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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Zahl der Getreuen die Feldhauptmannschaft dieses wichtigen Landes.
Sobald nun die Tage der strengsten Kälte vorüber waren, brach
Alexander, nach feierlichen Opfern und Wettkämpfen in Hellenischer
Weise, aus der Winterrast auf, um das erste Beispiel eines Gebirgs-
überganges zu geben, mit dessen staunenswürdiger Kühnheit nur
die ähnlichen Wagnisse Hannibals und Napoleons zu wetteifern ver-
mögen. Die Verhältnisse, unter denen Alexander den Marsch unter-
nehmen mußte, erschwerten denselben bedeutend; noch war das Ge-
birge mit Schnee bedeckt, die Luft kalt, die Wege beschwerlich; zwar
fand man zahlreiche Dorfschaften und die Einwohner friedlich und
bereitwillig zu geben, was sie hatten, aber sie hatten nichts als ihre
Heerden; die Berge, ohne Waldung und nur hie und da mit Ter-
penthinbüschen bewachsen, boten keine Feuerung dar; ohne Brot und
ungekocht wurde das Fleisch genossen, nur gewürzt mit dem Sil-
phion, das in den Bergen wächst. So zog man vierzehn Tage lang
über Bergstraßen; je näher man den Nordabhängen kam, desto
drückender wurde der Mangel, man fand die Gegenden verwüstet
und verödet, die Ortschaften niedergebrannt, die Heerden fortgetrie-
ben; man war genöthigt sich von Wurzeln zu nähren und das Zug-
vieh der Bagage zu schlachten. So von Allem entblößt, von der
Witterung und dem Hunger gequält, mit Verlust der meisten Pferde
und Kameele, im traurigsten Aufzuge, erreichte das Heer endlich am
funfzehnten Tage die erste Baktrische Stadt Drapsaka oder
Adrapsa 29).

29) Strabo XV. p. 312. Curt. V. 4. 25. Aelian. V. II. XII. 37.
Arrian. III.
28. Wenn Aelian. l. c. angiebt, daß auf diesem Zuge "in
Baktriana" der Schnee so tief gelegen, daß man die Dörfer nur an
dem aufsteigenden Rauch erkannt habe, und die Eingänge aufzugraben
genöthigt gewesen sei, so bezieht sich das nach Curt. VII. 3. 16. auf den
Zug durch das Plateau von Ghizni. Die neusten Berichte von die-
sem Bergwege über Bamian sind die von Burnes (Asiat. Jour. 1833.
Feb. p.
163), er sagt: "wir zogen vier Tage (es war im May) unter
Steilklippen und Felswänden hin, welche die Sonne vor unserem Ge-
sichte verbargen und sich über uns zu einer perpendikulären Höhe von
zweitausend bis dreitausend Fuß erhoben; mir ist die Nase hier erfro-
ren und vor den Schneefeldern das Auge fast erblindet; wir konnten
nur des Morgens weiter, wo der Schnee überfroren war; diese Ge-

Zahl der Getreuen die Feldhauptmannſchaft dieſes wichtigen Landes.
Sobald nun die Tage der ſtrengſten Kälte vorüber waren, brach
Alexander, nach feierlichen Opfern und Wettkämpfen in Helleniſcher
Weiſe, aus der Winterraſt auf, um das erſte Beiſpiel eines Gebirgs-
überganges zu geben, mit deſſen ſtaunenswürdiger Kühnheit nur
die ähnlichen Wagniſſe Hannibals und Napoleons zu wetteifern ver-
mögen. Die Verhältniſſe, unter denen Alexander den Marſch unter-
nehmen mußte, erſchwerten denſelben bedeutend; noch war das Ge-
birge mit Schnee bedeckt, die Luft kalt, die Wege beſchwerlich; zwar
fand man zahlreiche Dorfſchaften und die Einwohner friedlich und
bereitwillig zu geben, was ſie hatten, aber ſie hatten nichts als ihre
Heerden; die Berge, ohne Waldung und nur hie und da mit Ter-
penthinbüſchen bewachſen, boten keine Feuerung dar; ohne Brot und
ungekocht wurde das Fleiſch genoſſen, nur gewürzt mit dem Sil-
phion, das in den Bergen wächſt. So zog man vierzehn Tage lang
über Bergſtraßen; je näher man den Nordabhängen kam, deſto
drückender wurde der Mangel, man fand die Gegenden verwüſtet
und verödet, die Ortſchaften niedergebrannt, die Heerden fortgetrie-
ben; man war genöthigt ſich von Wurzeln zu nähren und das Zug-
vieh der Bagage zu ſchlachten. So von Allem entblößt, von der
Witterung und dem Hunger gequält, mit Verluſt der meiſten Pferde
und Kameele, im traurigſten Aufzuge, erreichte das Heer endlich am
funfzehnten Tage die erſte Baktriſche Stadt Drapſaka oder
Adrapſa 29).

29) Strabo XV. p. 312. Curt. V. 4. 25. Aelian. V. II. XII. 37.
Arrian. III.
28. Wenn Aelian. l. c. angiebt, daß auf dieſem Zuge „in
Baktriana“ der Schnee ſo tief gelegen, daß man die Dörfer nur an
dem aufſteigenden Rauch erkannt habe, und die Eingänge aufzugraben
genöthigt geweſen ſei, ſo bezieht ſich das nach Curt. VII. 3. 16. auf den
Zug durch das Plateau von Ghizni. Die neuſten Berichte von die-
ſem Bergwege über Bamian ſind die von Burnes (Asiat. Jour. 1833.
Feb. p.
163), er ſagt: „wir zogen vier Tage (es war im May) unter
Steilklippen und Felswänden hin, welche die Sonne vor unſerem Ge-
ſichte verbargen und ſich über uns zu einer perpendikulären Höhe von
zweitauſend bis dreitauſend Fuß erhoben; mir iſt die Naſe hier erfro-
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nur des Morgens weiter, wo der Schnee überfroren war; dieſe Ge-
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[303/0317] Zahl der Getreuen die Feldhauptmannſchaft dieſes wichtigen Landes. Sobald nun die Tage der ſtrengſten Kälte vorüber waren, brach Alexander, nach feierlichen Opfern und Wettkämpfen in Helleniſcher Weiſe, aus der Winterraſt auf, um das erſte Beiſpiel eines Gebirgs- überganges zu geben, mit deſſen ſtaunenswürdiger Kühnheit nur die ähnlichen Wagniſſe Hannibals und Napoleons zu wetteifern ver- mögen. Die Verhältniſſe, unter denen Alexander den Marſch unter- nehmen mußte, erſchwerten denſelben bedeutend; noch war das Ge- birge mit Schnee bedeckt, die Luft kalt, die Wege beſchwerlich; zwar fand man zahlreiche Dorfſchaften und die Einwohner friedlich und bereitwillig zu geben, was ſie hatten, aber ſie hatten nichts als ihre Heerden; die Berge, ohne Waldung und nur hie und da mit Ter- penthinbüſchen bewachſen, boten keine Feuerung dar; ohne Brot und ungekocht wurde das Fleiſch genoſſen, nur gewürzt mit dem Sil- phion, das in den Bergen wächſt. So zog man vierzehn Tage lang über Bergſtraßen; je näher man den Nordabhängen kam, deſto drückender wurde der Mangel, man fand die Gegenden verwüſtet und verödet, die Ortſchaften niedergebrannt, die Heerden fortgetrie- ben; man war genöthigt ſich von Wurzeln zu nähren und das Zug- vieh der Bagage zu ſchlachten. So von Allem entblößt, von der Witterung und dem Hunger gequält, mit Verluſt der meiſten Pferde und Kameele, im traurigſten Aufzuge, erreichte das Heer endlich am funfzehnten Tage die erſte Baktriſche Stadt Drapſaka oder Adrapſa 29). 29) Strabo XV. p. 312. Curt. V. 4. 25. Aelian. V. II. XII. 37. Arrian. III. 28. Wenn Aelian. l. c. angiebt, daß auf dieſem Zuge „in Baktriana“ der Schnee ſo tief gelegen, daß man die Dörfer nur an dem aufſteigenden Rauch erkannt habe, und die Eingänge aufzugraben genöthigt geweſen ſei, ſo bezieht ſich das nach Curt. VII. 3. 16. auf den Zug durch das Plateau von Ghizni. Die neuſten Berichte von die- ſem Bergwege über Bamian ſind die von Burnes (Asiat. Jour. 1833. Feb. p. 163), er ſagt: „wir zogen vier Tage (es war im May) unter Steilklippen und Felswänden hin, welche die Sonne vor unſerem Ge- ſichte verbargen und ſich über uns zu einer perpendikulären Höhe von zweitauſend bis dreitauſend Fuß erhoben; mir iſt die Naſe hier erfro- ren und vor den Schneefeldern das Auge faſt erblindet; wir konnten nur des Morgens weiter, wo der Schnee überfroren war; dieſe Ge-

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/317>, abgerufen am 24.11.2024.