So war mit dem Frühlinge des Jahres 329 alles bereit, die Unterwerfung des Transoxianischen Landes zu beginnen. Die ei- genthümlichen Verhältnisse desselben hätten, gehörig benutzt, einen langen und vielleicht glücklichen Widerstand möglich gemacht; das schöne, reichbevölkerte Thalland von Marakanda, im Westen durch weite Wüsten, im Osten durch Gebirge mit höchst schwierigen Paß- gegenden geschützt, war nicht bloß leicht gegen jeden Angriff zu vertheidigen, sondern überdieß zu steter Beunruhigung Ariens, Par- thiens und Hyrkaniens günstig gelegen; leicht konnten bedeutende Kriegsheere aus dem tapferen Volke der Sogdianer zusammenge- bracht werden; die Daischen und Massagetischen Schwärme in den westlichen Wüsten, die Scythischen Horden jenseit des Jaxartes waren stets zu Raubzügen geneigt; selbst Indische Fürsten hatten sich bereit erklärt, an einem Kriege gegen Alexander Antheil zu neh- men. Im Falle, daß die Macedonier siegten, boten die Wüsten im Westen, die Felsburgen des obern Landes sichere Zuflucht und Aus- gangspunkte zu neuen Unternehmungen; es kam dazu, daß die vor- herrschende Bevölkerung von Sogdiana, gleich weit entfernt von der Rohheit der Iranischen Gebirgsvölker wie von der Verweich- lichung Babylons und Syriens, einen eigenthümlichen Sinn der Unabhängigkeit und Kühnheit bewahrt hatte, der selbst einem Feinde wie Alexander war, nach wiederholentlichen Siegen noch gefährlich werden konnte. Desto wichtiger war es für Alexander, sich der Person des Bessus zu bemächtigen, bevor seine Usurpation des kö- niglichen Namens zur Losung eines allgemeinen Aufstandes wurde. Er brach aus Baktra auf, um Bessus über den Oxus hin zu ver- folgen. Nach einem sehr mühseligen Marsche über die Einöde, die das Fruchtgebiet um Baktra von dem Strome trennt 32), er- reichte das Heer das Ufer des mächtigen und reißenden Stromes. Nirgend waren Kähne zum Uebersetzen; Bessus hatte sie auf sei-
32) Nach Curtius Beschreibung muß man diese Gegend für Wüste halten und dieß wird durch Arrians Angabe, daß auf diesem Wege viele Thiere erlagen, bestätigt; dessen ungeachtet ist es sicher, daß der Fluß von Baktra (Dehas) damals so gut, wie zu Schach Nadirs Zeit, sich in den Oxus ergoß und keinesweges in der Steppe versandete. Cf. Plin. VI. 17.
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So war mit dem Fruͤhlinge des Jahres 329 alles bereit, die Unterwerfung des Transoxianiſchen Landes zu beginnen. Die ei- genthuͤmlichen Verhaͤltniſſe deſſelben haͤtten, gehoͤrig benutzt, einen langen und vielleicht gluͤcklichen Widerſtand moͤglich gemacht; das ſchoͤne, reichbevoͤlkerte Thalland von Marakanda, im Weſten durch weite Wuͤſten, im Oſten durch Gebirge mit hoͤchſt ſchwierigen Paß- gegenden geſchuͤtzt, war nicht bloß leicht gegen jeden Angriff zu vertheidigen, ſondern uͤberdieß zu ſteter Beunruhigung Ariens, Par- thiens und Hyrkaniens guͤnſtig gelegen; leicht konnten bedeutende Kriegsheere aus dem tapferen Volke der Sogdianer zuſammenge- bracht werden; die Daiſchen und Maſſagetiſchen Schwaͤrme in den weſtlichen Wuͤſten, die Scythiſchen Horden jenſeit des Jaxartes waren ſtets zu Raubzuͤgen geneigt; ſelbſt Indiſche Fuͤrſten hatten ſich bereit erklaͤrt, an einem Kriege gegen Alexander Antheil zu neh- men. Im Falle, daß die Macedonier ſiegten, boten die Wuͤſten im Weſten, die Felsburgen des obern Landes ſichere Zuflucht und Aus- gangspunkte zu neuen Unternehmungen; es kam dazu, daß die vor- herrſchende Bevoͤlkerung von Sogdiana, gleich weit entfernt von der Rohheit der Iraniſchen Gebirgsvoͤlker wie von der Verweich- lichung Babylons und Syriens, einen eigenthuͤmlichen Sinn der Unabhaͤngigkeit und Kuͤhnheit bewahrt hatte, der ſelbſt einem Feinde wie Alexander war, nach wiederholentlichen Siegen noch gefaͤhrlich werden konnte. Deſto wichtiger war es fuͤr Alexander, ſich der Perſon des Beſſus zu bemaͤchtigen, bevor ſeine Uſurpation des koͤ- niglichen Namens zur Loſung eines allgemeinen Aufſtandes wurde. Er brach aus Baktra auf, um Beſſus uͤber den Oxus hin zu ver- folgen. Nach einem ſehr muͤhſeligen Marſche uͤber die Einoͤde, die das Fruchtgebiet um Baktra von dem Strome trennt 32), er- reichte das Heer das Ufer des maͤchtigen und reißenden Stromes. Nirgend waren Kaͤhne zum Ueberſetzen; Beſſus hatte ſie auf ſei-
32) Nach Curtius Beſchreibung muß man dieſe Gegend fuͤr Wuͤſte halten und dieß wird durch Arrians Angabe, daß auf dieſem Wege viele Thiere erlagen, beſtaͤtigt; deſſen ungeachtet iſt es ſicher, daß der Fluß von Baktra (Dehas) damals ſo gut, wie zu Schach Nadirs Zeit, ſich in den Oxus ergoß und keinesweges in der Steppe verſandete. Cf. Plin. VI. 17.
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So war mit dem Fruͤhlinge des Jahres 329 alles bereit, die
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langen und vielleicht gluͤcklichen Widerſtand moͤglich gemacht; das
ſchoͤne, reichbevoͤlkerte Thalland von Marakanda, im Weſten durch
weite Wuͤſten, im Oſten durch Gebirge mit hoͤchſt ſchwierigen Paß-
gegenden geſchuͤtzt, war nicht bloß leicht gegen jeden Angriff zu
vertheidigen, ſondern uͤberdieß zu ſteter Beunruhigung Ariens, Par-
thiens und Hyrkaniens guͤnſtig gelegen; leicht konnten bedeutende
Kriegsheere aus dem tapferen Volke der Sogdianer zuſammenge-
bracht werden; die Daiſchen und Maſſagetiſchen Schwaͤrme in den
weſtlichen Wuͤſten, die Scythiſchen Horden jenſeit des Jaxartes
waren ſtets zu Raubzuͤgen geneigt; ſelbſt Indiſche Fuͤrſten hatten
ſich bereit erklaͤrt, an einem Kriege gegen Alexander Antheil zu neh-
men. Im Falle, daß die Macedonier ſiegten, boten die Wuͤſten im
Weſten, die Felsburgen des obern Landes ſichere Zuflucht und Aus-
gangspunkte zu neuen Unternehmungen; es kam dazu, daß die vor-
herrſchende Bevoͤlkerung von Sogdiana, gleich weit entfernt von
der Rohheit der Iraniſchen Gebirgsvoͤlker wie von der Verweich-
lichung Babylons und Syriens, einen eigenthuͤmlichen Sinn der
Unabhaͤngigkeit und Kuͤhnheit bewahrt hatte, der ſelbſt einem Feinde
wie Alexander war, nach wiederholentlichen Siegen noch gefaͤhrlich
werden konnte. Deſto wichtiger war es fuͤr Alexander, ſich der
Perſon des Beſſus zu bemaͤchtigen, bevor ſeine Uſurpation des koͤ-
niglichen Namens zur Loſung eines allgemeinen Aufſtandes wurde.
Er brach aus Baktra auf, um Beſſus uͤber den Oxus hin zu ver-
folgen. Nach einem ſehr muͤhſeligen Marſche uͤber die Einoͤde,
die das Fruchtgebiet um Baktra von dem Strome trennt 32), er-
reichte das Heer das Ufer des maͤchtigen und reißenden Stromes.
Nirgend waren Kaͤhne zum Ueberſetzen; Beſſus hatte ſie auf ſei-
32) Nach Curtius Beſchreibung muß man dieſe Gegend fuͤr
Wuͤſte halten und dieß wird durch Arrians Angabe, daß auf dieſem
Wege viele Thiere erlagen, beſtaͤtigt; deſſen ungeachtet iſt es ſicher,
daß der Fluß von Baktra (Dehas) damals ſo gut, wie zu Schach
Nadirs Zeit, ſich in den Oxus ergoß und keinesweges in der Steppe
verſandete. Cf. Plin. VI. 17.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/319>, abgerufen am 24.11.2024.
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