ren Asien vorrückte, von diesen Bewegungen des Königs Agis; er begnügte sich damals, hundert Phönicische Schiffe nach Kreta abzu- senden, die dann unter Amphoterus den Peloponnes beobachten sollten; er ehrte die Athenischen Gesandten, die ihm in Tyrus mit Glückwünschen und goldenen Kränzen entgegengekommen waren, und gab die am Granikus gefangenen Athener frei, um desto ge- wisser den Athenischen Staat in Unthätigkeit zu halten; er schien geflissentlich vermeiden zu wollen, daß es zwischen Macedonischen und Spartanischen Waffen zum offenbaren Kampfe käme, der bei der Stimmung vieler Städte gefährlich werden konnte; im Begriff, einen neuen und entscheidenden Schlag gegen Darius auszuführen, behielt er sich vor, den Eindruck desselben mit als Waffe gegen die Misvergnügten in Hellas zu benutzen. So mußte Antipater wäh- rend des Jahres 331 ruhig die Rüstungen des Spartanerkönigs und dessen wachsenden Einfluß im Peloponnes mit ansehen, und sich begnügen, den Macedonischen Einfluß am Korinthischen Bun- destage möglichst geltend zu machen, im Uebrigen die Bewegun- gen der feindlichen Parthei genau und stets gerüstet zu beobachten; er durfte die durch den Tod des Epirotenkönigs entstandenen Ver- wirrungen nicht benutzen, um seines Herrn Macht zu vermehren, und selbst den Unwillen und die bitteren Vorwürfe der Königin Olympias, die, wie es scheint, auf das Reich ihres Bruders An- sprüche machte, mußte er ruhig ertragen. Als aber jetzt Zopyrion, der Statthalter des unteren Donaulandes, bei einem Zuge gegen die Geten vollkommen geschlagen83) und mit dem größten Theile seines Heeres umgekommen war, als in Folge dieses Unglücks der Odrysische Fürst Seuthes Neuerungen versuchte und der Thracische Feldhauptmann Menon84), im Vertrauen auf seine Macht und
83)Justin. XIII. 1. und 2. und Curt. X. 1. 44, der diese Be- gebenheiten zu spät setzt.
84) Man darf ohne Bedenken den von Curtius (IX. 3. 21.) erwähnten Menon mit dem oben genannten für denselben halten. Der Thessalier Menon, der mit der antimacedoni- schen Linie des Epirotischen Königshauses verschwägert war, kann nicht gemeint sein, da ausdrücklich Thracien als der Ort des Aufstan- des genannt wird. Unkundige haben diesen Feldhauptmann mit dem Rhodier Memnon vielfach verwechselt.
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ren Aſien vorrückte, von dieſen Bewegungen des Königs Agis; er begnügte ſich damals, hundert Phöniciſche Schiffe nach Kreta abzu- ſenden, die dann unter Amphoterus den Peloponnes beobachten ſollten; er ehrte die Atheniſchen Geſandten, die ihm in Tyrus mit Glückwünſchen und goldenen Kränzen entgegengekommen waren, und gab die am Granikus gefangenen Athener frei, um deſto ge- wiſſer den Atheniſchen Staat in Unthätigkeit zu halten; er ſchien gefliſſentlich vermeiden zu wollen, daß es zwiſchen Macedoniſchen und Spartaniſchen Waffen zum offenbaren Kampfe käme, der bei der Stimmung vieler Städte gefährlich werden konnte; im Begriff, einen neuen und entſcheidenden Schlag gegen Darius auszuführen, behielt er ſich vor, den Eindruck deſſelben mit als Waffe gegen die Misvergnügten in Hellas zu benutzen. So mußte Antipater wäh- rend des Jahres 331 ruhig die Rüſtungen des Spartanerkönigs und deſſen wachſenden Einfluß im Peloponnes mit anſehen, und ſich begnügen, den Macedoniſchen Einfluß am Korinthiſchen Bun- destage möglichſt geltend zu machen, im Uebrigen die Bewegun- gen der feindlichen Parthei genau und ſtets gerüſtet zu beobachten; er durfte die durch den Tod des Epirotenkönigs entſtandenen Ver- wirrungen nicht benutzen, um ſeines Herrn Macht zu vermehren, und ſelbſt den Unwillen und die bitteren Vorwürfe der Königin Olympias, die, wie es ſcheint, auf das Reich ihres Bruders An- ſprüche machte, mußte er ruhig ertragen. Als aber jetzt Zopyrion, der Statthalter des unteren Donaulandes, bei einem Zuge gegen die Geten vollkommen geſchlagen83) und mit dem größten Theile ſeines Heeres umgekommen war, als in Folge dieſes Unglücks der Odryſiſche Fürſt Seuthes Neuerungen verſuchte und der Thraciſche Feldhauptmann Menon84), im Vertrauen auf ſeine Macht und
83)Justin. XIII. 1. und 2. und Curt. X. 1. 44, der dieſe Be- gebenheiten zu ſpät ſetzt.
84) Man darf ohne Bedenken den von Curtius (IX. 3. 21.) erwähnten Menon mit dem oben genannten für denſelben halten. Der Theſſalier Menon, der mit der antimacedoni- ſchen Linie des Epirotiſchen Königshauſes verſchwägert war, kann nicht gemeint ſein, da ausdrücklich Thracien als der Ort des Aufſtan- des genannt wird. Unkundige haben dieſen Feldhauptmann mit dem Rhodier Memnon vielfach verwechſelt.
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ren Aſien vorrückte, von dieſen Bewegungen des Königs Agis; er
begnügte ſich damals, hundert Phöniciſche Schiffe nach Kreta abzu-
ſenden, die dann unter Amphoterus den Peloponnes beobachten
ſollten; er ehrte die Atheniſchen Geſandten, die ihm in Tyrus mit
Glückwünſchen und goldenen Kränzen entgegengekommen waren,
und gab die am Granikus gefangenen Athener frei, um deſto ge-
wiſſer den Atheniſchen Staat in Unthätigkeit zu halten; er ſchien
gefliſſentlich vermeiden zu wollen, daß es zwiſchen Macedoniſchen
und Spartaniſchen Waffen zum offenbaren Kampfe käme, der bei
der Stimmung vieler Städte gefährlich werden konnte; im Begriff,
einen neuen und entſcheidenden Schlag gegen Darius auszuführen,
behielt er ſich vor, den Eindruck deſſelben mit als Waffe gegen die
Misvergnügten in Hellas zu benutzen. So mußte Antipater wäh-
rend des Jahres 331 ruhig die Rüſtungen des Spartanerkönigs
und deſſen wachſenden Einfluß im Peloponnes mit anſehen, und
ſich begnügen, den Macedoniſchen Einfluß am Korinthiſchen Bun-
destage möglichſt geltend zu machen, im Uebrigen die Bewegun-
gen der feindlichen Parthei genau und ſtets gerüſtet zu beobachten;
er durfte die durch den Tod des Epirotenkönigs entſtandenen Ver-
wirrungen nicht benutzen, um ſeines Herrn Macht zu vermehren,
und ſelbſt den Unwillen und die bitteren Vorwürfe der Königin
Olympias, die, wie es ſcheint, auf das Reich ihres Bruders An-
ſprüche machte, mußte er ruhig ertragen. Als aber jetzt Zopyrion,
der Statthalter des unteren Donaulandes, bei einem Zuge gegen
die Geten vollkommen geſchlagen 83) und mit dem größten Theile
ſeines Heeres umgekommen war, als in Folge dieſes Unglücks der
Odryſiſche Fürſt Seuthes Neuerungen verſuchte und der Thraciſche
Feldhauptmann Menon 84), im Vertrauen auf ſeine Macht und
83) Justin. XIII. 1. und 2. und Curt. X. 1. 44, der dieſe Be-
gebenheiten zu ſpät ſetzt.
84) Man darf ohne Bedenken den von
Curtius (IX. 3. 21.) erwähnten Menon mit dem oben genannten für
denſelben halten. Der Theſſalier Menon, der mit der antimacedoni-
ſchen Linie des Epirotiſchen Königshauſes verſchwägert war, kann
nicht gemeint ſein, da ausdrücklich Thracien als der Ort des Aufſtan-
des genannt wird. Unkundige haben dieſen Feldhauptmann mit dem
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/287>, abgerufen am 22.11.2024.
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