Athen blieb ruhig, selbst Demosthenes schwieg wider seine Gewohn- heit; man freute sich der Standbilder der Befreier Harmodius und Aristogiton, die Alexander eben jetzt aus Susa der Stadt sandte. Desto eifriger war Agis; schon war ein Heer von mehr als zwanzig- tausend Mann Fußvolk und zweitausend Reutern bei einander88), es rückte gegen Megalopolis, die einzige Stadt Arkadiens, welche aus edler Dankbarkeit gegen das Macedonische Königshaus standhaft in der Treue blieb. Die Stadt wurde belagert; sie vertheidigte sich lange und tapfer, sie schien der Uebermacht doch endlich erliegen zu müssen, mit jedem Tage erwartete man ihren Fall; da kam die Nachricht, daß ein Macedonisches Heer über den Isthmus rücke. Denn Antipater hatte, sobald er von dem Aufruhr in Griechen- land erfuhr, mit Menon einen Vertrag abgeschlossen, und war dann so schnell als möglich nach dem Peloponnes aufgebrochen; die Aufregung, die überall herrschte, hatte seine Rüstungen bedeu- tend verzögert, und selbst von manchen verbündeten Staaten wagte er nicht Hülfstruppen mit ins Feld zu nehmen89). Endlich, nach- dem er im schnellen Durchzuge die Bewegungen in Thessalien unter- drückt und die Contingente der zuverläßigsten Bundesstaaten an sich gezogen hatte, kam er mit einem Heere von etwa vierzigtausend Mann im Peloponnes an. Er eilte Megalopolis zu entsetzen; bald trafen sich die Heere zu einer Schlacht; die Spartaner kämpften ihres alten Ruhmes würdig, die Uebermacht Antipaters war zu groß, Agis, mit Wunden bedeckt, von allen Seiten einge- schlossen, erlag endlich dem Andrang; er fiel fechtend; Antipater hatte, wenn auch mit bedeutendem Verlust, einen vollständigen Sieg errungen90).
88) Die angegebenen Zahlen finden sich bei Diodor, scheinen aber zu gering, da nach Dinarchs nicht unwahrscheinlicher Angabe allein zehntausend Söldner im Heere waren.
89)Frontin. II. 11. 4.
90) Ueber die Zahl der Todten haben Diodor und Curtius abweichende Angaben; Spartanischer Seits sollen mehr als fünftausend Mann gefallen sein; die Tapferkeit, die sie in dieser lange schwankenden Schlacht bewährten, macht es wahrscheinlich, daß Diodors Angabe, die Macedonier hätten mehr als dreitausend Todte gezählt, richtiger ist als die des Curtius mit ihrer ungewissen Lesart. Ueber den Ort der Schlacht ist keine sichere Angabe vorhanden; indeß scheint sie in
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Athen blieb ruhig, ſelbſt Demoſthenes ſchwieg wider ſeine Gewohn- heit; man freute ſich der Standbilder der Befreier Harmodius und Ariſtogiton, die Alexander eben jetzt aus Suſa der Stadt ſandte. Deſto eifriger war Agis; ſchon war ein Heer von mehr als zwanzig- tauſend Mann Fußvolk und zweitauſend Reutern bei einander88), es rückte gegen Megalopolis, die einzige Stadt Arkadiens, welche aus edler Dankbarkeit gegen das Macedoniſche Königshaus ſtandhaft in der Treue blieb. Die Stadt wurde belagert; ſie vertheidigte ſich lange und tapfer, ſie ſchien der Uebermacht doch endlich erliegen zu müſſen, mit jedem Tage erwartete man ihren Fall; da kam die Nachricht, daß ein Macedoniſches Heer über den Iſthmus rücke. Denn Antipater hatte, ſobald er von dem Aufruhr in Griechen- land erfuhr, mit Menon einen Vertrag abgeſchloſſen, und war dann ſo ſchnell als möglich nach dem Peloponnes aufgebrochen; die Aufregung, die überall herrſchte, hatte ſeine Rüſtungen bedeu- tend verzögert, und ſelbſt von manchen verbündeten Staaten wagte er nicht Hülfstruppen mit ins Feld zu nehmen89). Endlich, nach- dem er im ſchnellen Durchzuge die Bewegungen in Theſſalien unter- drückt und die Contingente der zuverläßigſten Bundesſtaaten an ſich gezogen hatte, kam er mit einem Heere von etwa vierzigtauſend Mann im Peloponnes an. Er eilte Megalopolis zu entſetzen; bald trafen ſich die Heere zu einer Schlacht; die Spartaner kämpften ihres alten Ruhmes würdig, die Uebermacht Antipaters war zu groß, Agis, mit Wunden bedeckt, von allen Seiten einge- ſchloſſen, erlag endlich dem Andrang; er fiel fechtend; Antipater hatte, wenn auch mit bedeutendem Verluſt, einen vollſtändigen Sieg errungen90).
88) Die angegebenen Zahlen finden ſich bei Diodor, ſcheinen aber zu gering, da nach Dinarchs nicht unwahrſcheinlicher Angabe allein zehntauſend Söldner im Heere waren.
89)Frontin. II. 11. 4.
90) Ueber die Zahl der Todten haben Diodor und Curtius abweichende Angaben; Spartaniſcher Seits ſollen mehr als fünftauſend Mann gefallen ſein; die Tapferkeit, die ſie in dieſer lange ſchwankenden Schlacht bewährten, macht es wahrſcheinlich, daß Diodors Angabe, die Macedonier hätten mehr als dreitauſend Todte gezählt, richtiger iſt als die des Curtius mit ihrer ungewiſſen Lesart. Ueber den Ort der Schlacht iſt keine ſichere Angabe vorhanden; indeß ſcheint ſie in
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Athen blieb ruhig, ſelbſt Demoſthenes ſchwieg wider ſeine Gewohn-
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Ariſtogiton, die Alexander eben jetzt aus Suſa der Stadt ſandte.
Deſto eifriger war Agis; ſchon war ein Heer von mehr als zwanzig-
tauſend Mann Fußvolk und zweitauſend Reutern bei einander 88),
es rückte gegen Megalopolis, die einzige Stadt Arkadiens, welche
aus edler Dankbarkeit gegen das Macedoniſche Königshaus ſtandhaft
in der Treue blieb. Die Stadt wurde belagert; ſie vertheidigte
ſich lange und tapfer, ſie ſchien der Uebermacht doch endlich erliegen
zu müſſen, mit jedem Tage erwartete man ihren Fall; da kam die
Nachricht, daß ein Macedoniſches Heer über den Iſthmus rücke.
Denn Antipater hatte, ſobald er von dem Aufruhr in Griechen-
land erfuhr, mit Menon einen Vertrag abgeſchloſſen, und war
dann ſo ſchnell als möglich nach dem Peloponnes aufgebrochen;
die Aufregung, die überall herrſchte, hatte ſeine Rüſtungen bedeu-
tend verzögert, und ſelbſt von manchen verbündeten Staaten wagte
er nicht Hülfstruppen mit ins Feld zu nehmen 89). Endlich, nach-
dem er im ſchnellen Durchzuge die Bewegungen in Theſſalien unter-
drückt und die Contingente der zuverläßigſten Bundesſtaaten an ſich
gezogen hatte, kam er mit einem Heere von etwa vierzigtauſend
Mann im Peloponnes an. Er eilte Megalopolis zu entſetzen;
bald trafen ſich die Heere zu einer Schlacht; die Spartaner
kämpften ihres alten Ruhmes würdig, die Uebermacht Antipaters
war zu groß, Agis, mit Wunden bedeckt, von allen Seiten einge-
ſchloſſen, erlag endlich dem Andrang; er fiel fechtend; Antipater
hatte, wenn auch mit bedeutendem Verluſt, einen vollſtändigen Sieg
errungen 90).
88) Die angegebenen Zahlen finden ſich bei Diodor, ſcheinen aber
zu gering, da nach Dinarchs nicht unwahrſcheinlicher Angabe allein
zehntauſend Söldner im Heere waren.
89) Frontin. II. 11. 4.
90) Ueber die Zahl der Todten haben Diodor und Curtius abweichende
Angaben; Spartaniſcher Seits ſollen mehr als fünftauſend Mann
gefallen ſein; die Tapferkeit, die ſie in dieſer lange ſchwankenden
Schlacht bewährten, macht es wahrſcheinlich, daß Diodors Angabe, die
Macedonier hätten mehr als dreitauſend Todte gezählt, richtiger iſt
als die des Curtius mit ihrer ungewiſſen Lesart. Ueber den Ort
der Schlacht iſt keine ſichere Angabe vorhanden; indeß ſcheint ſie in
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/289>, abgerufen am 16.02.2025.
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