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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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reichte die Stelle, wo Tages zuvor Spitamenes mit seinen Leuten
gestanden hatte. Hier erfuhr man, wie Ptolemäus selbst in seinen
Denkwürdigkeiten erzählte 35), daß Spitamenes und Dataphernes
in Beziehung auf Bessus Auslieferung nicht sicher waren; deshalb
befahl der General dem Fußvolk langsam nachzurücken, während er
selbst an der Spitze der Reuterei eiligst weiterzog und bald vor den
Mauern eines Fleckens stand, in dem sich Bessus, von Spitamenes
und den anderen Verschworenen verlassen, mit dem kleinen Rest sei-
ner Truppen befand; ihn mit eigner Hand auszuliefern hatten sich
die Fürsten geschämt. Ptolemäus ließ nun den Flecken umzingeln,
und die Einwohner durch einen Herold auffordern, sie möchten den
Bessus ausliefern, so werde er ihrer schonen. Man öffnete die
Thore, die Macedonier rückten ein, nahmen den Bessus fest, und
zogen in geschlossenen Colonnen zurück, mit ihrer Beute zu Alexan-
der zu stoßen; doch ließ Ptolemäus vorher anfragen, wie Alexander
befehle, daß der gefangene Königsmörder vor ihm erscheinen solle,
Alexander befahl, ihn nackt, ins Halseisen gebunden vorzuführen,
und ihn rechts an dem Wege, wo er mit dem Heere vorüberzie-
hen würde, aufzustellen. So geschah es; und als nun Alexander ihm
gegenüber war und seiner ansichtig wurde, ließ er seinen Wagen
halten und fragte ihn: warum er Darius, seinen König und
Herrn, seinen Verwandten und Wohlthäter festgenommen, gefan-
gen fortgeschleppt, endlich ermordet habe? Bessus antwortete: er
habe dies nicht auf seine Entscheidung allein gethan, sondern in
Uebereinstimmung mit Allen, die damals um Darius Person gewe-
sen seien, in der Hoffnung sich vor Alexander zu retten. Darauf
ließ ihn der König geißeln und durch einen Herold bekannt machen,
was er mit dem Königsmörder gesprochen; Macedonier und Bar-
baren priesen ihres Königs Gerechtigkeit und edlen Sinn. Bessus
aber ward dem Bruder des ermordeten Königs, dem Oxathres über-
geben und in Ketten nach Baktra abgeführt, um zu seiner Zeit ge-
richtet zu werden.

Etwas abweichend von Ptolemäus erzählt Aristobulus, daß

35) Nach Arrian. IV. 30. Curtius folgt der Erzählung des
Aristobulus.

reichte die Stelle, wo Tages zuvor Spitamenes mit ſeinen Leuten
geſtanden hatte. Hier erfuhr man, wie Ptolemaͤus ſelbſt in ſeinen
Denkwuͤrdigkeiten erzaͤhlte 35), daß Spitamenes und Dataphernes
in Beziehung auf Beſſus Auslieferung nicht ſicher waren; deshalb
befahl der General dem Fußvolk langſam nachzuruͤcken, waͤhrend er
ſelbſt an der Spitze der Reuterei eiligſt weiterzog und bald vor den
Mauern eines Fleckens ſtand, in dem ſich Beſſus, von Spitamenes
und den anderen Verſchworenen verlaſſen, mit dem kleinen Reſt ſei-
ner Truppen befand; ihn mit eigner Hand auszuliefern hatten ſich
die Fuͤrſten geſchaͤmt. Ptolemaͤus ließ nun den Flecken umzingeln,
und die Einwohner durch einen Herold auffordern, ſie moͤchten den
Beſſus ausliefern, ſo werde er ihrer ſchonen. Man oͤffnete die
Thore, die Macedonier ruͤckten ein, nahmen den Beſſus feſt, und
zogen in geſchloſſenen Colonnen zuruͤck, mit ihrer Beute zu Alexan-
der zu ſtoßen; doch ließ Ptolemaͤus vorher anfragen, wie Alexander
befehle, daß der gefangene Koͤnigsmoͤrder vor ihm erſcheinen ſolle,
Alexander befahl, ihn nackt, ins Halseiſen gebunden vorzufuͤhren,
und ihn rechts an dem Wege, wo er mit dem Heere voruͤberzie-
hen wuͤrde, aufzuſtellen. So geſchah es; und als nun Alexander ihm
gegenuͤber war und ſeiner anſichtig wurde, ließ er ſeinen Wagen
halten und fragte ihn: warum er Darius, ſeinen Koͤnig und
Herrn, ſeinen Verwandten und Wohlthaͤter feſtgenommen, gefan-
gen fortgeſchleppt, endlich ermordet habe? Beſſus antwortete: er
habe dies nicht auf ſeine Entſcheidung allein gethan, ſondern in
Uebereinſtimmung mit Allen, die damals um Darius Perſon gewe-
ſen ſeien, in der Hoffnung ſich vor Alexander zu retten. Darauf
ließ ihn der Koͤnig geißeln und durch einen Herold bekannt machen,
was er mit dem Koͤnigsmoͤrder geſprochen; Macedonier und Bar-
baren prieſen ihres Koͤnigs Gerechtigkeit und edlen Sinn. Beſſus
aber ward dem Bruder des ermordeten Koͤnigs, dem Oxathres uͤber-
geben und in Ketten nach Baktra abgefuͤhrt, um zu ſeiner Zeit ge-
richtet zu werden.

Etwas abweichend von Ptolemaͤus erzaͤhlt Ariſtobulus, daß

35) Nach Arrian. IV. 30. Curtius folgt der Erzaͤhlung des
Ariſtobulus.
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[308/0322] reichte die Stelle, wo Tages zuvor Spitamenes mit ſeinen Leuten geſtanden hatte. Hier erfuhr man, wie Ptolemaͤus ſelbſt in ſeinen Denkwuͤrdigkeiten erzaͤhlte 35), daß Spitamenes und Dataphernes in Beziehung auf Beſſus Auslieferung nicht ſicher waren; deshalb befahl der General dem Fußvolk langſam nachzuruͤcken, waͤhrend er ſelbſt an der Spitze der Reuterei eiligſt weiterzog und bald vor den Mauern eines Fleckens ſtand, in dem ſich Beſſus, von Spitamenes und den anderen Verſchworenen verlaſſen, mit dem kleinen Reſt ſei- ner Truppen befand; ihn mit eigner Hand auszuliefern hatten ſich die Fuͤrſten geſchaͤmt. Ptolemaͤus ließ nun den Flecken umzingeln, und die Einwohner durch einen Herold auffordern, ſie moͤchten den Beſſus ausliefern, ſo werde er ihrer ſchonen. Man oͤffnete die Thore, die Macedonier ruͤckten ein, nahmen den Beſſus feſt, und zogen in geſchloſſenen Colonnen zuruͤck, mit ihrer Beute zu Alexan- der zu ſtoßen; doch ließ Ptolemaͤus vorher anfragen, wie Alexander befehle, daß der gefangene Koͤnigsmoͤrder vor ihm erſcheinen ſolle, Alexander befahl, ihn nackt, ins Halseiſen gebunden vorzufuͤhren, und ihn rechts an dem Wege, wo er mit dem Heere voruͤberzie- hen wuͤrde, aufzuſtellen. So geſchah es; und als nun Alexander ihm gegenuͤber war und ſeiner anſichtig wurde, ließ er ſeinen Wagen halten und fragte ihn: warum er Darius, ſeinen Koͤnig und Herrn, ſeinen Verwandten und Wohlthaͤter feſtgenommen, gefan- gen fortgeſchleppt, endlich ermordet habe? Beſſus antwortete: er habe dies nicht auf ſeine Entſcheidung allein gethan, ſondern in Uebereinſtimmung mit Allen, die damals um Darius Perſon gewe- ſen ſeien, in der Hoffnung ſich vor Alexander zu retten. Darauf ließ ihn der Koͤnig geißeln und durch einen Herold bekannt machen, was er mit dem Koͤnigsmoͤrder geſprochen; Macedonier und Bar- baren prieſen ihres Koͤnigs Gerechtigkeit und edlen Sinn. Beſſus aber ward dem Bruder des ermordeten Koͤnigs, dem Oxathres uͤber- geben und in Ketten nach Baktra abgefuͤhrt, um zu ſeiner Zeit ge- richtet zu werden. Etwas abweichend von Ptolemaͤus erzaͤhlt Ariſtobulus, daß 35) Nach Arrian. IV. 30. Curtius folgt der Erzaͤhlung des Ariſtobulus.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/322>, abgerufen am 25.11.2024.