zu Aegä 19), die mit dem versammelten Heere auf das feierlichste begangen wurden, zog die Armee auf der großen Heerstraße 20) über Amphipolis am Strymon hin, über den Nessusfluß zum Cher- sones nach Sestos, wo sie am zwanzigsten Tage ankam; hier nahm Alexander von seiner Mutter und von der Heimath Abschied; schon war die Macedonische Flotte in den Hellespont eingelaufen, um das Heer nach Asien hinüberzusetzen, das sich auf der Küste des Meerarmes aus- breitete; Alexander selbst ging nach Eläus, den Troischen Gestaden ge- genüber, auf dem Grabhügel des Protesilaus, des ersten Helden, der im Kriege gegen Troja gefallen war, zu opfern, damit ihm glückli- cher als jenem der Zug gen Osten würde. Dann wurde das Heer eingeschifft; zweihundert Trieren und viele Lastschiffe kreuzten in diesen Tagen zwischen den schönen, in aller Frühlingspracht grünen- den Gestaden des Hellesponts, den einst Xerxes gejocht und gegeißelt; Alexander, selbst am Steuer seines königlichen Schiffes, lenkte vom Grabe des Protesilaus aus nach der Bucht hinüber, die seit den Zeiten Achills und Agamemnons der Hafen der Achäer hieß, und an der die Grabhügel des Aias, des Achilles und Patroklus em- porragten. Auf der Höhe des Hellesponts opferte der König und spendete für Poseidon und die Nereiden aus goldener Schaale. Dann nahete man dem Gestade; Alexanders Triere war die erste am Ufer; vom hohen Bord des Vorderschiffes schleuderte der Kö- nig seine Lanze in das Land der Feinde, und sprang dann, der erste von Allen, in voller Rüstung an den Strand. Altäre, gebot er, sollten fortan die Stelle bezeichnen, wo Asiens Boden zuerst von dem Fuße seines Ueberwinders betreten worden. Dann zog er mit seinen Generalen und dem Geleit der Hypaspisten 21) nach den Ruinen Ilions, opferte im Tempel der Troischen Pallas, weihte ihr seine Waffen, und nahm statt deren von den heiligen Waffen aus der Zeit des Troischen Krieges. Auch am Altare des
19) Ueber diese Feste weichen Arrians Angaben von denen ande- rer Autoren ab; die Sache ist von keinem Belang.
20) Das Detail dieses Weges s. Cousinery p. 136 sqq., der sich indeß über den Bau der Macedonischen Flotte auf dem Kerkinissee in unhaltba- ren Hypothesen ergeht.
21) Mit Alexander fuhren sechszig Trieren; Diod.
zu Aegä 19), die mit dem verſammelten Heere auf das feierlichſte begangen wurden, zog die Armee auf der großen Heerſtraße 20) über Amphipolis am Strymon hin, über den Neſſusfluß zum Cher- ſones nach Seſtos, wo ſie am zwanzigſten Tage ankam; hier nahm Alexander von ſeiner Mutter und von der Heimath Abſchied; ſchon war die Macedoniſche Flotte in den Hellespont eingelaufen, um das Heer nach Aſien hinüberzuſetzen, das ſich auf der Küſte des Meerarmes aus- breitete; Alexander ſelbſt ging nach Eläus, den Troiſchen Geſtaden ge- genüber, auf dem Grabhügel des Proteſilaus, des erſten Helden, der im Kriege gegen Troja gefallen war, zu opfern, damit ihm glückli- cher als jenem der Zug gen Oſten würde. Dann wurde das Heer eingeſchifft; zweihundert Trieren und viele Laſtſchiffe kreuzten in dieſen Tagen zwiſchen den ſchönen, in aller Frühlingspracht grünen- den Geſtaden des Hellesponts, den einſt Xerxes gejocht und gegeißelt; Alexander, ſelbſt am Steuer ſeines königlichen Schiffes, lenkte vom Grabe des Proteſilaus aus nach der Bucht hinüber, die ſeit den Zeiten Achills und Agamemnons der Hafen der Achäer hieß, und an der die Grabhügel des Aias, des Achilles und Patroklus em- porragten. Auf der Höhe des Hellesponts opferte der König und ſpendete für Poſeidon und die Nereiden aus goldener Schaale. Dann nahete man dem Geſtade; Alexanders Triere war die erſte am Ufer; vom hohen Bord des Vorderſchiffes ſchleuderte der Kö- nig ſeine Lanze in das Land der Feinde, und ſprang dann, der erſte von Allen, in voller Rüſtung an den Strand. Altäre, gebot er, ſollten fortan die Stelle bezeichnen, wo Aſiens Boden zuerſt von dem Fuße ſeines Ueberwinders betreten worden. Dann zog er mit ſeinen Generalen und dem Geleit der Hypaspiſten 21) nach den Ruinen Ilions, opferte im Tempel der Troiſchen Pallas, weihte ihr ſeine Waffen, und nahm ſtatt deren von den heiligen Waffen aus der Zeit des Troiſchen Krieges. Auch am Altare des
19) Ueber dieſe Feſte weichen Arrians Angaben von denen ande- rer Autoren ab; die Sache iſt von keinem Belang.
20) Das Detail dieſes Weges ſ. Couſinery p. 136 sqq., der ſich indeß über den Bau der Macedoniſchen Flotte auf dem Kerkinisſee in unhaltba- ren Hypotheſen ergeht.
21) Mit Alexander fuhren ſechszig Trieren; Diod.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0122"n="108"/>
zu Aegä <noteplace="foot"n="19)">Ueber dieſe Feſte weichen Arrians Angaben von denen ande-<lb/>
rer Autoren ab; die Sache iſt von keinem Belang.</note>, die mit dem verſammelten Heere auf das feierlichſte<lb/>
begangen wurden, zog die Armee auf der großen Heerſtraße <noteplace="foot"n="20)">Das<lb/>
Detail dieſes Weges ſ. Couſinery <hirendition="#aq">p. 136 sqq.</hi>, der ſich indeß über<lb/>
den Bau der Macedoniſchen Flotte auf dem Kerkinisſee in unhaltba-<lb/>
ren Hypotheſen ergeht.</note><lb/>
über Amphipolis am Strymon hin, über den Neſſusfluß zum Cher-<lb/>ſones nach Seſtos, wo ſie am zwanzigſten Tage ankam; hier nahm<lb/>
Alexander von ſeiner Mutter und von der Heimath Abſchied; ſchon war<lb/>
die Macedoniſche Flotte in den Hellespont eingelaufen, um das Heer<lb/>
nach Aſien hinüberzuſetzen, das ſich auf der Küſte des Meerarmes aus-<lb/>
breitete; Alexander ſelbſt ging nach Eläus, den Troiſchen Geſtaden ge-<lb/>
genüber, auf dem Grabhügel des Proteſilaus, des erſten Helden, der<lb/>
im Kriege gegen Troja gefallen war, zu opfern, damit ihm glückli-<lb/>
cher als jenem der Zug gen Oſten würde. Dann wurde das Heer<lb/>
eingeſchifft; zweihundert Trieren und viele Laſtſchiffe kreuzten in<lb/>
dieſen Tagen zwiſchen den ſchönen, in aller Frühlingspracht grünen-<lb/>
den Geſtaden des Hellesponts, den einſt Xerxes gejocht und gegeißelt;<lb/>
Alexander, ſelbſt am Steuer ſeines königlichen Schiffes, lenkte vom<lb/>
Grabe des Proteſilaus aus nach der Bucht hinüber, die ſeit den<lb/>
Zeiten Achills und Agamemnons der Hafen der Achäer hieß, und<lb/>
an der die Grabhügel des Aias, des Achilles und Patroklus em-<lb/>
porragten. Auf der Höhe des Hellesponts opferte der König und<lb/>ſpendete für Poſeidon und die Nereiden aus goldener Schaale.<lb/>
Dann nahete man dem Geſtade; Alexanders Triere war die erſte<lb/>
am Ufer; vom hohen Bord des Vorderſchiffes ſchleuderte der Kö-<lb/>
nig ſeine Lanze in das Land der Feinde, und ſprang dann, der<lb/>
erſte von Allen, in voller Rüſtung an den Strand. Altäre, gebot<lb/>
er, ſollten fortan die Stelle bezeichnen, wo Aſiens Boden zuerſt<lb/>
von dem Fuße ſeines Ueberwinders betreten worden. Dann zog er<lb/>
mit ſeinen Generalen und dem Geleit der Hypaspiſten <noteplace="foot"n="21)">Mit Alexander fuhren ſechszig<lb/>
Trieren; <hirendition="#aq">Diod.</hi></note> nach<lb/>
den Ruinen Ilions, opferte im Tempel der Troiſchen Pallas,<lb/>
weihte ihr ſeine Waffen, und nahm ſtatt deren von den heiligen<lb/>
Waffen aus der Zeit des Troiſchen Krieges. Auch am Altare des<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[108/0122]
zu Aegä 19), die mit dem verſammelten Heere auf das feierlichſte
begangen wurden, zog die Armee auf der großen Heerſtraße 20)
über Amphipolis am Strymon hin, über den Neſſusfluß zum Cher-
ſones nach Seſtos, wo ſie am zwanzigſten Tage ankam; hier nahm
Alexander von ſeiner Mutter und von der Heimath Abſchied; ſchon war
die Macedoniſche Flotte in den Hellespont eingelaufen, um das Heer
nach Aſien hinüberzuſetzen, das ſich auf der Küſte des Meerarmes aus-
breitete; Alexander ſelbſt ging nach Eläus, den Troiſchen Geſtaden ge-
genüber, auf dem Grabhügel des Proteſilaus, des erſten Helden, der
im Kriege gegen Troja gefallen war, zu opfern, damit ihm glückli-
cher als jenem der Zug gen Oſten würde. Dann wurde das Heer
eingeſchifft; zweihundert Trieren und viele Laſtſchiffe kreuzten in
dieſen Tagen zwiſchen den ſchönen, in aller Frühlingspracht grünen-
den Geſtaden des Hellesponts, den einſt Xerxes gejocht und gegeißelt;
Alexander, ſelbſt am Steuer ſeines königlichen Schiffes, lenkte vom
Grabe des Proteſilaus aus nach der Bucht hinüber, die ſeit den
Zeiten Achills und Agamemnons der Hafen der Achäer hieß, und
an der die Grabhügel des Aias, des Achilles und Patroklus em-
porragten. Auf der Höhe des Hellesponts opferte der König und
ſpendete für Poſeidon und die Nereiden aus goldener Schaale.
Dann nahete man dem Geſtade; Alexanders Triere war die erſte
am Ufer; vom hohen Bord des Vorderſchiffes ſchleuderte der Kö-
nig ſeine Lanze in das Land der Feinde, und ſprang dann, der
erſte von Allen, in voller Rüſtung an den Strand. Altäre, gebot
er, ſollten fortan die Stelle bezeichnen, wo Aſiens Boden zuerſt
von dem Fuße ſeines Ueberwinders betreten worden. Dann zog er
mit ſeinen Generalen und dem Geleit der Hypaspiſten 21) nach
den Ruinen Ilions, opferte im Tempel der Troiſchen Pallas,
weihte ihr ſeine Waffen, und nahm ſtatt deren von den heiligen
Waffen aus der Zeit des Troiſchen Krieges. Auch am Altare des
19) Ueber dieſe Feſte weichen Arrians Angaben von denen ande-
rer Autoren ab; die Sache iſt von keinem Belang.
20) Das
Detail dieſes Weges ſ. Couſinery p. 136 sqq., der ſich indeß über
den Bau der Macedoniſchen Flotte auf dem Kerkinisſee in unhaltba-
ren Hypotheſen ergeht.
21) Mit Alexander fuhren ſechszig
Trieren; Diod.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/122>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.