ihm blieben Nicias und Pausanias aus der Schaar der Getreuen zurück, dieser als Befehlshaber der Burg von Sardes und der Be- satzung, zu der das Contingent der Argiver bestimmt wurde, je- ner zur Vertheilung und Erhebung der Abgaben. Ein anderes Corps, das aus den Contingenten der Peloponnesier, der Thessalier und der meisten übrigen Griechen bestand, wurde unter Kalas und dem Lynkestier Alexander nach den Gegenden, die dem Rhodier Memnon gehörten, abgesandt; Alexander hatte derselben bisher ge- schont, wie es hieß, um dem Perserkönige Verdacht gegen seinen besten, ja einzigen Feldherrn einzuflößen 30); jetzt aber war dieser Winkel Asiens von Alexanders Marschrouten eingeschlossen, und durfte nicht länger den Zusammenhang der Occupation unterbrechen.
Der König selbst wandte sich mit der Hauptmacht von Sar- des aus nach Jonien, dessen Städte seit langen Jahren das Joch Persischer Besatzungen oder Persisch gesinnter Oligarchen ertragen hatten, und sich, wie sehr sie auch durch die lange Knechtschaft er- niedrigt sein mochten, nicht ohne lautes Verlangen ihrer alten Ho- heit und Freiheit erinnerten, die ihnen jetzt noch einmal wie durch ein Wunder der Götter wiederkehren zu wollen schien; nicht als ob sich diese Stimmung überall geäußert hätte; wo die oligarchische Parthei stark genug war, mußte das Volk schweigen; aber eben das Volk, stets, wenn auch irregeleitet oder niedergedrückt, für das Rechte und Große bereit, zeigte, sobald es des Druckes frei war, daß es des Griechischen Ursprunges nicht vergessen; ungezügelte Freude und leidenschaftlicher Haß gegen die Unterdrücker waren der Beginn der neuen Freiheit.
Ephesus, die Königin unter den Jonischen Städten, ging den anderen mit einem großen Beispiele voran. Noch zu Philipps Zeit, und vielleicht durch ihn veranlaßt, hatte sich das Volk frei gemacht; ein Persisches Heer unter Autophradates war umsonst gegen die Stadt gerückt, und das heitere Volk der Ephesier, unbesorgt um den Perser, lustwandelte und freute sich auf der Wiese, während die Aeltesten der Stadt mit Autophradates unterhandelten; seit der Zeit war wieder eine Persische Besatzung in Ephesus, und die Gewalt in den Händen des Syrphax und seines Geschlechtes.
30)Polyaen. IV. 3. 15.
ihm blieben Nicias und Pauſanias aus der Schaar der Getreuen zurück, dieſer als Befehlshaber der Burg von Sardes und der Be- ſatzung, zu der das Contingent der Argiver beſtimmt wurde, je- ner zur Vertheilung und Erhebung der Abgaben. Ein anderes Corps, das aus den Contingenten der Peloponneſier, der Theſſalier und der meiſten übrigen Griechen beſtand, wurde unter Kalas und dem Lynkeſtier Alexander nach den Gegenden, die dem Rhodier Memnon gehörten, abgeſandt; Alexander hatte derſelben bisher ge- ſchont, wie es hieß, um dem Perſerkönige Verdacht gegen ſeinen beſten, ja einzigen Feldherrn einzuflößen 30); jetzt aber war dieſer Winkel Aſiens von Alexanders Marſchrouten eingeſchloſſen, und durfte nicht länger den Zuſammenhang der Occupation unterbrechen.
Der König ſelbſt wandte ſich mit der Hauptmacht von Sar- des aus nach Jonien, deſſen Städte ſeit langen Jahren das Joch Perſiſcher Beſatzungen oder Perſiſch geſinnter Oligarchen ertragen hatten, und ſich, wie ſehr ſie auch durch die lange Knechtſchaft er- niedrigt ſein mochten, nicht ohne lautes Verlangen ihrer alten Ho- heit und Freiheit erinnerten, die ihnen jetzt noch einmal wie durch ein Wunder der Götter wiederkehren zu wollen ſchien; nicht als ob ſich dieſe Stimmung überall geäußert hätte; wo die oligarchiſche Parthei ſtark genug war, mußte das Volk ſchweigen; aber eben das Volk, ſtets, wenn auch irregeleitet oder niedergedrückt, für das Rechte und Große bereit, zeigte, ſobald es des Druckes frei war, daß es des Griechiſchen Urſprunges nicht vergeſſen; ungezügelte Freude und leidenſchaftlicher Haß gegen die Unterdrücker waren der Beginn der neuen Freiheit.
Epheſus, die Königin unter den Joniſchen Städten, ging den anderen mit einem großen Beiſpiele voran. Noch zu Philipps Zeit, und vielleicht durch ihn veranlaßt, hatte ſich das Volk frei gemacht; ein Perſiſches Heer unter Autophradates war umſonſt gegen die Stadt gerückt, und das heitere Volk der Epheſier, unbeſorgt um den Perſer, luſtwandelte und freute ſich auf der Wieſe, während die Aelteſten der Stadt mit Autophradates unterhandelten; ſeit der Zeit war wieder eine Perſiſche Beſatzung in Epheſus, und die Gewalt in den Händen des Syrphax und ſeines Geſchlechtes.
30)Polyaen. IV. 3. 15.
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ihm blieben Nicias und Pauſanias aus der Schaar der Getreuen
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ner zur Vertheilung und Erhebung der Abgaben. Ein anderes
Corps, das aus den Contingenten der Peloponneſier, der Theſſalier
und der meiſten übrigen Griechen beſtand, wurde unter Kalas und
dem Lynkeſtier Alexander nach den Gegenden, die dem Rhodier
Memnon gehörten, abgeſandt; Alexander hatte derſelben bisher ge-
ſchont, wie es hieß, um dem Perſerkönige Verdacht gegen ſeinen
beſten, ja einzigen Feldherrn einzuflößen 30); jetzt aber war dieſer
Winkel Aſiens von Alexanders Marſchrouten eingeſchloſſen, und durfte
nicht länger den Zuſammenhang der Occupation unterbrechen.
Der König ſelbſt wandte ſich mit der Hauptmacht von Sar-
des aus nach Jonien, deſſen Städte ſeit langen Jahren das Joch
Perſiſcher Beſatzungen oder Perſiſch geſinnter Oligarchen ertragen
hatten, und ſich, wie ſehr ſie auch durch die lange Knechtſchaft er-
niedrigt ſein mochten, nicht ohne lautes Verlangen ihrer alten Ho-
heit und Freiheit erinnerten, die ihnen jetzt noch einmal wie durch
ein Wunder der Götter wiederkehren zu wollen ſchien; nicht als
ob ſich dieſe Stimmung überall geäußert hätte; wo die oligarchiſche
Parthei ſtark genug war, mußte das Volk ſchweigen; aber eben
das Volk, ſtets, wenn auch irregeleitet oder niedergedrückt, für das
Rechte und Große bereit, zeigte, ſobald es des Druckes frei war,
daß es des Griechiſchen Urſprunges nicht vergeſſen; ungezügelte
Freude und leidenſchaftlicher Haß gegen die Unterdrücker waren der
Beginn der neuen Freiheit.
Epheſus, die Königin unter den Joniſchen Städten, ging den
anderen mit einem großen Beiſpiele voran. Noch zu Philipps Zeit,
und vielleicht durch ihn veranlaßt, hatte ſich das Volk frei gemacht;
ein Perſiſches Heer unter Autophradates war umſonſt gegen die
Stadt gerückt, und das heitere Volk der Epheſier, unbeſorgt um
den Perſer, luſtwandelte und freute ſich auf der Wieſe, während
die Aelteſten der Stadt mit Autophradates unterhandelten; ſeit
der Zeit war wieder eine Perſiſche Beſatzung in Epheſus, und die
Gewalt in den Händen des Syrphax und ſeines Geſchlechtes.
30) Polyaen. IV. 3. 15.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/133>, abgerufen am 24.11.2024.
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