so vieler Mühen und Siege; wohl mochte der kräftige Macedo- nier, der wilde Thracier, der lüsterne Grieche hier Sieges- und Lebenslust in überreichen Zügen schlürfen und auf duftigen Teppi- chen, bei goldenen Bechern, im lärmenden Jubelschall Babylonischer Gelage schwelgen, mochte mit wilderer, kühnerer Begier den Ge- nuß, mit neuem Genuß sein brennendes Verlangen, mit beiden den Durst nach neuen Thaten und neuen Siegen steigern. So begann sich Alexanders Heer in das Asiatische Leben hineinzuleben und sich mit denen, die das Vorurtheil von Jahrhunderten gehaßt, verachtet, rohe Barbaren genannt hatte, zu versöhnen und zu verschmelzen, es begann sich Morgen- und Abendland zu durchgähren und eine Zukunft vorzubereiten, in der beide sich selbst verlieren sollten.
Mag es klares Bewußtsein, glückliches Ohngefähr, nothwen- dige Folge der Umstände genannt werden, jedenfalls traf Alexander in den Maaßregeln, die er wählte, die einzig möglichen und rech- ten. Hier in Babylon war mehr als irgendwo bisher das Ein- heimische mächtig, naturgemäß und eigenthümlich; während Klein- asien dem Hellenischen Leben nahe, Aegypten und Syrien demsel- ben zugänglich war und mit ihm durch das gemeinsame Meer in Verbindung stand, in Phönicien Griechische Sitte schon länger in den Häusern der reichen Kaufherren und vieler Fürsten eingeführt, im Lande des Nildelta durch Griechische Ansiedelungen, durch Cyre- nes Nachbarschaft, durch mannichfache Verhältnisse mit Hellenischen Staaten seit der Pharaonenzeit bekannt und eingebürgert war, lag Babylon fern von aller Beziehung mit dem Abendlande, tief stromab bei dem Doppelstrome des Aramäischen Landes, das durch die Natur, durch Handel, Sitte und Religion, durch die Ge- schichte vieler Jahrhunderte eher gen Indien und Arabien als gen Europa hinwies; in dies fremde, buntgemischte, in sich längst durch- lebte Völkerleben kamen jetzt die ersten Hellenischen Elemente, der Masse nach unbedeutend gegen das Heimische, und nur durch die Fähigkeit, sich ihm anzueignen, überlegen. Dazu ein Zweites: das Perserreich war so gut wie vernichtet, mit ihm nichts Morgenlän- disches mehr als bestehende Macht, um gegen sie anzukämpfen oder sie anzuerkennen; es war ja Alexanders Absicht, Asiens Herr zu sein, so wie er König in Macedonien war. Wollte er als Mace- donier, als Grieche über das neue Reich herrschen, so war er schon
ſo vieler Mühen und Siege; wohl mochte der kräftige Macedo- nier, der wilde Thracier, der lüſterne Grieche hier Sieges- und Lebensluſt in überreichen Zügen ſchlürfen und auf duftigen Teppi- chen, bei goldenen Bechern, im lärmenden Jubelſchall Babyloniſcher Gelage ſchwelgen, mochte mit wilderer, kühnerer Begier den Ge- nuß, mit neuem Genuß ſein brennendes Verlangen, mit beiden den Durſt nach neuen Thaten und neuen Siegen ſteigern. So begann ſich Alexanders Heer in das Aſiatiſche Leben hineinzuleben und ſich mit denen, die das Vorurtheil von Jahrhunderten gehaßt, verachtet, rohe Barbaren genannt hatte, zu verſöhnen und zu verſchmelzen, es begann ſich Morgen- und Abendland zu durchgähren und eine Zukunft vorzubereiten, in der beide ſich ſelbſt verlieren ſollten.
Mag es klares Bewußtſein, glückliches Ohngefähr, nothwen- dige Folge der Umſtände genannt werden, jedenfalls traf Alexander in den Maaßregeln, die er wählte, die einzig möglichen und rech- ten. Hier in Babylon war mehr als irgendwo bisher das Ein- heimiſche mächtig, naturgemäß und eigenthümlich; während Klein- aſien dem Helleniſchen Leben nahe, Aegypten und Syrien demſel- ben zugänglich war und mit ihm durch das gemeinſame Meer in Verbindung ſtand, in Phönicien Griechiſche Sitte ſchon länger in den Häuſern der reichen Kaufherren und vieler Fürſten eingeführt, im Lande des Nildelta durch Griechiſche Anſiedelungen, durch Cyre- nes Nachbarſchaft, durch mannichfache Verhältniſſe mit Helleniſchen Staaten ſeit der Pharaonenzeit bekannt und eingebürgert war, lag Babylon fern von aller Beziehung mit dem Abendlande, tief ſtromab bei dem Doppelſtrome des Aramäiſchen Landes, das durch die Natur, durch Handel, Sitte und Religion, durch die Ge- ſchichte vieler Jahrhunderte eher gen Indien und Arabien als gen Europa hinwies; in dies fremde, buntgemiſchte, in ſich längſt durch- lebte Völkerleben kamen jetzt die erſten Helleniſchen Elemente, der Maſſe nach unbedeutend gegen das Heimiſche, und nur durch die Fähigkeit, ſich ihm anzueignen, überlegen. Dazu ein Zweites: das Perſerreich war ſo gut wie vernichtet, mit ihm nichts Morgenlän- diſches mehr als beſtehende Macht, um gegen ſie anzukämpfen oder ſie anzuerkennen; es war ja Alexanders Abſicht, Aſiens Herr zu ſein, ſo wie er König in Macedonien war. Wollte er als Mace- donier, als Grieche über das neue Reich herrſchen, ſo war er ſchon
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ſo vieler Mühen und Siege; wohl mochte der kräftige Macedo-
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Lebensluſt in überreichen Zügen ſchlürfen und auf duftigen Teppi-
chen, bei goldenen Bechern, im lärmenden Jubelſchall Babyloniſcher
Gelage ſchwelgen, mochte mit wilderer, kühnerer Begier den Ge-
nuß, mit neuem Genuß ſein brennendes Verlangen, mit beiden den
Durſt nach neuen Thaten und neuen Siegen ſteigern. So begann
ſich Alexanders Heer in das Aſiatiſche Leben hineinzuleben und ſich mit
denen, die das Vorurtheil von Jahrhunderten gehaßt, verachtet,
rohe Barbaren genannt hatte, zu verſöhnen und zu verſchmelzen,
es begann ſich Morgen- und Abendland zu durchgähren und eine
Zukunft vorzubereiten, in der beide ſich ſelbſt verlieren ſollten.
Mag es klares Bewußtſein, glückliches Ohngefähr, nothwen-
dige Folge der Umſtände genannt werden, jedenfalls traf Alexander
in den Maaßregeln, die er wählte, die einzig möglichen und rech-
ten. Hier in Babylon war mehr als irgendwo bisher das Ein-
heimiſche mächtig, naturgemäß und eigenthümlich; während Klein-
aſien dem Helleniſchen Leben nahe, Aegypten und Syrien demſel-
ben zugänglich war und mit ihm durch das gemeinſame Meer in
Verbindung ſtand, in Phönicien Griechiſche Sitte ſchon länger in
den Häuſern der reichen Kaufherren und vieler Fürſten eingeführt,
im Lande des Nildelta durch Griechiſche Anſiedelungen, durch Cyre-
nes Nachbarſchaft, durch mannichfache Verhältniſſe mit Helleniſchen
Staaten ſeit der Pharaonenzeit bekannt und eingebürgert war,
lag Babylon fern von aller Beziehung mit dem Abendlande, tief
ſtromab bei dem Doppelſtrome des Aramäiſchen Landes, das durch
die Natur, durch Handel, Sitte und Religion, durch die Ge-
ſchichte vieler Jahrhunderte eher gen Indien und Arabien als gen
Europa hinwies; in dies fremde, buntgemiſchte, in ſich längſt durch-
lebte Völkerleben kamen jetzt die erſten Helleniſchen Elemente, der
Maſſe nach unbedeutend gegen das Heimiſche, und nur durch die
Fähigkeit, ſich ihm anzueignen, überlegen. Dazu ein Zweites: das
Perſerreich war ſo gut wie vernichtet, mit ihm nichts Morgenlän-
diſches mehr als beſtehende Macht, um gegen ſie anzukämpfen oder
ſie anzuerkennen; es war ja Alexanders Abſicht, Aſiens Herr zu
ſein, ſo wie er König in Macedonien war. Wollte er als Mace-
donier, als Grieche über das neue Reich herrſchen, ſo war er ſchon
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/248>, abgerufen am 22.11.2024.
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