Ende zu machen und sich der Gnade Alexanders zu unterwerfen. Spitamenes aber, voll Argwohn, daß sie seiner satt sei, daß sie mit ihrer Schönheit den verhaßten Macedonier zu fesseln hoffe, stieß sie mit dem Fuß hinweg; sie ging, sie bewältigte das Geführ des tiefgekränkten Stolzes, sie kehrte um die Stunde der Dämme- rung zurück und nahte dem Gemahl mit süßem Bitten und Schmei- cheln; und ihre Thränen rührten den Fürsten, er zog sie zu sich nieder auf den Teppich, um in ihren Armen, im Rausch der Liebe und des Weins, seine Sorge zu ertränken; um Mitternacht, da er schlief, ergriff das stolze Weib ihres Herren Säbel und trennte sein Haupt vom Rumpf; dann schlich sie zu ihren Kindern und floh mit ihnen zu Alexander. Der aber, heißt es, habe sich mit Ab- scheu von der Mörderin gewandt, und sie in die Einöde verwiesen 75). Nach anderen Berichten 76) waren es die Scythen selbst, die, vom Ale- xander verfolgt, dem Spitamenes den Kopf abschnitten und ihn an den König sandten, um ihn von sich abzuwenden 77).
Der Tod dieses eben so kühnen wie verbrecherischen Mannes machte der letzten Besorgniß ein Ende, und verhieß dem Sogdi[a-] nischen Lande endlich die Ruhe, deren es nur bedurfte, um selb[st] nach so vielen Kämpfen und Zerrüttungen bald den alten Woh[l-] stand und den Ruhm eines Gartens des Orients wieder zu gewinn[en.] Der Winter war herangekommen, der letzte, den Alexander im Sogdianerland zuzubringen gedachte; die verschiedenen Heeresabthei- lungen sammelten sich um Nautaka, die Winterquartiere zu beziehen. Dorthin kamen die Satrapen der nächstgelegenen Landschaften, Phrataphernes von Parthien und Stasanor von Arien, die im ver- gangenen Winter bei ihrer Anwesenheit in Zariaspa verschiede[ne,] wahrscheinlich auf das Heerwesen bezügliche Aufträge erhalten hat- ten. Phrataphernes wurde darauf zurückgesandt, um den Sat[ra-] pen der Mardier und Tapurier, Autophradates, der Alexanders Befehle auf eine gefahrliche Weise zu misachten begann, festzuneh- men. Auch Stasanor ging in seine Lande zurück. Nach Med[ien] wurde Atropates mit dem Befehle gesandt, den Satrapen Oxyda[tes]
75)Curt. VIII. 3. 14.
76)Arrian. IV. 17. 10.
77) Es ist zu bemerken, daß vier Jahre später eine Tochter des Spita[me-] nes an Seleukus vermählt wurde.
Ende zu machen und ſich der Gnade Alexanders zu unterwerfen. Spitamenes aber, voll Argwohn, daß ſie ſeiner ſatt ſei, daß ſie mit ihrer Schoͤnheit den verhaßten Macedonier zu feſſeln hoffe, ſtieß ſie mit dem Fuß hinweg; ſie ging, ſie bewaͤltigte das Gefuͤhr des tiefgekraͤnkten Stolzes, ſie kehrte um die Stunde der Daͤmme- rung zuruͤck und nahte dem Gemahl mit ſuͤßem Bitten und Schmei- cheln; und ihre Thraͤnen ruͤhrten den Fuͤrſten, er zog ſie zu ſich nieder auf den Teppich, um in ihren Armen, im Rauſch der Liebe und des Weins, ſeine Sorge zu ertraͤnken; um Mitternacht, da er ſchlief, ergriff das ſtolze Weib ihres Herren Saͤbel und trennte ſein Haupt vom Rumpf; dann ſchlich ſie zu ihren Kindern und floh mit ihnen zu Alexander. Der aber, heißt es, habe ſich mit Ab- ſcheu von der Moͤrderin gewandt, und ſie in die Einoͤde verwieſen 75). Nach anderen Berichten 76) waren es die Scythen ſelbſt, die, vom Ale- xander verfolgt, dem Spitamenes den Kopf abſchnitten und ihn an den Koͤnig ſandten, um ihn von ſich abzuwenden 77).
Der Tod dieſes eben ſo kuͤhnen wie verbrecheriſchen Mannes machte der letzten Beſorgniß ein Ende, und verhieß dem Sogdi[a-] niſchen Lande endlich die Ruhe, deren es nur bedurfte, um ſelb[ſt] nach ſo vielen Kaͤmpfen und Zerruͤttungen bald den alten Woh[l-] ſtand und den Ruhm eines Gartens des Orients wieder zu gewinn[en.] Der Winter war herangekommen, der letzte, den Alexander im Sogdianerland zuzubringen gedachte; die verſchiedenen Heeresabthei- lungen ſammelten ſich um Nautaka, die Winterquartiere zu beziehen. Dorthin kamen die Satrapen der naͤchſtgelegenen Landſchaften, Phrataphernes von Parthien und Staſanor von Arien, die im ver- gangenen Winter bei ihrer Anweſenheit in Zariaspa verſchiede[ne,] wahrſcheinlich auf das Heerweſen bezuͤgliche Auftraͤge erhalten hat- ten. Phrataphernes wurde darauf zuruͤckgeſandt, um den Sat[ra-] pen der Mardier und Tapurier, Autophradates, der Alexanders Befehle auf eine gefahrliche Weiſe zu misachten begann, feſtzuneh- men. Auch Staſanor ging in ſeine Lande zuruͤck. Nach Med[ien] wurde Atropates mit dem Befehle geſandt, den Satrapen Oxyda[tes]
75)Curt. VIII. 3. 14.
76)Arrian. IV. 17. 10.
77) Es iſt zu bemerken, daß vier Jahre ſpaͤter eine Tochter des Spita[me-] nes an Seleukus vermaͤhlt wurde.
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[342/0356]
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ſtieß ſie mit dem Fuß hinweg; ſie ging, ſie bewaͤltigte das Gefuͤhr
des tiefgekraͤnkten Stolzes, ſie kehrte um die Stunde der Daͤmme-
rung zuruͤck und nahte dem Gemahl mit ſuͤßem Bitten und Schmei-
cheln; und ihre Thraͤnen ruͤhrten den Fuͤrſten, er zog ſie zu ſich
nieder auf den Teppich, um in ihren Armen, im Rauſch der Liebe
und des Weins, ſeine Sorge zu ertraͤnken; um Mitternacht, da er
ſchlief, ergriff das ſtolze Weib ihres Herren Saͤbel und trennte ſein
Haupt vom Rumpf; dann ſchlich ſie zu ihren Kindern und floh
mit ihnen zu Alexander. Der aber, heißt es, habe ſich mit Ab-
ſcheu von der Moͤrderin gewandt, und ſie in die Einoͤde verwieſen 75).
Nach anderen Berichten 76) waren es die Scythen ſelbſt, die, vom Ale-
xander verfolgt, dem Spitamenes den Kopf abſchnitten und ihn an
den Koͤnig ſandten, um ihn von ſich abzuwenden 77).
Der Tod dieſes eben ſo kuͤhnen wie verbrecheriſchen Mannes
machte der letzten Beſorgniß ein Ende, und verhieß dem Sogdia-
niſchen Lande endlich die Ruhe, deren es nur bedurfte, um ſelbſt
nach ſo vielen Kaͤmpfen und Zerruͤttungen bald den alten Wohl-
ſtand und den Ruhm eines Gartens des Orients wieder zu gewinnen.
Der Winter war herangekommen, der letzte, den Alexander im
Sogdianerland zuzubringen gedachte; die verſchiedenen Heeresabthei-
lungen ſammelten ſich um Nautaka, die Winterquartiere zu beziehen.
Dorthin kamen die Satrapen der naͤchſtgelegenen Landſchaften,
Phrataphernes von Parthien und Staſanor von Arien, die im ver-
gangenen Winter bei ihrer Anweſenheit in Zariaspa verſchiedene,
wahrſcheinlich auf das Heerweſen bezuͤgliche Auftraͤge erhalten hat-
ten. Phrataphernes wurde darauf zuruͤckgeſandt, um den Satra-
pen der Mardier und Tapurier, Autophradates, der Alexanders
Befehle auf eine gefahrliche Weiſe zu misachten begann, feſtzuneh-
men. Auch Staſanor ging in ſeine Lande zuruͤck. Nach Medien
wurde Atropates mit dem Befehle geſandt, den Satrapen Oxydates
75) Curt. VIII. 3. 14.
76) Arrian. IV. 17. 10.
77) Es
iſt zu bemerken, daß vier Jahre ſpaͤter eine Tochter des Spitame-
nes an Seleukus vermaͤhlt wurde.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/356>, abgerufen am 28.11.2024.
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