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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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Sie würden besser mich begreifen,
Seh'n deiner Locken dunkeln Haag
Sie mich mit leisem Finger streifen,
Als lüft' ich sie dem jungen Tag;
Den Flor mich breiten dicht und dichter,
Daß deiner Augen zarte Lichter
Kein Sonnenstrahl verletzen mag.
Was fremd, dahin will ich nicht schauen
Und will nicht wissen, wo sie brennt,
Ob an der Lipp', der Wang', den Brauen,
Die Flamme, die dein Herz nicht kennt.
Ich will nur seh'n in deine Augen,
Den einen frommen Blick nur saugen,
Der leise meinen Namen nennt.
Ihn, der wie Mondlicht mich umflossen,
Als in der ernsten Abendzeit
Wir saßen, Hand in Hand geschlossen,
Und dachten Tod und Ewigkeit.
Ihn, der sich von der Sonne Schwinden
Heilig gewendet, mich zu finden,
Und lächelnd sprach: ich bin bereit!


4*
Sie würden beſſer mich begreifen,
Seh’n deiner Locken dunkeln Haag
Sie mich mit leiſem Finger ſtreifen,
Als lüft’ ich ſie dem jungen Tag;
Den Flor mich breiten dicht und dichter,
Daß deiner Augen zarte Lichter
Kein Sonnenſtrahl verletzen mag.
Was fremd, dahin will ich nicht ſchauen
Und will nicht wiſſen, wo ſie brennt,
Ob an der Lipp’, der Wang’, den Brauen,
Die Flamme, die dein Herz nicht kennt.
Ich will nur ſeh’n in deine Augen,
Den einen frommen Blick nur ſaugen,
Der leiſe meinen Namen nennt.
Ihn, der wie Mondlicht mich umfloſſen,
Als in der ernſten Abendzeit
Wir ſaßen, Hand in Hand geſchloſſen,
Und dachten Tod und Ewigkeit.
Ihn, der ſich von der Sonne Schwinden
Heilig gewendet, mich zu finden,
Und lächelnd ſprach: ich bin bereit!


4*
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[51/0067] Sie würden beſſer mich begreifen, Seh’n deiner Locken dunkeln Haag Sie mich mit leiſem Finger ſtreifen, Als lüft’ ich ſie dem jungen Tag; Den Flor mich breiten dicht und dichter, Daß deiner Augen zarte Lichter Kein Sonnenſtrahl verletzen mag. Was fremd, dahin will ich nicht ſchauen Und will nicht wiſſen, wo ſie brennt, Ob an der Lipp’, der Wang’, den Brauen, Die Flamme, die dein Herz nicht kennt. Ich will nur ſeh’n in deine Augen, Den einen frommen Blick nur ſaugen, Der leiſe meinen Namen nennt. Ihn, der wie Mondlicht mich umfloſſen, Als in der ernſten Abendzeit Wir ſaßen, Hand in Hand geſchloſſen, Und dachten Tod und Ewigkeit. Ihn, der ſich von der Sonne Schwinden Heilig gewendet, mich zu finden, Und lächelnd ſprach: ich bin bereit! 4*

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/67>, abgerufen am 23.11.2024.