Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Nicht rede ich von jenen Jahren, Die dämmernd uns die Kindheit beut, -- Nein, so verdämmert und zerfahren War meine ganze Jugendzeit! Wohl sah ich freundliche Gestalten Am Horizont vorüberflieh'n; Ich konnte heiße Hände halten Und heiße Lippen an mich zieh'n. Ich hörte ihres Grußes Pochen, Ihr leises Wispern um mein Haus, Und sandte schwimmend, halbgebrochen, Nur einen Seufzer halb hinaus. Ich fühlte ihres Hauches Fächeln Und war doch keine Blume süß! Ich sah der Liebe Engel lächeln, Und hatte doch kein Paradies. Mir war, als habe in den Noten Sich jeder Ton an mich verwirrt, Sich jede Hand, die mir geboten, Im Dunkel wunderlich verirrt. Nicht rede ich von jenen Jahren, Die dämmernd uns die Kindheit beut, — Nein, ſo verdämmert und zerfahren War meine ganze Jugendzeit! Wohl ſah ich freundliche Geſtalten Am Horizont vorüberflieh’n; Ich konnte heiße Hände halten Und heiße Lippen an mich zieh’n. Ich hörte ihres Grußes Pochen, Ihr leiſes Wispern um mein Haus, Und ſandte ſchwimmend, halbgebrochen, Nur einen Seufzer halb hinaus. Ich fühlte ihres Hauches Fächeln Und war doch keine Blume ſüß! Ich ſah der Liebe Engel lächeln, Und hatte doch kein Paradies. Mir war, als habe in den Noten Sich jeder Ton an mich verwirrt, Sich jede Hand, die mir geboten, Im Dunkel wunderlich verirrt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0041" n="25"/> <lg n="3"> <l>Nicht rede ich von jenen Jahren,</l><lb/> <l>Die dämmernd uns die Kindheit beut, —</l><lb/> <l>Nein, ſo verdämmert und zerfahren</l><lb/> <l>War meine ganze Jugendzeit!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wohl ſah ich freundliche Geſtalten</l><lb/> <l>Am Horizont vorüberflieh’n;</l><lb/> <l>Ich konnte heiße Hände halten</l><lb/> <l>Und heiße Lippen an mich zieh’n.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Ich hörte ihres Grußes Pochen,</l><lb/> <l>Ihr leiſes Wispern um mein Haus,</l><lb/> <l>Und ſandte ſchwimmend, halbgebrochen,</l><lb/> <l>Nur einen Seufzer halb hinaus.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ich fühlte ihres Hauches Fächeln</l><lb/> <l>Und war doch keine Blume ſüß!</l><lb/> <l>Ich ſah der Liebe Engel lächeln,</l><lb/> <l>Und hatte doch kein Paradies.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Mir war, als habe in den Noten</l><lb/> <l>Sich jeder Ton an mich verwirrt,</l><lb/> <l>Sich jede Hand, die mir geboten,</l><lb/> <l>Im Dunkel wunderlich verirrt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [25/0041]
Nicht rede ich von jenen Jahren,
Die dämmernd uns die Kindheit beut, —
Nein, ſo verdämmert und zerfahren
War meine ganze Jugendzeit!
Wohl ſah ich freundliche Geſtalten
Am Horizont vorüberflieh’n;
Ich konnte heiße Hände halten
Und heiße Lippen an mich zieh’n.
Ich hörte ihres Grußes Pochen,
Ihr leiſes Wispern um mein Haus,
Und ſandte ſchwimmend, halbgebrochen,
Nur einen Seufzer halb hinaus.
Ich fühlte ihres Hauches Fächeln
Und war doch keine Blume ſüß!
Ich ſah der Liebe Engel lächeln,
Und hatte doch kein Paradies.
Mir war, als habe in den Noten
Sich jeder Ton an mich verwirrt,
Sich jede Hand, die mir geboten,
Im Dunkel wunderlich verirrt.
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