zehn Trieren im Hafen von Chios lag, so wie die Tyrannen der Insel kamen in die Gewalt der Macedonier; und als während der Nacht Aristonikus, der Tyrann von Methymna auf Lesbos, mit einigen Kaperschiffen vor dem Hafen, den er noch in den Händen der Perser glaubte, erschien und einzulaufen begehrte, so ließ ihn die Macedonische Hafenwache ein, machte dann die Mannschaft der Trie- ren nieder und brachte den Tyrannen als Gefangenen in die Burg. Immer mehr schwand das Ansehen der Perser und ihrer Parthei; auch die Koer erklärten sich bereit zur Sache Alexanders überzutre- ten, und während Amphoterus mit sechszig Schiffen dorthin abging, wandte sich Hegelochus mit der übrigen Flotte nach Lesbos, das allein noch durch Tyrannen und Persische Besatzungen in Unterthä- nigkeit gehalten wurde; die Besatzung von Mytilene wurde bewäl- tiget und die Stadt eingenommen, worauf sich die übrigen Städte der Insel durch Vertrag unterwarfen, ihre Tyrannen auslieferten und die Demokratie proklamirten 5); dann segelte Hegelochus südwärts nach Kos, das sich bereits in Amphoterus Händen be- fand. So waren die Perser vertilgt, alle Inseln des Aegäischen Meeres gewonnen, nur Kreta noch von den Lacedämoniern be- setzt; Amphoterus übernahm ihre Unterwerfung und segelte mit einem Theil der Flotte dorthin ab. Hegelochus dagegen ging nach Aegypten unter Segel, um selbst die Nachricht zu überbringen, daß die Persische Seemacht bis auf die letzte Spur vernichtet sei; zu- gleich übergab er dem Könige die Gefangenen bis auf Pharnaba- zus, der auf der Insel Kos zu entweichen Gelegenheit gefunden hatte. Alexander befahl, die Tyrannen der einzelnen Städte ihren Gemeinden zum Gericht zurückzusenden; diejenigen aber, welche die Insel Chios an Memnon verrathen hatten, wurden mit einer star- ken Eskorte nach der Nilinsel Elephantine, dem südlichsten Grenz- posten des Reiches, ins Elend geschickt 6). --
So war mit dem Anfang des Jahres 331 der letzte Rest einer Persischen Seemacht, die das Macedonische Heer im Rücken zu gefährden und dessen Bewegungen zu hindern vermocht hätte, ver- nichtet, das Mittelländische Küstenland, so weit es jemals unter
5)Demosth. de foed. p. 191.
6)Arrian. III. 2. Curt. IV. 5 und 8.
14 *
zehn Trieren im Hafen von Chios lag, ſo wie die Tyrannen der Inſel kamen in die Gewalt der Macedonier; und als während der Nacht Ariſtonikus, der Tyrann von Methymna auf Lesbos, mit einigen Kaperſchiffen vor dem Hafen, den er noch in den Händen der Perſer glaubte, erſchien und einzulaufen begehrte, ſo ließ ihn die Macedoniſche Hafenwache ein, machte dann die Mannſchaft der Trie- ren nieder und brachte den Tyrannen als Gefangenen in die Burg. Immer mehr ſchwand das Anſehen der Perſer und ihrer Parthei; auch die Koer erklärten ſich bereit zur Sache Alexanders überzutre- ten, und während Amphoterus mit ſechszig Schiffen dorthin abging, wandte ſich Hegelochus mit der übrigen Flotte nach Lesbos, das allein noch durch Tyrannen und Perſiſche Beſatzungen in Unterthä- nigkeit gehalten wurde; die Beſatzung von Mytilene wurde bewäl- tiget und die Stadt eingenommen, worauf ſich die übrigen Städte der Inſel durch Vertrag unterwarfen, ihre Tyrannen auslieferten und die Demokratie proklamirten 5); dann ſegelte Hegelochus ſüdwärts nach Kos, das ſich bereits in Amphoterus Händen be- fand. So waren die Perſer vertilgt, alle Inſeln des Aegäiſchen Meeres gewonnen, nur Kreta noch von den Lacedämoniern be- ſetzt; Amphoterus übernahm ihre Unterwerfung und ſegelte mit einem Theil der Flotte dorthin ab. Hegelochus dagegen ging nach Aegypten unter Segel, um ſelbſt die Nachricht zu überbringen, daß die Perſiſche Seemacht bis auf die letzte Spur vernichtet ſei; zu- gleich übergab er dem Könige die Gefangenen bis auf Pharnaba- zus, der auf der Inſel Kos zu entweichen Gelegenheit gefunden hatte. Alexander befahl, die Tyrannen der einzelnen Städte ihren Gemeinden zum Gericht zurückzuſenden; diejenigen aber, welche die Inſel Chios an Memnon verrathen hatten, wurden mit einer ſtar- ken Eskorte nach der Nilinſel Elephantine, dem ſüdlichſten Grenz- poſten des Reiches, ins Elend geſchickt 6). —
So war mit dem Anfang des Jahres 331 der letzte Reſt einer Perſiſchen Seemacht, die das Macedoniſche Heer im Rücken zu gefährden und deſſen Bewegungen zu hindern vermocht hätte, ver- nichtet, das Mittelländiſche Küſtenland, ſo weit es jemals unter
5)Demosth. de foed. p. 191.
6)Arrian. III. 2. Curt. IV. 5 und 8.
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[211/0225]
zehn Trieren im Hafen von Chios lag, ſo wie die Tyrannen der
Inſel kamen in die Gewalt der Macedonier; und als während der
Nacht Ariſtonikus, der Tyrann von Methymna auf Lesbos, mit
einigen Kaperſchiffen vor dem Hafen, den er noch in den Händen
der Perſer glaubte, erſchien und einzulaufen begehrte, ſo ließ ihn die
Macedoniſche Hafenwache ein, machte dann die Mannſchaft der Trie-
ren nieder und brachte den Tyrannen als Gefangenen in die Burg.
Immer mehr ſchwand das Anſehen der Perſer und ihrer Parthei;
auch die Koer erklärten ſich bereit zur Sache Alexanders überzutre-
ten, und während Amphoterus mit ſechszig Schiffen dorthin abging,
wandte ſich Hegelochus mit der übrigen Flotte nach Lesbos, das
allein noch durch Tyrannen und Perſiſche Beſatzungen in Unterthä-
nigkeit gehalten wurde; die Beſatzung von Mytilene wurde bewäl-
tiget und die Stadt eingenommen, worauf ſich die übrigen Städte
der Inſel durch Vertrag unterwarfen, ihre Tyrannen auslieferten
und die Demokratie proklamirten 5); dann ſegelte Hegelochus
ſüdwärts nach Kos, das ſich bereits in Amphoterus Händen be-
fand. So waren die Perſer vertilgt, alle Inſeln des Aegäiſchen
Meeres gewonnen, nur Kreta noch von den Lacedämoniern be-
ſetzt; Amphoterus übernahm ihre Unterwerfung und ſegelte mit
einem Theil der Flotte dorthin ab. Hegelochus dagegen ging nach
Aegypten unter Segel, um ſelbſt die Nachricht zu überbringen, daß
die Perſiſche Seemacht bis auf die letzte Spur vernichtet ſei; zu-
gleich übergab er dem Könige die Gefangenen bis auf Pharnaba-
zus, der auf der Inſel Kos zu entweichen Gelegenheit gefunden
hatte. Alexander befahl, die Tyrannen der einzelnen Städte ihren
Gemeinden zum Gericht zurückzuſenden; diejenigen aber, welche die
Inſel Chios an Memnon verrathen hatten, wurden mit einer ſtar-
ken Eskorte nach der Nilinſel Elephantine, dem ſüdlichſten Grenz-
poſten des Reiches, ins Elend geſchickt 6). —
So war mit dem Anfang des Jahres 331 der letzte Reſt
einer Perſiſchen Seemacht, die das Macedoniſche Heer im Rücken
zu gefährden und deſſen Bewegungen zu hindern vermocht hätte, ver-
nichtet, das Mittelländiſche Küſtenland, ſo weit es jemals unter
5) Demosth. de foed. p. 191.
6) Arrian. III. 2. Curt.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/225>, abgerufen am 23.11.2024.
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