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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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der sich pflichtvergessen gezeigt hatte, zu entsetzen und dessen Stelle
zu übernehmen. Auch Babylon erhielt, da der treffliche Perser
Mazäus gestorben war, in der Person des Stamenes einen neuen
Satrapen. Sopolis, der Befehlshaber des Amphipolitischen Ge-
schwaders, und die Reuterobristen Menides und Epocillus gingen nach
Europa, neue Truppen zu werben. -- Die Winterrast in Nautaka
wurde, so scheint es, zu Vorbereitungen für den Indischen Feldzug
benutzt, den Alexander in dem nächsten Jahre zu beginnen gedachte;
doch blieb zuvor noch etwas zu thun; denn in den fast unzugäng-
lichen Bergen von Parätacene 77a) hielten sich noch einige von den
Baktrianischen Häuptlingen, die an der Empörung des Jahres 329
Antheil genommen hatten, namentlich Katanes, Austanes und Cho-
rienes, dessen Felsenburg, reichlich mit Vorräthen aller Art verse-
hen, selbst dem Eroberer des Sogdianischen Felsens Trotz bieten zu
können schien. Nach dreimonatlicher Rast brach das Macedonische
Heer gen Parätacene auf; es war um Frühlingsanfang, in den
waldigen Bergschluchten lag tiefer Schnee, häufige Regenschauer,
Glatteis, Aequinoctialstürme, furchtbare Gewitter machten die Mär-
sche noch beschwerlicher, das Heer litt an dem Nothwendigsten Man-
gel, viele blieben erstarrt liegen; des Königs Beispiel, der Mangel
und Mühsal mit den Seinen theilte, hielt allein noch den Muth
der Macedonier aufrecht; es wird erzählt, daß der König, als er
Abends am Bivouacfeuer saß, sich zu erwärmen, und einen alten
Soldaten, von Kälte erstarrt und wie bewußtlos heranwanken sah,
aufstand, ihm die Waffen abnahm und auf seinen Feldstuhl beim
Feuer niedersetzen ließ; als der Veteran sich erholt hatte, sei-
nen König erkannte, und bestürzt aufstand, sagte Alexander heiter:
"siehst du, Kamerad, auf des Königs Stuhl zu sitzen bringt bei
den Persern den Tod, dir hat es das Leben wiedergegeben." End-

77a) Daß dieß Parätacene die Landschaft Waksch, daß des Cur-
tius Bubacene etwa Badakschan, daß die Sacae die Aspasiaken
des Polybius an der Steinbrücke Pul Senghin sind, daß der Cho-
rienesfelsen nicht unwahrscheinlich mit der berühmten Festung
Schaduman Hissar zusammengestellt werden könne, habe ich in der
Abhandlung "Alexanders Züge in Turan", im Rheinischen Museum
1833. Heft 1. zu erweisen gesucht.

der ſich pflichtvergeſſen gezeigt hatte, zu entſetzen und deſſen Stelle
zu uͤbernehmen. Auch Babylon erhielt, da der treffliche Perſer
Mazaͤus geſtorben war, in der Perſon des Stamenes einen neuen
Satrapen. Sopolis, der Befehlshaber des Amphipolitiſchen Ge-
ſchwaders, und die Reuterobriſten Menides und Epocillus gingen nach
Europa, neue Truppen zu werben. — Die Winterraſt in Nautaka
wurde, ſo ſcheint es, zu Vorbereitungen fuͤr den Indiſchen Feldzug
benutzt, den Alexander in dem naͤchſten Jahre zu beginnen gedachte;
doch blieb zuvor noch etwas zu thun; denn in den faſt unzugaͤng-
lichen Bergen von Paraͤtacene 77a) hielten ſich noch einige von den
Baktrianiſchen Haͤuptlingen, die an der Empoͤrung des Jahres 329
Antheil genommen hatten, namentlich Katanes, Auſtanes und Cho-
rienes, deſſen Felſenburg, reichlich mit Vorraͤthen aller Art verſe-
hen, ſelbſt dem Eroberer des Sogdianiſchen Felſens Trotz bieten zu
koͤnnen ſchien. Nach dreimonatlicher Raſt brach das Macedoniſche
Heer gen Paraͤtacene auf; es war um Fruͤhlingsanfang, in den
waldigen Bergſchluchten lag tiefer Schnee, haͤufige Regenſchauer,
Glatteis, Aequinoctialſtuͤrme, furchtbare Gewitter machten die Maͤr-
ſche noch beſchwerlicher, das Heer litt an dem Nothwendigſten Man-
gel, viele blieben erſtarrt liegen; des Koͤnigs Beiſpiel, der Mangel
und Muͤhſal mit den Seinen theilte, hielt allein noch den Muth
der Macedonier aufrecht; es wird erzaͤhlt, daß der Koͤnig, als er
Abends am Bivouacfeuer ſaß, ſich zu erwaͤrmen, und einen alten
Soldaten, von Kaͤlte erſtarrt und wie bewußtlos heranwanken ſah,
aufſtand, ihm die Waffen abnahm und auf ſeinen Feldſtuhl beim
Feuer niederſetzen ließ; als der Veteran ſich erholt hatte, ſei-
nen Koͤnig erkannte, und beſtuͤrzt aufſtand, ſagte Alexander heiter:
„ſiehſt du, Kamerad, auf des Koͤnigs Stuhl zu ſitzen bringt bei
den Perſern den Tod, dir hat es das Leben wiedergegeben.“ End-

77a) Daß dieß Paraͤtacene die Landſchaft Wakſch, daß des Cur-
tius Bubacene etwa Badakſchan, daß die Sacae die Aspaſiaken
des Polybius an der Steinbruͤcke Pul Senghin ſind, daß der Cho-
rienesfelſen nicht unwahrſcheinlich mit der beruͤhmten Feſtung
Schaduman Hiſſar zuſammengeſtellt werden koͤnne, habe ich in der
Abhandlung „Alexanders Zuͤge in Turan“, im Rheiniſchen Muſeum
1833. Heft 1. zu erweiſen geſucht.
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[343/0357] der ſich pflichtvergeſſen gezeigt hatte, zu entſetzen und deſſen Stelle zu uͤbernehmen. Auch Babylon erhielt, da der treffliche Perſer Mazaͤus geſtorben war, in der Perſon des Stamenes einen neuen Satrapen. Sopolis, der Befehlshaber des Amphipolitiſchen Ge- ſchwaders, und die Reuterobriſten Menides und Epocillus gingen nach Europa, neue Truppen zu werben. — Die Winterraſt in Nautaka wurde, ſo ſcheint es, zu Vorbereitungen fuͤr den Indiſchen Feldzug benutzt, den Alexander in dem naͤchſten Jahre zu beginnen gedachte; doch blieb zuvor noch etwas zu thun; denn in den faſt unzugaͤng- lichen Bergen von Paraͤtacene 77a) hielten ſich noch einige von den Baktrianiſchen Haͤuptlingen, die an der Empoͤrung des Jahres 329 Antheil genommen hatten, namentlich Katanes, Auſtanes und Cho- rienes, deſſen Felſenburg, reichlich mit Vorraͤthen aller Art verſe- hen, ſelbſt dem Eroberer des Sogdianiſchen Felſens Trotz bieten zu koͤnnen ſchien. Nach dreimonatlicher Raſt brach das Macedoniſche Heer gen Paraͤtacene auf; es war um Fruͤhlingsanfang, in den waldigen Bergſchluchten lag tiefer Schnee, haͤufige Regenſchauer, Glatteis, Aequinoctialſtuͤrme, furchtbare Gewitter machten die Maͤr- ſche noch beſchwerlicher, das Heer litt an dem Nothwendigſten Man- gel, viele blieben erſtarrt liegen; des Koͤnigs Beiſpiel, der Mangel und Muͤhſal mit den Seinen theilte, hielt allein noch den Muth der Macedonier aufrecht; es wird erzaͤhlt, daß der Koͤnig, als er Abends am Bivouacfeuer ſaß, ſich zu erwaͤrmen, und einen alten Soldaten, von Kaͤlte erſtarrt und wie bewußtlos heranwanken ſah, aufſtand, ihm die Waffen abnahm und auf ſeinen Feldſtuhl beim Feuer niederſetzen ließ; als der Veteran ſich erholt hatte, ſei- nen Koͤnig erkannte, und beſtuͤrzt aufſtand, ſagte Alexander heiter: „ſiehſt du, Kamerad, auf des Koͤnigs Stuhl zu ſitzen bringt bei den Perſern den Tod, dir hat es das Leben wiedergegeben.“ End- 77a) Daß dieß Paraͤtacene die Landſchaft Wakſch, daß des Cur- tius Bubacene etwa Badakſchan, daß die Sacae die Aspaſiaken des Polybius an der Steinbruͤcke Pul Senghin ſind, daß der Cho- rienesfelſen nicht unwahrſcheinlich mit der beruͤhmten Feſtung Schaduman Hiſſar zuſammengeſtellt werden koͤnne, habe ich in der Abhandlung „Alexanders Zuͤge in Turan“, im Rheiniſchen Muſeum 1833. Heft 1. zu erweiſen geſucht.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/357>, abgerufen am 28.11.2024.