Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

in der Steppe heimisch sind, vermehren konnte. Er rückte den
Macedoniern auf der Grenze der Steppe entgegen; ohne einen
förmlichen Angriff auf sie zu machen oder von ihnen zu erwarten,
begann er die geschlossenen Reihen des Macedonischen Fußvolks zu
umschwärmen und aus der Ferne zu beschießen, der Macedonischen
Reuterei, wenn sie auf ihn losrückte, zu entfliehen und sie durch wilde
Flucht zu ermüden, an immer anderen und anderen Punkten seine
Angriffe zu erneuen; die Macedonischen Pferde waren durch Märsche
und durch Mangel an Futter erschöpft, viele von den Leuten lagen
schon todt oder verwundet auf dem Platze; Pharnuches forderte,
die drei Generale sollten den Oberbefehl übernehmen, da er nicht
Soldat und mehr zum Unterhandeln als zum Kämpfen gesendet sei;
die Generale weigerten sich die Verantwortlichkeit für eine Expedi-
tion zu übernehmen, die schon so gut als misglückt war; man be-
gann, sich von dem freien Felde zum Strome zurückzuziehen, um
dort unter dem Schutz eines Gehölzes den Feinden Widerstand
zu leisten; aber der Mangel an Einheit im Befehl vereitelte die
letzte Rettung; Karanus, an den Fluß angekommen, ging an der
Spitze seiner Reuter hinüber; das Fußvolk, in dem Wahne, daß
Alles verloren sei, stürzte sich in wilder Hast nach, um das jensei-
tige Ufer zu erreichen. Kaum gewahrten dieß die Barbaren, so
sprengten sie von allen Seiten heran, gingen oberhalb und un-
terhalb über den Fluß, und von allen Seiten umzingelnd, von
hinten nachdringend, von den Flanken her einhauend, die an das
Ufer Steigenden zurückdrängend, ohne den geringsten Widerstand zu
finden, trieben sie die Macedonier auf einen Werder im Flusse zu-
sammen, wo die Barbaren von den beiden Ufern her den Rest der
Truppen mit Pfeilen durchbohrten. Wenige waren gefangen, auch
diese wurden ermordet; die Meisten, unter ihnen die Generale, wa-
ren gefallen; nur vierzig Reuter und drei hundert Mann vom Fuß-
volk hatten sich gerettet 53). Spitamenes selbst rückte sofort mit

53) Die Erzählung ist nach Ptolemäus, dessen Bericht sich durch
Aristobuls Notizen ergänzt. Curtius Angaben differiren in wesent-
lichen Punkten; nach ihm wäre dem Spitamenes und Catanes die
Dämpfung des Sogdianischen Aufstandes übertragen worden. Aus
dem Gehölz am Strome, in welchem nach Aristobulus Spitamenes

in der Steppe heimiſch ſind, vermehren konnte. Er ruͤckte den
Macedoniern auf der Grenze der Steppe entgegen; ohne einen
foͤrmlichen Angriff auf ſie zu machen oder von ihnen zu erwarten,
begann er die geſchloſſenen Reihen des Macedoniſchen Fußvolks zu
umſchwaͤrmen und aus der Ferne zu beſchießen, der Macedoniſchen
Reuterei, wenn ſie auf ihn losruͤckte, zu entfliehen und ſie durch wilde
Flucht zu ermuͤden, an immer anderen und anderen Punkten ſeine
Angriffe zu erneuen; die Macedoniſchen Pferde waren durch Maͤrſche
und durch Mangel an Futter erſchoͤpft, viele von den Leuten lagen
ſchon todt oder verwundet auf dem Platze; Pharnuches forderte,
die drei Generale ſollten den Oberbefehl uͤbernehmen, da er nicht
Soldat und mehr zum Unterhandeln als zum Kaͤmpfen geſendet ſei;
die Generale weigerten ſich die Verantwortlichkeit fuͤr eine Expedi-
tion zu uͤbernehmen, die ſchon ſo gut als misgluͤckt war; man be-
gann, ſich von dem freien Felde zum Strome zuruͤckzuziehen, um
dort unter dem Schutz eines Gehoͤlzes den Feinden Widerſtand
zu leiſten; aber der Mangel an Einheit im Befehl vereitelte die
letzte Rettung; Karanus, an den Fluß angekommen, ging an der
Spitze ſeiner Reuter hinuͤber; das Fußvolk, in dem Wahne, daß
Alles verloren ſei, ſtuͤrzte ſich in wilder Haſt nach, um das jenſei-
tige Ufer zu erreichen. Kaum gewahrten dieß die Barbaren, ſo
ſprengten ſie von allen Seiten heran, gingen oberhalb und un-
terhalb uͤber den Fluß, und von allen Seiten umzingelnd, von
hinten nachdringend, von den Flanken her einhauend, die an das
Ufer Steigenden zuruͤckdraͤngend, ohne den geringſten Widerſtand zu
finden, trieben ſie die Macedonier auf einen Werder im Fluſſe zu-
ſammen, wo die Barbaren von den beiden Ufern her den Reſt der
Truppen mit Pfeilen durchbohrten. Wenige waren gefangen, auch
dieſe wurden ermordet; die Meiſten, unter ihnen die Generale, wa-
ren gefallen; nur vierzig Reuter und drei hundert Mann vom Fuß-
volk hatten ſich gerettet 53). Spitamenes ſelbſt ruͤckte ſofort mit

53) Die Erzaͤhlung iſt nach Ptolemaͤus, deſſen Bericht ſich durch
Ariſtobuls Notizen ergaͤnzt. Curtius Angaben differiren in weſent-
lichen Punkten; nach ihm waͤre dem Spitamenes und Catanes die
Daͤmpfung des Sogdianiſchen Aufſtandes uͤbertragen worden. Aus
dem Gehoͤlz am Strome, in welchem nach Ariſtobulus Spitamenes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0336" n="322"/>
in der Steppe heimi&#x017F;ch &#x017F;ind, vermehren konnte. Er ru&#x0364;ckte den<lb/>
Macedoniern auf der Grenze der Steppe entgegen; ohne einen<lb/>
fo&#x0364;rmlichen Angriff auf &#x017F;ie zu machen oder von ihnen zu erwarten,<lb/>
begann er die ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Reihen des Macedoni&#x017F;chen Fußvolks zu<lb/>
um&#x017F;chwa&#x0364;rmen und aus der Ferne zu be&#x017F;chießen, der Macedoni&#x017F;chen<lb/>
Reuterei, wenn &#x017F;ie auf ihn losru&#x0364;ckte, zu entfliehen und &#x017F;ie durch wilde<lb/>
Flucht zu ermu&#x0364;den, an immer anderen und anderen Punkten &#x017F;eine<lb/>
Angriffe zu erneuen; die Macedoni&#x017F;chen Pferde waren durch Ma&#x0364;r&#x017F;che<lb/>
und durch Mangel an Futter <choice><sic>erfcho&#x0364;pft</sic><corr>er&#x017F;cho&#x0364;pft</corr></choice>, viele von den Leuten lagen<lb/>
&#x017F;chon todt oder verwundet auf dem Platze; Pharnuches forderte,<lb/>
die drei Generale &#x017F;ollten den Oberbefehl u&#x0364;bernehmen, da er nicht<lb/>
Soldat und mehr zum Unterhandeln als zum Ka&#x0364;mpfen ge&#x017F;endet &#x017F;ei;<lb/>
die Generale weigerten &#x017F;ich die Verantwortlichkeit fu&#x0364;r eine Expedi-<lb/>
tion zu u&#x0364;bernehmen, die &#x017F;chon &#x017F;o gut als misglu&#x0364;ckt war; man be-<lb/>
gann, &#x017F;ich von dem freien Felde zum Strome zuru&#x0364;ckzuziehen, um<lb/>
dort unter dem Schutz eines Geho&#x0364;lzes den Feinden Wider&#x017F;tand<lb/>
zu lei&#x017F;ten; aber der Mangel an Einheit im Befehl vereitelte die<lb/>
letzte Rettung; Karanus, an den Fluß angekommen, ging an der<lb/>
Spitze &#x017F;einer Reuter hinu&#x0364;ber; das Fußvolk, in dem Wahne, daß<lb/>
Alles verloren &#x017F;ei, &#x017F;tu&#x0364;rzte &#x017F;ich in wilder Ha&#x017F;t nach, um das jen&#x017F;ei-<lb/>
tige Ufer zu erreichen. Kaum gewahrten dieß die Barbaren, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;prengten &#x017F;ie von allen Seiten heran, gingen oberhalb und un-<lb/>
terhalb u&#x0364;ber den Fluß, und von allen Seiten umzingelnd, von<lb/>
hinten nachdringend, von den Flanken her einhauend, die an das<lb/>
Ufer Steigenden zuru&#x0364;ckdra&#x0364;ngend, ohne den gering&#x017F;ten Wider&#x017F;tand zu<lb/>
finden, trieben &#x017F;ie die Macedonier auf einen Werder im Flu&#x017F;&#x017F;e zu-<lb/>
&#x017F;ammen, wo die Barbaren von den beiden Ufern her den Re&#x017F;t der<lb/>
Truppen mit Pfeilen durchbohrten. Wenige waren gefangen, auch<lb/>
die&#x017F;e wurden ermordet; die Mei&#x017F;ten, unter ihnen die Generale, wa-<lb/>
ren gefallen; nur vierzig Reuter und drei hundert Mann vom Fuß-<lb/>
volk hatten &#x017F;ich gerettet <note xml:id="note-0336" next="#note-0337" place="foot" n="53)">Die Erza&#x0364;hlung i&#x017F;t nach Ptolema&#x0364;us, de&#x017F;&#x017F;en Bericht &#x017F;ich durch<lb/>
Ari&#x017F;tobuls Notizen erga&#x0364;nzt. Curtius Angaben differiren in we&#x017F;ent-<lb/>
lichen Punkten; nach ihm wa&#x0364;re dem Spitamenes und Catanes die<lb/>
Da&#x0364;mpfung des Sogdiani&#x017F;chen Auf&#x017F;tandes u&#x0364;bertragen worden. Aus<lb/>
dem Geho&#x0364;lz am Strome, in welchem nach Ari&#x017F;tobulus Spitamenes</note>. Spitamenes &#x017F;elb&#x017F;t ru&#x0364;ckte &#x017F;ofort mit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0336] in der Steppe heimiſch ſind, vermehren konnte. Er ruͤckte den Macedoniern auf der Grenze der Steppe entgegen; ohne einen foͤrmlichen Angriff auf ſie zu machen oder von ihnen zu erwarten, begann er die geſchloſſenen Reihen des Macedoniſchen Fußvolks zu umſchwaͤrmen und aus der Ferne zu beſchießen, der Macedoniſchen Reuterei, wenn ſie auf ihn losruͤckte, zu entfliehen und ſie durch wilde Flucht zu ermuͤden, an immer anderen und anderen Punkten ſeine Angriffe zu erneuen; die Macedoniſchen Pferde waren durch Maͤrſche und durch Mangel an Futter erſchoͤpft, viele von den Leuten lagen ſchon todt oder verwundet auf dem Platze; Pharnuches forderte, die drei Generale ſollten den Oberbefehl uͤbernehmen, da er nicht Soldat und mehr zum Unterhandeln als zum Kaͤmpfen geſendet ſei; die Generale weigerten ſich die Verantwortlichkeit fuͤr eine Expedi- tion zu uͤbernehmen, die ſchon ſo gut als misgluͤckt war; man be- gann, ſich von dem freien Felde zum Strome zuruͤckzuziehen, um dort unter dem Schutz eines Gehoͤlzes den Feinden Widerſtand zu leiſten; aber der Mangel an Einheit im Befehl vereitelte die letzte Rettung; Karanus, an den Fluß angekommen, ging an der Spitze ſeiner Reuter hinuͤber; das Fußvolk, in dem Wahne, daß Alles verloren ſei, ſtuͤrzte ſich in wilder Haſt nach, um das jenſei- tige Ufer zu erreichen. Kaum gewahrten dieß die Barbaren, ſo ſprengten ſie von allen Seiten heran, gingen oberhalb und un- terhalb uͤber den Fluß, und von allen Seiten umzingelnd, von hinten nachdringend, von den Flanken her einhauend, die an das Ufer Steigenden zuruͤckdraͤngend, ohne den geringſten Widerſtand zu finden, trieben ſie die Macedonier auf einen Werder im Fluſſe zu- ſammen, wo die Barbaren von den beiden Ufern her den Reſt der Truppen mit Pfeilen durchbohrten. Wenige waren gefangen, auch dieſe wurden ermordet; die Meiſten, unter ihnen die Generale, wa- ren gefallen; nur vierzig Reuter und drei hundert Mann vom Fuß- volk hatten ſich gerettet 53). Spitamenes ſelbſt ruͤckte ſofort mit 53) Die Erzaͤhlung iſt nach Ptolemaͤus, deſſen Bericht ſich durch Ariſtobuls Notizen ergaͤnzt. Curtius Angaben differiren in weſent- lichen Punkten; nach ihm waͤre dem Spitamenes und Catanes die Daͤmpfung des Sogdianiſchen Aufſtandes uͤbertragen worden. Aus dem Gehoͤlz am Strome, in welchem nach Ariſtobulus Spitamenes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/336
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/336>, abgerufen am 26.11.2024.