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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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das Volk bezeichnende Höflichkeit des Herzens ver-
bietet die Ueberbringung der Gabe durch ein Fa-
milienmitglied; wer keine Magd hat, schickt ein frem-
des Kind. -- Am Hochzeitmorgen, etwa um acht,
besteigt die Braut den mit einer weißen, goldflin-
kernden Fahne geschmückten Wagen, der ihre Aus-
stattung enthält; -- sie sitzt allein zwischen ihren
Schätzen, im besten Staate, aber ohne besonderes
Abzeichen und weint auf's Jämmerlichste; auch die
auf dem folgenden Wagen gruppirten Brautjungfern
und Nachbarinnen beobachten eine ernste, verschämte
Haltung, während die auf dicken Ackergäulen nebenher
trabenden Bursche durch Hutschwenken und hier und
dort ein schwerfälliges Juchhei ihre Lustigkeit aus-
zudrücken suchen, und zuweilen eine alte, blindge-
ladene Flinte knallen lassen. -- Erst vor der Pfarr-
kirche findet sich der Bräutigam mit seinem Gefolge
ein, besteigt aber nach der Trauung nicht den Wagen
der Braut, sondern trabt als einziger Fußgänger
nebenher bis zur Thür seines Hauses, wo die
junge Frau von der Schwiegermutter empfangen
und mit einem "Gott segne deinen Ein- und Aus-
gang" feierlich über die Schwelle geleitet wird. --
Lebt die Mutter nicht mehr, so vertritt der Pfarrer
ihre Stelle, oder, wenn er zufällig gegenwärtig ist,
der Gutsherr, was für eine sehr glückliche Vorbe-
deutung gehalten wird, die den Neuvermählten und

das Volk bezeichnende Höflichkeit des Herzens ver-
bietet die Ueberbringung der Gabe durch ein Fa-
milienmitglied; wer keine Magd hat, ſchickt ein frem-
des Kind. — Am Hochzeitmorgen, etwa um acht,
beſteigt die Braut den mit einer weißen, goldflin-
kernden Fahne geſchmückten Wagen, der ihre Aus-
ſtattung enthält; — ſie ſitzt allein zwiſchen ihren
Schätzen, im beſten Staate, aber ohne beſonderes
Abzeichen und weint auf’s Jämmerlichſte; auch die
auf dem folgenden Wagen gruppirten Brautjungfern
und Nachbarinnen beobachten eine ernſte, verſchämte
Haltung, während die auf dicken Ackergäulen nebenher
trabenden Burſche durch Hutſchwenken und hier und
dort ein ſchwerfälliges Juchhei ihre Luſtigkeit aus-
zudrücken ſuchen, und zuweilen eine alte, blindge-
ladene Flinte knallen laſſen. — Erſt vor der Pfarr-
kirche findet ſich der Bräutigam mit ſeinem Gefolge
ein, beſteigt aber nach der Trauung nicht den Wagen
der Braut, ſondern trabt als einziger Fußgänger
nebenher bis zur Thür ſeines Hauſes, wo die
junge Frau von der Schwiegermutter empfangen
und mit einem „Gott ſegne deinen Ein- und Aus-
gang“ feierlich über die Schwelle geleitet wird. —
Lebt die Mutter nicht mehr, ſo vertritt der Pfarrer
ihre Stelle, oder, wenn er zufällig gegenwärtig iſt,
der Gutsherr, was für eine ſehr glückliche Vorbe-
deutung gehalten wird, die den Neuvermählten und

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[281/0297] das Volk bezeichnende Höflichkeit des Herzens ver- bietet die Ueberbringung der Gabe durch ein Fa- milienmitglied; wer keine Magd hat, ſchickt ein frem- des Kind. — Am Hochzeitmorgen, etwa um acht, beſteigt die Braut den mit einer weißen, goldflin- kernden Fahne geſchmückten Wagen, der ihre Aus- ſtattung enthält; — ſie ſitzt allein zwiſchen ihren Schätzen, im beſten Staate, aber ohne beſonderes Abzeichen und weint auf’s Jämmerlichſte; auch die auf dem folgenden Wagen gruppirten Brautjungfern und Nachbarinnen beobachten eine ernſte, verſchämte Haltung, während die auf dicken Ackergäulen nebenher trabenden Burſche durch Hutſchwenken und hier und dort ein ſchwerfälliges Juchhei ihre Luſtigkeit aus- zudrücken ſuchen, und zuweilen eine alte, blindge- ladene Flinte knallen laſſen. — Erſt vor der Pfarr- kirche findet ſich der Bräutigam mit ſeinem Gefolge ein, beſteigt aber nach der Trauung nicht den Wagen der Braut, ſondern trabt als einziger Fußgänger nebenher bis zur Thür ſeines Hauſes, wo die junge Frau von der Schwiegermutter empfangen und mit einem „Gott ſegne deinen Ein- und Aus- gang“ feierlich über die Schwelle geleitet wird. — Lebt die Mutter nicht mehr, ſo vertritt der Pfarrer ihre Stelle, oder, wenn er zufällig gegenwärtig iſt, der Gutsherr, was für eine ſehr glückliche Vorbe- deutung gehalten wird, die den Neuvermählten und

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/297>, abgerufen am 24.11.2024.