reichte, Aegypten vom oberen Persien durchaus abgeschnitten war, blieb dem Satrapen und den wenigen Persern um ihn freilich nichts übrig, als sich möglichst schnell zu unterwerfen.
So geschah es denn, daß, als Alexander von Gaza aus nach einem Marsche von sieben Tagen in Pelusium eintraf, Mazaces ihm ohne Weiteres Aegypten übergab. Während der König seine aus Phönicien bereits gelandete Flotte auf dem Pelusischen Nilarm stromauf sandte, ging er selbst über Heliopolis nach Memphis, um sich mit der Flotte dort wieder zu treffen; alle Städte, zu denen er kam, öffneten ihm die Thore; ohne das geringste Hinderniß be- setzte er Memphis, die große Hauptstadt des Nillandes, dessen Un- terwerfung mit diesem Zuge vollbracht war.
Indeß wollte Alexander mehr als unterwerfen; es sollte den Völkern seines Reiches der Genuß und das Bewußtsein ihrer durch die Perser gewaltsam und darum vergebens zurückgedrängten Volks- thümlichkeit unter der Aegide des Griechischen Lebens zurückgegeben werden, damit der große Gedanke einer völligen Verschmelzung bei- der desto leichter Raum und Kraft gewönne. So opferte der Macedo- nische König in den Tempeln der Acgyptischen Gottheiten, vor Allen dem Apis, an dessen Heiligkeit sich die Erinnerung der alten Pharaonenweihe knüpfte 49); zugleich ließ er in den Vorhöfen der Tempel Griechische Wettkämpfe und Musenspiele halten, zum Zei- chen, wie fortan das Fremde hier heimisch, das Einheimische auch den Fremden ehrwürdig sein werde. Die Achtung, die er überdies den Aegyptischen Priestern zollte 50), mußte ihm diese Kaste um so mehr gewinnen, je tiefer sie von der oft fanatischen Intoleranz der Persischen Fremdlinge herabgewürdigt worden war.
49) Die romanhaften Schilderungen von Alexanders Leben und Thaten (so Pseudo-Callisthenes bei St. Croix p. 164, Jul. Valerius p. 47.) machen aus diesem Opfer eine förmliche Pharaonen- weihe, wie sie unter Alexanders Nachfolgern in Aegypten seit dem fünften Ptolemäus, unter dem Namen der Anakleterien, wieder einge- führt wurde; s. das Nähere in meiner Abhandlung de Lagidarum regno p. 57. Doch war es Alexanders Absicht nicht, sich in jedem Theile des Perserreiches die Krone früherer Könige übergeben zu lassen, da er vielmehr ein Reich in Asien und Europa zu gründen hoffte.
50)Plut. 27.
reichte, Aegypten vom oberen Perſien durchaus abgeſchnitten war, blieb dem Satrapen und den wenigen Perſern um ihn freilich nichts übrig, als ſich möglichſt ſchnell zu unterwerfen.
So geſchah es denn, daß, als Alexander von Gaza aus nach einem Marſche von ſieben Tagen in Peluſium eintraf, Mazaces ihm ohne Weiteres Aegypten übergab. Während der König ſeine aus Phönicien bereits gelandete Flotte auf dem Peluſiſchen Nilarm ſtromauf ſandte, ging er ſelbſt über Heliopolis nach Memphis, um ſich mit der Flotte dort wieder zu treffen; alle Städte, zu denen er kam, öffneten ihm die Thore; ohne das geringſte Hinderniß be- ſetzte er Memphis, die große Hauptſtadt des Nillandes, deſſen Un- terwerfung mit dieſem Zuge vollbracht war.
Indeß wollte Alexander mehr als unterwerfen; es ſollte den Völkern ſeines Reiches der Genuß und das Bewußtſein ihrer durch die Perſer gewaltſam und darum vergebens zurückgedrängten Volks- thümlichkeit unter der Aegide des Griechiſchen Lebens zurückgegeben werden, damit der große Gedanke einer völligen Verſchmelzung bei- der deſto leichter Raum und Kraft gewönne. So opferte der Macedo- niſche König in den Tempeln der Acgyptiſchen Gottheiten, vor Allen dem Apis, an deſſen Heiligkeit ſich die Erinnerung der alten Pharaonenweihe knüpfte 49); zugleich ließ er in den Vorhöfen der Tempel Griechiſche Wettkämpfe und Muſenſpiele halten, zum Zei- chen, wie fortan das Fremde hier heimiſch, das Einheimiſche auch den Fremden ehrwürdig ſein werde. Die Achtung, die er überdies den Aegyptiſchen Prieſtern zollte 50), mußte ihm dieſe Kaſte um ſo mehr gewinnen, je tiefer ſie von der oft fanatiſchen Intoleranz der Perſiſchen Fremdlinge herabgewürdigt worden war.
49) Die romanhaften Schilderungen von Alexanders Leben und Thaten (ſo Pseudo-Callisthenes bei St. Croix p. 164, Jul. Valerius p. 47.) machen aus dieſem Opfer eine förmliche Pharaonen- weihe, wie ſie unter Alexanders Nachfolgern in Aegypten ſeit dem fünften Ptolemäus, unter dem Namen der Anakleterien, wieder einge- führt wurde; ſ. das Nähere in meiner Abhandlung de Lagidarum regno p. 57. Doch war es Alexanders Abſicht nicht, ſich in jedem Theile des Perſerreiches die Krone früherer Könige übergeben zu laſſen, da er vielmehr ein Reich in Aſien und Europa zu gründen hoffte.
50)Plut. 27.
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reichte, Aegypten vom oberen Perſien durchaus abgeſchnitten war,
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So geſchah es denn, daß, als Alexander von Gaza aus nach
einem Marſche von ſieben Tagen in Peluſium eintraf, Mazaces
ihm ohne Weiteres Aegypten übergab. Während der König ſeine
aus Phönicien bereits gelandete Flotte auf dem Peluſiſchen Nilarm
ſtromauf ſandte, ging er ſelbſt über Heliopolis nach Memphis, um
ſich mit der Flotte dort wieder zu treffen; alle Städte, zu denen
er kam, öffneten ihm die Thore; ohne das geringſte Hinderniß be-
ſetzte er Memphis, die große Hauptſtadt des Nillandes, deſſen Un-
terwerfung mit dieſem Zuge vollbracht war.
Indeß wollte Alexander mehr als unterwerfen; es ſollte den
Völkern ſeines Reiches der Genuß und das Bewußtſein ihrer durch
die Perſer gewaltſam und darum vergebens zurückgedrängten Volks-
thümlichkeit unter der Aegide des Griechiſchen Lebens zurückgegeben
werden, damit der große Gedanke einer völligen Verſchmelzung bei-
der deſto leichter Raum und Kraft gewönne. So opferte der Macedo-
niſche König in den Tempeln der Acgyptiſchen Gottheiten, vor
Allen dem Apis, an deſſen Heiligkeit ſich die Erinnerung der alten
Pharaonenweihe knüpfte 49); zugleich ließ er in den Vorhöfen der
Tempel Griechiſche Wettkämpfe und Muſenſpiele halten, zum Zei-
chen, wie fortan das Fremde hier heimiſch, das Einheimiſche
auch den Fremden ehrwürdig ſein werde. Die Achtung, die er
überdies den Aegyptiſchen Prieſtern zollte 50), mußte ihm dieſe
Kaſte um ſo mehr gewinnen, je tiefer ſie von der oft fanatiſchen
Intoleranz der Perſiſchen Fremdlinge herabgewürdigt worden war.
49) Die romanhaften Schilderungen von Alexanders Leben
und Thaten (ſo Pseudo-Callisthenes bei St. Croix p. 164, Jul.
Valerius p. 47.) machen aus dieſem Opfer eine förmliche Pharaonen-
weihe, wie ſie unter Alexanders Nachfolgern in Aegypten ſeit dem
fünften Ptolemäus, unter dem Namen der Anakleterien, wieder einge-
führt wurde; ſ. das Nähere in meiner Abhandlung de Lagidarum regno
p. 57. Doch war es Alexanders Abſicht nicht, ſich in jedem Theile
des Perſerreiches die Krone früherer Könige übergeben zu laſſen, da
er vielmehr ein Reich in Aſien und Europa zu gründen hoffte.
50) Plut. 27.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/216>, abgerufen am 17.02.2025.
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