zwanzig Meilen Vorsprung vor Alexander; er mußte sich über- zeugen, daß es einerseits unmöglich sei, bei der ungeheueren Schnellig- keit, mit der Alexander nacheilte, das Turanische Land fliehend zu erreichen, andererseits, wenn doch gekämpft werden müßte, möglichst langsam vorzurücken sei, damit die Truppen mit frischer Kraft den vom Verfolgen ermatteten Feinden gegenüberträten; dazu kam, daß aus dem Persischen Zuge schon Manche zu Alexander über- gegangen waren, daß man bei weiterer Flucht immer mehr Abtrün- nigkeit fürchten mußte, da durch sie Vieles zu gewinnen, durch Treue nur zu verlieren war. Darius berief deshalb die Großen seiner Umgebung zur Versammlung und gab ihnen seine Ansicht kund, das Zusammentreffen mit den Macedoniern nicht länger mei- den, sondern noch einmal das Glück der Waffen versuchen zu wel- len. Diese Erklärung des Großkönigs machte einen tiefen Eindruck auf die Versammelten; das Unglück hatte die Meisten entmuthigt, man dachte mit Entsetzen an neuen Kampf; Wenige waren bereit, ihrem Könige Alles zu opfern; unter ihnen der greise Artabazus; gegen ihn erhob sich Nabarzanes, der Chiliarch: die dringende Noth zwinge ihn, ein hartes Wort zu sprechen, hier zu kämpfen sei der sicherste Weg zum Verderben, man müsse gen Turan flüchten und neue Heere rüsten; aber die Völker trauten dem Glück des Königs nicht mehr; nur eine Rettung gebe es; Bessus habe bei den Tura- nischen Völkern großes Ansehen, die Scythen und Indier seien ihm verbündet, er sei Verwandter des königlichen Hauses; der Kö- nig möge ihm, bis der Feind bewältigt sei, die Tiara abtreten. Der Großkönig riß seinen Dolch aus dem Gürtel, kaum entkam Nabarzanes, er eilte, sich mit seiner Perserschaar von dem Lager des Königs zu sondern; Bessus folgte ihm mit den Baktrischen Völkern; Beide handelten im Einverständniß und nach einem längst vorbereiteten Plane; Barsaentes von Drangiana und Arachosien wurde leicht gewonnen; die übrigen Satrapen der Ostprovinzen waren, wenn nicht offenbar beigetreten, doch geneigter, ihrem Vor- theile als ihrer Pflicht zu dienen. Darum beschwor Artabazus den König, nicht seinem Zorne zu folgen, bei den Meuterern sei die größere Streitmacht, ohne sie sei man verloren, er möge sie durch unverdiente Gnade zur Treue oder zum Schein des Gehorsams zurück- rufen. Indeß hatte Bessus versucht, die Schaar der Perser zum Auf-
zwanzig Meilen Vorſprung vor Alexander; er mußte ſich über- zeugen, daß es einerſeits unmöglich ſei, bei der ungeheueren Schnellig- keit, mit der Alexander nacheilte, das Turaniſche Land fliehend zu erreichen, andererſeits, wenn doch gekämpft werden müßte, möglichſt langſam vorzurücken ſei, damit die Truppen mit friſcher Kraft den vom Verfolgen ermatteten Feinden gegenüberträten; dazu kam, daß aus dem Perſiſchen Zuge ſchon Manche zu Alexander über- gegangen waren, daß man bei weiterer Flucht immer mehr Abtrün- nigkeit fürchten mußte, da durch ſie Vieles zu gewinnen, durch Treue nur zu verlieren war. Darius berief deshalb die Großen ſeiner Umgebung zur Verſammlung und gab ihnen ſeine Anſicht kund, das Zuſammentreffen mit den Macedoniern nicht länger mei- den, ſondern noch einmal das Glück der Waffen verſuchen zu wel- len. Dieſe Erklärung des Großkönigs machte einen tiefen Eindruck auf die Verſammelten; das Unglück hatte die Meiſten entmuthigt, man dachte mit Entſetzen an neuen Kampf; Wenige waren bereit, ihrem Könige Alles zu opfern; unter ihnen der greiſe Artabazus; gegen ihn erhob ſich Nabarzanes, der Chiliarch: die dringende Noth zwinge ihn, ein hartes Wort zu ſprechen, hier zu kämpfen ſei der ſicherſte Weg zum Verderben, man müſſe gen Turan flüchten und neue Heere rüſten; aber die Völker trauten dem Glück des Königs nicht mehr; nur eine Rettung gebe es; Beſſus habe bei den Tura- niſchen Völkern großes Anſehen, die Scythen und Indier ſeien ihm verbündet, er ſei Verwandter des königlichen Hauſes; der Kö- nig möge ihm, bis der Feind bewältigt ſei, die Tiara abtreten. Der Großkönig riß ſeinen Dolch aus dem Gürtel, kaum entkam Nabarzanes, er eilte, ſich mit ſeiner Perſerſchaar von dem Lager des Königs zu ſondern; Beſſus folgte ihm mit den Baktriſchen Völkern; Beide handelten im Einverſtändniß und nach einem längſt vorbereiteten Plane; Barſaentes von Drangiana und Arachoſien wurde leicht gewonnen; die übrigen Satrapen der Oſtprovinzen waren, wenn nicht offenbar beigetreten, doch geneigter, ihrem Vor- theile als ihrer Pflicht zu dienen. Darum beſchwor Artabazus den König, nicht ſeinem Zorne zu folgen, bei den Meuterern ſei die größere Streitmacht, ohne ſie ſei man verloren, er möge ſie durch unverdiente Gnade zur Treue oder zum Schein des Gehorſams zurück- rufen. Indeß hatte Beſſus verſucht, die Schaar der Perſer zum Auf-
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zwanzig Meilen Vorſprung vor Alexander; er mußte ſich über-
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erreichen, andererſeits, wenn doch gekämpft werden müßte, möglichſt
langſam vorzurücken ſei, damit die Truppen mit friſcher Kraft den
vom Verfolgen ermatteten Feinden gegenüberträten; dazu kam,
daß aus dem Perſiſchen Zuge ſchon Manche zu Alexander über-
gegangen waren, daß man bei weiterer Flucht immer mehr Abtrün-
nigkeit fürchten mußte, da durch ſie Vieles zu gewinnen, durch
Treue nur zu verlieren war. Darius berief deshalb die Großen
ſeiner Umgebung zur Verſammlung und gab ihnen ſeine Anſicht
kund, das Zuſammentreffen mit den Macedoniern nicht länger mei-
den, ſondern noch einmal das Glück der Waffen verſuchen zu wel-
len. Dieſe Erklärung des Großkönigs machte einen tiefen Eindruck
auf die Verſammelten; das Unglück hatte die Meiſten entmuthigt,
man dachte mit Entſetzen an neuen Kampf; Wenige waren bereit,
ihrem Könige Alles zu opfern; unter ihnen der greiſe Artabazus;
gegen ihn erhob ſich Nabarzanes, der Chiliarch: die dringende Noth
zwinge ihn, ein hartes Wort zu ſprechen, hier zu kämpfen ſei der
ſicherſte Weg zum Verderben, man müſſe gen Turan flüchten und
neue Heere rüſten; aber die Völker trauten dem Glück des Königs
nicht mehr; nur eine Rettung gebe es; Beſſus habe bei den Tura-
niſchen Völkern großes Anſehen, die Scythen und Indier ſeien
ihm verbündet, er ſei Verwandter des königlichen Hauſes; der Kö-
nig möge ihm, bis der Feind bewältigt ſei, die Tiara abtreten.
Der Großkönig riß ſeinen Dolch aus dem Gürtel, kaum entkam
Nabarzanes, er eilte, ſich mit ſeiner Perſerſchaar von dem Lager
des Königs zu ſondern; Beſſus folgte ihm mit den Baktriſchen
Völkern; Beide handelten im Einverſtändniß und nach einem längſt
vorbereiteten Plane; Barſaentes von Drangiana und Arachoſien
wurde leicht gewonnen; die übrigen Satrapen der Oſtprovinzen
waren, wenn nicht offenbar beigetreten, doch geneigter, ihrem Vor-
theile als ihrer Pflicht zu dienen. Darum beſchwor Artabazus den
König, nicht ſeinem Zorne zu folgen, bei den Meuterern ſei die
größere Streitmacht, ohne ſie ſei man verloren, er möge ſie durch
unverdiente Gnade zur Treue oder zum Schein des Gehorſams zurück-
rufen. Indeß hatte Beſſus verſucht, die Schaar der Perſer zum Auf-
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/268>, abgerufen am 25.11.2024.
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