treuesten Officiere, Amphoterus, Kraterus Bruder, an Parmenion abgesandt; in der Landestracht, um unkenntlich zu sein, und von einigen Pergäern begleitet, gelangte er unerkannt an den Ort sei- ner Bestimmung; nachdem er seine Aufträge gesagt hatte, denn Alexander hatte so gefährliche Dinge nicht einem Briefe, der leicht aufgefangen und misbraucht werden konnte, anvertrauen wollen, wurde der Lynkestier in der Stille aufgehoben und festgesetzt; ihn zu richten, verschob der König auch jetzt noch, theils aus Rücksicht auf Antipater, dessen Schwiegersohn der Hochverräther war, beson- ders aber, um nicht zu beunruhigenden Gerüchten im Heere und in Griechenland Anlaß zu geben 51).
Nach diesem Aufenthalt brach das Heer aus der Gegend von Phaselis auf, um Pamphylien und den wichtigsten Ort des Landes, Perge, zu erreichen. Einen Theil des Heeres sandte Alexander auf dem langen und beschwerlichen Gebirgswege, den er durch die Thracier wenigstens für das Fußvolk hatte gangbar machen lassen, voraus, während er selbst, wie es scheint, mit der Ritterschaft und einem Theile des schweren Fußvolkes den Küstenweg einschlug; in der That ein kühnes Unternehmen, da gerade jetzt in der Winter- zeit der Weg von der Brandung bedeckt war; den ganzen Tag brauchte man, um das Wasser zu durchwaten, das oft bis an den Nabel hinaufreichte, aber das Beispiel und die Nähe des Königs, der das Wort "unmöglich" nicht kannte, ließ die Truppen wetteifern, alle Mühe mit Ausdauer und mit Freudigkeit zu überstehen; und als sie endlich am Ziele angelangt, auf ihren Weg, auf die schäu- mende Brandung des weiten Meeres zurücksahen, da war es ihnen wie ein Wunder, das die Götter durch Alexander vollbracht, und sie erkannten staunend, was sie selbst vermochten unter ihres Hel- denkönigs Führung. Die Kunde von diesem Zuge verbreitete sich, mit mährchenhaften Zusätzen geschmückt, unter den Hellenen: der König sei trotz des heftigen Südwindes, der das Wasser bis an die Berge hinaufgepeitscht, an das Gestade hinabgezogen, und plötzlich habe der Wind sich gedreht, und von Norden her die Wasser zu- rückgejagt 52); Andere wollten gar wissen, daß er sein Heer trock-
51)Arrian. Diod. XVII. 32. 80. Curt. VII. 1.
52)Arrian.
treueſten Officiere, Amphoterus, Kraterus Bruder, an Parmenion abgeſandt; in der Landestracht, um unkenntlich zu ſein, und von einigen Pergäern begleitet, gelangte er unerkannt an den Ort ſei- ner Beſtimmung; nachdem er ſeine Aufträge geſagt hatte, denn Alexander hatte ſo gefährliche Dinge nicht einem Briefe, der leicht aufgefangen und misbraucht werden konnte, anvertrauen wollen, wurde der Lynkeſtier in der Stille aufgehoben und feſtgeſetzt; ihn zu richten, verſchob der König auch jetzt noch, theils aus Rückſicht auf Antipater, deſſen Schwiegerſohn der Hochverräther war, beſon- ders aber, um nicht zu beunruhigenden Gerüchten im Heere und in Griechenland Anlaß zu geben 51).
Nach dieſem Aufenthalt brach das Heer aus der Gegend von Phaſelis auf, um Pamphylien und den wichtigſten Ort des Landes, Perge, zu erreichen. Einen Theil des Heeres ſandte Alexander auf dem langen und beſchwerlichen Gebirgswege, den er durch die Thracier wenigſtens für das Fußvolk hatte gangbar machen laſſen, voraus, während er ſelbſt, wie es ſcheint, mit der Ritterſchaft und einem Theile des ſchweren Fußvolkes den Küſtenweg einſchlug; in der That ein kühnes Unternehmen, da gerade jetzt in der Winter- zeit der Weg von der Brandung bedeckt war; den ganzen Tag brauchte man, um das Waſſer zu durchwaten, das oft bis an den Nabel hinaufreichte, aber das Beiſpiel und die Nähe des Königs, der das Wort „unmöglich“ nicht kannte, ließ die Truppen wetteifern, alle Mühe mit Ausdauer und mit Freudigkeit zu überſtehen; und als ſie endlich am Ziele angelangt, auf ihren Weg, auf die ſchäu- mende Brandung des weiten Meeres zurückſahen, da war es ihnen wie ein Wunder, das die Götter durch Alexander vollbracht, und ſie erkannten ſtaunend, was ſie ſelbſt vermochten unter ihres Hel- denkönigs Führung. Die Kunde von dieſem Zuge verbreitete ſich, mit mährchenhaften Zuſätzen geſchmückt, unter den Hellenen: der König ſei trotz des heftigen Südwindes, der das Waſſer bis an die Berge hinaufgepeitſcht, an das Geſtade hinabgezogen, und plötzlich habe der Wind ſich gedreht, und von Norden her die Waſſer zu- rückgejagt 52); Andere wollten gar wiſſen, daß er ſein Heer trock-
51)Arrian. Diod. XVII. 32. 80. Curt. VII. 1.
52)Arrian.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0154"n="140"/>
treueſten Officiere, Amphoterus, Kraterus Bruder, an Parmenion<lb/>
abgeſandt; in der Landestracht, um unkenntlich zu ſein, und von<lb/>
einigen Pergäern begleitet, gelangte er unerkannt an den Ort ſei-<lb/>
ner Beſtimmung; nachdem er ſeine Aufträge geſagt hatte, denn<lb/>
Alexander hatte ſo gefährliche Dinge nicht einem Briefe, der leicht<lb/>
aufgefangen und misbraucht werden konnte, anvertrauen wollen,<lb/>
wurde der Lynkeſtier in der Stille aufgehoben und feſtgeſetzt; ihn<lb/>
zu richten, verſchob der König auch jetzt noch, theils aus Rückſicht<lb/>
auf Antipater, deſſen Schwiegerſohn der Hochverräther war, beſon-<lb/>
ders aber, um nicht zu beunruhigenden Gerüchten im Heere und<lb/>
in Griechenland Anlaß zu geben <noteplace="foot"n="51)"><hirendition="#aq">Arrian. Diod. XVII. 32. 80. Curt. VII.</hi> 1.</note>.</p><lb/><p>Nach dieſem Aufenthalt brach das Heer aus der Gegend von<lb/>
Phaſelis auf, um Pamphylien und den wichtigſten Ort des Landes,<lb/>
Perge, zu erreichen. Einen Theil des Heeres ſandte Alexander<lb/>
auf dem langen und beſchwerlichen Gebirgswege, den er durch die<lb/>
Thracier wenigſtens für das Fußvolk hatte gangbar machen laſſen,<lb/>
voraus, während er ſelbſt, wie es ſcheint, mit der Ritterſchaft und<lb/>
einem Theile des ſchweren Fußvolkes den Küſtenweg einſchlug; in<lb/>
der That ein kühnes Unternehmen, da gerade jetzt in der Winter-<lb/>
zeit der Weg von der Brandung bedeckt war; den ganzen Tag<lb/>
brauchte man, um das Waſſer zu durchwaten, das oft bis an den<lb/>
Nabel hinaufreichte, aber das Beiſpiel und die Nähe des Königs,<lb/>
der das Wort „unmöglich“ nicht kannte, ließ die Truppen wetteifern,<lb/>
alle Mühe mit Ausdauer und mit Freudigkeit zu überſtehen; und<lb/>
als ſie endlich am Ziele angelangt, auf ihren Weg, auf die ſchäu-<lb/>
mende Brandung des weiten Meeres zurückſahen, da war es ihnen<lb/>
wie ein Wunder, das die Götter durch Alexander vollbracht, und<lb/>ſie erkannten ſtaunend, was ſie ſelbſt vermochten unter ihres Hel-<lb/>
denkönigs Führung. Die Kunde von dieſem Zuge verbreitete ſich,<lb/>
mit mährchenhaften Zuſätzen geſchmückt, unter den Hellenen: der<lb/>
König ſei trotz des heftigen Südwindes, der das Waſſer bis an die<lb/>
Berge hinaufgepeitſcht, an das Geſtade hinabgezogen, und plötzlich<lb/>
habe der Wind ſich gedreht, und von Norden her die Waſſer zu-<lb/>
rückgejagt <noteplace="foot"n="52)"><hirendition="#aq">Arrian.</hi></note>; Andere wollten gar wiſſen, daß er ſein Heer trock-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[140/0154]
treueſten Officiere, Amphoterus, Kraterus Bruder, an Parmenion
abgeſandt; in der Landestracht, um unkenntlich zu ſein, und von
einigen Pergäern begleitet, gelangte er unerkannt an den Ort ſei-
ner Beſtimmung; nachdem er ſeine Aufträge geſagt hatte, denn
Alexander hatte ſo gefährliche Dinge nicht einem Briefe, der leicht
aufgefangen und misbraucht werden konnte, anvertrauen wollen,
wurde der Lynkeſtier in der Stille aufgehoben und feſtgeſetzt; ihn
zu richten, verſchob der König auch jetzt noch, theils aus Rückſicht
auf Antipater, deſſen Schwiegerſohn der Hochverräther war, beſon-
ders aber, um nicht zu beunruhigenden Gerüchten im Heere und
in Griechenland Anlaß zu geben 51).
Nach dieſem Aufenthalt brach das Heer aus der Gegend von
Phaſelis auf, um Pamphylien und den wichtigſten Ort des Landes,
Perge, zu erreichen. Einen Theil des Heeres ſandte Alexander
auf dem langen und beſchwerlichen Gebirgswege, den er durch die
Thracier wenigſtens für das Fußvolk hatte gangbar machen laſſen,
voraus, während er ſelbſt, wie es ſcheint, mit der Ritterſchaft und
einem Theile des ſchweren Fußvolkes den Küſtenweg einſchlug; in
der That ein kühnes Unternehmen, da gerade jetzt in der Winter-
zeit der Weg von der Brandung bedeckt war; den ganzen Tag
brauchte man, um das Waſſer zu durchwaten, das oft bis an den
Nabel hinaufreichte, aber das Beiſpiel und die Nähe des Königs,
der das Wort „unmöglich“ nicht kannte, ließ die Truppen wetteifern,
alle Mühe mit Ausdauer und mit Freudigkeit zu überſtehen; und
als ſie endlich am Ziele angelangt, auf ihren Weg, auf die ſchäu-
mende Brandung des weiten Meeres zurückſahen, da war es ihnen
wie ein Wunder, das die Götter durch Alexander vollbracht, und
ſie erkannten ſtaunend, was ſie ſelbſt vermochten unter ihres Hel-
denkönigs Führung. Die Kunde von dieſem Zuge verbreitete ſich,
mit mährchenhaften Zuſätzen geſchmückt, unter den Hellenen: der
König ſei trotz des heftigen Südwindes, der das Waſſer bis an die
Berge hinaufgepeitſcht, an das Geſtade hinabgezogen, und plötzlich
habe der Wind ſich gedreht, und von Norden her die Waſſer zu-
rückgejagt 52); Andere wollten gar wiſſen, daß er ſein Heer trock-
51) Arrian. Diod. XVII. 32. 80. Curt. VII. 1.
52) Arrian.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/154>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.