deutige Freigebigkeit, seine zügellose Verschwendung, sein wahnsinni- ger Hochmuth hätten selbst den Vater besorgt gemacht und denselben zu der häufigen Warnung, sich nicht zu früh zu verrathen, veranlaßt; längst hätten sie nicht mehr dem Könige treulich gedient und die Schlacht von Gaugamela sei fast durch Parmenion verloren worden; seit Darius Tode aber seien ihre verrätherischen Pläne gereift, und während er fortgefahren, ihnen Alles anzuvertrauen, hätten sie den Tag seiner Ermordung bestimmt, die Mörder gedungen, den Umsturz alles Bestehenden vorbereitet. Mit der tiefsten Be- stürzung hatten die Macedonier dem Könige zugehört, und schon ergriff Könus einen Stein, um ihn auf Philotas zu schleudern und das Gericht nach Macedonischer Sitte zu beginnen; der König hielt ihn zurück: erst müsse Philotas sich vertheidigen; er selbst verließ die Versammlung, um nicht durch seine Gegenwart das Recht der Vertheidigung zu beeinträchtigen. Philotas läugnete die schweren Beschuldigungen des Königs, er verwies auf seine, seines Vaters, sei- ner Brüder treue Dienste, er gestand, die Anzeige des Cebalinus ver- schwiegen zu haben, um nicht als nutzloser und lästiger Warner zu er- scheinen, wie sein Vater Parmenion in Tarsus, als er vor der Arzenei des Akarnanischen Arztes gewarnt habe; aber Haß und Furcht foltere stets den Despoten, und das sei es ja, was sie Alle beklagten. Unter der heftigsten Aufregung entschieden die Macedonier, daß Phi- lotas und die übrigen Verschworenen des Todes schuldig seien; der König hob das Gericht bis zum folgenden Tage auf.
Noch fehlte das Geständniß des Philotas, das zugleich über die Schuld seines Vaters und der Mitverschworenen Licht verbreiten mußte; der König berief einen geheimen Rath; die meisten ver- langten das Todesurtheil sofort zu vollstrecken; Hephästion, Kraterus und Könus, des Verurtheilten Schwager, riethen, erst das Geständ- niß zu erzwingen; dafür entschied sich endlich die Stimmenmehrheit; die drei Generale erhielten den Auftrag, bei der Folter gegenwärtig zu sein; unter den Martern bekannte Philotas, daß er und sein Vater von Alexanders Ermordung gesprochen, daß sie dieselben bei Darius Lebzeiten nicht gewagt hätten, da sie dann nicht ihnen, son- dern dem Perser genützt hätte, daß er, Philotas, mit der Vollstrek- kung geeilt habe, ehe sein Vater durch den Tod, dem sein greises Leben nahe sei, dem gemeinschaftlichen Plane entrissen würde, daß
deutige Freigebigkeit, ſeine zügelloſe Verſchwendung, ſein wahnſinni- ger Hochmuth hätten ſelbſt den Vater beſorgt gemacht und denſelben zu der häufigen Warnung, ſich nicht zu früh zu verrathen, veranlaßt; längſt hätten ſie nicht mehr dem Könige treulich gedient und die Schlacht von Gaugamela ſei faſt durch Parmenion verloren worden; ſeit Darius Tode aber ſeien ihre verrätheriſchen Pläne gereift, und während er fortgefahren, ihnen Alles anzuvertrauen, hätten ſie den Tag ſeiner Ermordung beſtimmt, die Mörder gedungen, den Umſturz alles Beſtehenden vorbereitet. Mit der tiefſten Be- ſtürzung hatten die Macedonier dem Könige zugehört, und ſchon ergriff Könus einen Stein, um ihn auf Philotas zu ſchleudern und das Gericht nach Macedoniſcher Sitte zu beginnen; der König hielt ihn zurück: erſt müſſe Philotas ſich vertheidigen; er ſelbſt verließ die Verſammlung, um nicht durch ſeine Gegenwart das Recht der Vertheidigung zu beeinträchtigen. Philotas läugnete die ſchweren Beſchuldigungen des Königs, er verwies auf ſeine, ſeines Vaters, ſei- ner Brüder treue Dienſte, er geſtand, die Anzeige des Cebalinus ver- ſchwiegen zu haben, um nicht als nutzloſer und läſtiger Warner zu er- ſcheinen, wie ſein Vater Parmenion in Tarſus, als er vor der Arzenei des Akarnaniſchen Arztes gewarnt habe; aber Haß und Furcht foltere ſtets den Despoten, und das ſei es ja, was ſie Alle beklagten. Unter der heftigſten Aufregung entſchieden die Macedonier, daß Phi- lotas und die übrigen Verſchworenen des Todes ſchuldig ſeien; der König hob das Gericht bis zum folgenden Tage auf.
Noch fehlte das Geſtändniß des Philotas, das zugleich über die Schuld ſeines Vaters und der Mitverſchworenen Licht verbreiten mußte; der König berief einen geheimen Rath; die meiſten ver- langten das Todesurtheil ſofort zu vollſtrecken; Hephäſtion, Kraterus und Könus, des Verurtheilten Schwager, riethen, erſt das Geſtänd- niß zu erzwingen; dafür entſchied ſich endlich die Stimmenmehrheit; die drei Generale erhielten den Auftrag, bei der Folter gegenwärtig zu ſein; unter den Martern bekannte Philotas, daß er und ſein Vater von Alexanders Ermordung geſprochen, daß ſie dieſelben bei Darius Lebzeiten nicht gewagt hätten, da ſie dann nicht ihnen, ſon- dern dem Perſer genützt hätte, daß er, Philotas, mit der Vollſtrek- kung geeilt habe, ehe ſein Vater durch den Tod, dem ſein greiſes Leben nahe ſei, dem gemeinſchaftlichen Plane entriſſen würde, daß
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deutige Freigebigkeit, ſeine zügelloſe Verſchwendung, ſein wahnſinni-
ger Hochmuth hätten ſelbſt den Vater beſorgt gemacht und denſelben
zu der häufigen Warnung, ſich nicht zu früh zu verrathen, veranlaßt;
längſt hätten ſie nicht mehr dem Könige treulich gedient und die
Schlacht von Gaugamela ſei faſt durch Parmenion verloren worden;
ſeit Darius Tode aber ſeien ihre verrätheriſchen Pläne gereift, und
während er fortgefahren, ihnen Alles anzuvertrauen, hätten ſie
den Tag ſeiner Ermordung beſtimmt, die Mörder gedungen,
den Umſturz alles Beſtehenden vorbereitet. Mit der tiefſten Be-
ſtürzung hatten die Macedonier dem Könige zugehört, und ſchon
ergriff Könus einen Stein, um ihn auf Philotas zu ſchleudern und
das Gericht nach Macedoniſcher Sitte zu beginnen; der König hielt
ihn zurück: erſt müſſe Philotas ſich vertheidigen; er ſelbſt verließ
die Verſammlung, um nicht durch ſeine Gegenwart das Recht der
Vertheidigung zu beeinträchtigen. Philotas läugnete die ſchweren
Beſchuldigungen des Königs, er verwies auf ſeine, ſeines Vaters, ſei-
ner Brüder treue Dienſte, er geſtand, die Anzeige des Cebalinus ver-
ſchwiegen zu haben, um nicht als nutzloſer und läſtiger Warner zu er-
ſcheinen, wie ſein Vater Parmenion in Tarſus, als er vor der Arzenei
des Akarnaniſchen Arztes gewarnt habe; aber Haß und Furcht foltere
ſtets den Despoten, und das ſei es ja, was ſie Alle beklagten.
Unter der heftigſten Aufregung entſchieden die Macedonier, daß Phi-
lotas und die übrigen Verſchworenen des Todes ſchuldig ſeien; der
König hob das Gericht bis zum folgenden Tage auf.
Noch fehlte das Geſtändniß des Philotas, das zugleich über
die Schuld ſeines Vaters und der Mitverſchworenen Licht verbreiten
mußte; der König berief einen geheimen Rath; die meiſten ver-
langten das Todesurtheil ſofort zu vollſtrecken; Hephäſtion, Kraterus
und Könus, des Verurtheilten Schwager, riethen, erſt das Geſtänd-
niß zu erzwingen; dafür entſchied ſich endlich die Stimmenmehrheit;
die drei Generale erhielten den Auftrag, bei der Folter gegenwärtig
zu ſein; unter den Martern bekannte Philotas, daß er und ſein
Vater von Alexanders Ermordung geſprochen, daß ſie dieſelben bei
Darius Lebzeiten nicht gewagt hätten, da ſie dann nicht ihnen, ſon-
dern dem Perſer genützt hätte, daß er, Philotas, mit der Vollſtrek-
kung geeilt habe, ehe ſein Vater durch den Tod, dem ſein greiſes
Leben nahe ſei, dem gemeinſchaftlichen Plane entriſſen würde, daß
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/309>, abgerufen am 23.11.2024.
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