrnte einſt auf Hephaͤſtion, der ſich mit Kraterus
entzweit hatte; er ſagte: was iſt deine Macht, was iſt deine That,
wenn dir jemand Alexandern entreißt. Plut. de fort. Alex. II.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/363>, abgerufen am 28.11.2024.
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