gesetzt und von dem, der ihnen Alles danke, undankbar behandelt; Jahre lang hätten sie kämpfen müssen, um jetzt die Frucht ihrer Siege in die Hände der Besiegten übergehen zu sehen; der König, der jetzt die Persischen Großen als ihres Gleichen behandele, werde sie selbst bald wie diese einstigen Sklaven des Perserkönigs behandeln; Alexander vergesse den Macedonier, man müsse auf seiner Hut sein. Der König kannte diese Stimmung vieler Generale, seine Mutter selbst hatte ihn wiederholentlich gewarnt, ihn beschworen, vorsichtig gegen die Großen zu sein, ihm Vorwürfe gemacht, daß er zu ver- traut und zu gnädig gegen diesen stolzen Adel Macedoniens sei, daß er mit überreicher Freigebigkeit aus Unterthanen Könige mache, ihnen Freunde und Anhang zu gewinnen Gelegenheit gebe, sich selbst sei- ner Freunde beraube 15). Alexander konnte sich nicht verhehlen, daß selbst unter seiner nächsten Umgebung Viele seine Schritte mit Mistrauen oder Misbilligung betrachteten; in Parmenion war er gewohnt einen steten Warner zu haben; von dessen Sohn Philotas wußte er, daß er seine Einrichtungen unverhohlen gemisbilligt, ja über seine Persönlichkeit sich auf die schonungsloseste Weise geäußert habe; er hielt es dem heftigen und finsteren Sinne des sonst tapfe- ren und im Dienst unermüdlichen Generales zu Gute; tiefer kränkte es ihn, daß selbst der edle Kraterus, den er vor Allen hoch achtete, nicht immer mit dem, was geschah, einverstanden war, und daß sogar Klitus, dem Alexander so Großes verdankte, sich mehr und mehr von ihm entfremdete. Immer deutlicher trat unter den Macedonischen Generalen bei Hofe und im Kriegsrath eine Spal- tung hervor, die, wenn auch für jetzt ohne bedeutende Folgen, doch schon nicht selten momentane Störungen veranlaßte; diejenigen, welche nicht im Sinne des Königs stimmten, wollten die Kriege beendet, das Heer aufgelöst, die Beute vertheilt sehen, sie wußten selbst in dem Heere das Verlangen nach der Heimath aufzuregen.
So steigerte sich von Tage zu Tage die Misstimmung; schon wurde mit Geschenken, mit Nachsicht und Vertrauen der König ihrer nicht mehr Herr. Es konnte und durfte nicht lange in dieser Weise fortgehen; und wenn sich Alexander von Kraterus, Klitus, Philo- tas, Parmenion und den anderen Edlen auch keiner That gewärtig
15)Plut. Alex. 39.
19 *
geſetzt und von dem, der ihnen Alles danke, undankbar behandelt; Jahre lang hätten ſie kämpfen müſſen, um jetzt die Frucht ihrer Siege in die Hände der Beſiegten übergehen zu ſehen; der König, der jetzt die Perſiſchen Großen als ihres Gleichen behandele, werde ſie ſelbſt bald wie dieſe einſtigen Sklaven des Perſerkönigs behandeln; Alexander vergeſſe den Macedonier, man müſſe auf ſeiner Hut ſein. Der König kannte dieſe Stimmung vieler Generale, ſeine Mutter ſelbſt hatte ihn wiederholentlich gewarnt, ihn beſchworen, vorſichtig gegen die Großen zu ſein, ihm Vorwürfe gemacht, daß er zu ver- traut und zu gnädig gegen dieſen ſtolzen Adel Macedoniens ſei, daß er mit überreicher Freigebigkeit aus Unterthanen Könige mache, ihnen Freunde und Anhang zu gewinnen Gelegenheit gebe, ſich ſelbſt ſei- ner Freunde beraube 15). Alexander konnte ſich nicht verhehlen, daß ſelbſt unter ſeiner nächſten Umgebung Viele ſeine Schritte mit Mistrauen oder Misbilligung betrachteten; in Parmenion war er gewohnt einen ſteten Warner zu haben; von deſſen Sohn Philotas wußte er, daß er ſeine Einrichtungen unverhohlen gemisbilligt, ja über ſeine Perſönlichkeit ſich auf die ſchonungsloſeſte Weiſe geäußert habe; er hielt es dem heftigen und finſteren Sinne des ſonſt tapfe- ren und im Dienſt unermüdlichen Generales zu Gute; tiefer kränkte es ihn, daß ſelbſt der edle Kraterus, den er vor Allen hoch achtete, nicht immer mit dem, was geſchah, einverſtanden war, und daß ſogar Klitus, dem Alexander ſo Großes verdankte, ſich mehr und mehr von ihm entfremdete. Immer deutlicher trat unter den Macedoniſchen Generalen bei Hofe und im Kriegsrath eine Spal- tung hervor, die, wenn auch für jetzt ohne bedeutende Folgen, doch ſchon nicht ſelten momentane Störungen veranlaßte; diejenigen, welche nicht im Sinne des Königs ſtimmten, wollten die Kriege beendet, das Heer aufgelöſt, die Beute vertheilt ſehen, ſie wußten ſelbſt in dem Heere das Verlangen nach der Heimath aufzuregen.
So ſteigerte ſich von Tage zu Tage die Misſtimmung; ſchon wurde mit Geſchenken, mit Nachſicht und Vertrauen der König ihrer nicht mehr Herr. Es konnte und durfte nicht lange in dieſer Weiſe fortgehen; und wenn ſich Alexander von Kraterus, Klitus, Philo- tas, Parmenion und den anderen Edlen auch keiner That gewärtig
15)Plut. Alex. 39.
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geſetzt und von dem, der ihnen Alles danke, undankbar behandelt;
Jahre lang hätten ſie kämpfen müſſen, um jetzt die Frucht ihrer
Siege in die Hände der Beſiegten übergehen zu ſehen; der König,
der jetzt die Perſiſchen Großen als ihres Gleichen behandele, werde
ſie ſelbſt bald wie dieſe einſtigen Sklaven des Perſerkönigs behandeln;
Alexander vergeſſe den Macedonier, man müſſe auf ſeiner Hut ſein.
Der König kannte dieſe Stimmung vieler Generale, ſeine Mutter
ſelbſt hatte ihn wiederholentlich gewarnt, ihn beſchworen, vorſichtig
gegen die Großen zu ſein, ihm Vorwürfe gemacht, daß er zu ver-
traut und zu gnädig gegen dieſen ſtolzen Adel Macedoniens ſei, daß
er mit überreicher Freigebigkeit aus Unterthanen Könige mache, ihnen
Freunde und Anhang zu gewinnen Gelegenheit gebe, ſich ſelbſt ſei-
ner Freunde beraube 15). Alexander konnte ſich nicht verhehlen,
daß ſelbſt unter ſeiner nächſten Umgebung Viele ſeine Schritte mit
Mistrauen oder Misbilligung betrachteten; in Parmenion war er
gewohnt einen ſteten Warner zu haben; von deſſen Sohn Philotas
wußte er, daß er ſeine Einrichtungen unverhohlen gemisbilligt, ja
über ſeine Perſönlichkeit ſich auf die ſchonungsloſeſte Weiſe geäußert
habe; er hielt es dem heftigen und finſteren Sinne des ſonſt tapfe-
ren und im Dienſt unermüdlichen Generales zu Gute; tiefer
kränkte es ihn, daß ſelbſt der edle Kraterus, den er vor Allen hoch
achtete, nicht immer mit dem, was geſchah, einverſtanden war,
und daß ſogar Klitus, dem Alexander ſo Großes verdankte, ſich mehr
und mehr von ihm entfremdete. Immer deutlicher trat unter den
Macedoniſchen Generalen bei Hofe und im Kriegsrath eine Spal-
tung hervor, die, wenn auch für jetzt ohne bedeutende Folgen, doch
ſchon nicht ſelten momentane Störungen veranlaßte; diejenigen, welche
nicht im Sinne des Königs ſtimmten, wollten die Kriege beendet, das
Heer aufgelöſt, die Beute vertheilt ſehen, ſie wußten ſelbſt in dem
Heere das Verlangen nach der Heimath aufzuregen.
So ſteigerte ſich von Tage zu Tage die Misſtimmung; ſchon
wurde mit Geſchenken, mit Nachſicht und Vertrauen der König
ihrer nicht mehr Herr. Es konnte und durfte nicht lange in dieſer
Weiſe fortgehen; und wenn ſich Alexander von Kraterus, Klitus, Philo-
tas, Parmenion und den anderen Edlen auch keiner That gewärtig
15) Plut. Alex. 39.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/305>, abgerufen am 23.11.2024.
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