rastloser und zumeist glücklicher Spekulant, vom reichen Fabrikherrn, der mit Vieren fährt, bis zum abgerissenen Herumstreicher, der "Kirschen für Lumpen" ausbietet; und hier findet sich der einzige Adel Westphalens, der sich durch Eisenhämmer, Papier- mühlen und Salzwerke dem Kaufmannsstande an- schließt. -- Obwohl der Confession nach katholisch, ist das Fabrikvolk doch an vielen Orten bis zur Gleichgültigkeit lau, und lacht nur zu oft über die Schaaren frommer Wallfahrer, die vor seinen Gnadenbildern bestäubt und keuchend ihre Litaneien absingen, und an denen ihm der Klang des Geldes, das sie einführen, bei weitem die verdienstvollste Musik scheint. -- Uebrigens besitzt der Sauerländer manche anziehende Seite; er ist muthig, besonnen, von scharfem aber kühlem Verstande, obwohl im Allgemeinen berechnend, doch aus Ehrgefühl be- deutender Aufopferungen fähig; und selbst der ge- ringste besitzt einen Anflug ritterlicher Galanterie und einen naiven Humor, der seine Unterhaltung äußerst angenehm für denjenigen macht, dessen Ohren nicht allzu zart sind. -- Daß in einem Lande, wo drei Viertel der Bevölkerung, Mann, Weib und Kind, ihren Tag unter fremdem Dache (in den Fabrikstuben) zubringen, oder auf Handels- füßen das Land durchziehen, die häuslichen Ver- hältnisse sehr locker, gewissermaßen unbedeutend sind,
raſtloſer und zumeiſt glücklicher Spekulant, vom reichen Fabrikherrn, der mit Vieren fährt, bis zum abgeriſſenen Herumſtreicher, der „Kirſchen für Lumpen“ ausbietet; und hier findet ſich der einzige Adel Weſtphalens, der ſich durch Eiſenhämmer, Papier- mühlen und Salzwerke dem Kaufmannsſtande an- ſchließt. — Obwohl der Confeſſion nach katholiſch, iſt das Fabrikvolk doch an vielen Orten bis zur Gleichgültigkeit lau, und lacht nur zu oft über die Schaaren frommer Wallfahrer, die vor ſeinen Gnadenbildern beſtäubt und keuchend ihre Litaneien abſingen, und an denen ihm der Klang des Geldes, das ſie einführen, bei weitem die verdienſtvollſte Muſik ſcheint. — Uebrigens beſitzt der Sauerländer manche anziehende Seite; er iſt muthig, beſonnen, von ſcharfem aber kühlem Verſtande, obwohl im Allgemeinen berechnend, doch aus Ehrgefühl be- deutender Aufopferungen fähig; und ſelbſt der ge- ringſte beſitzt einen Anflug ritterlicher Galanterie und einen naiven Humor, der ſeine Unterhaltung äußerſt angenehm für denjenigen macht, deſſen Ohren nicht allzu zart ſind. — Daß in einem Lande, wo drei Viertel der Bevölkerung, Mann, Weib und Kind, ihren Tag unter fremdem Dache (in den Fabrikſtuben) zubringen, oder auf Handels- füßen das Land durchziehen, die häuslichen Ver- hältniſſe ſehr locker, gewiſſermaßen unbedeutend ſind,
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raſtloſer und zumeiſt glücklicher Spekulant, vom
reichen Fabrikherrn, der mit Vieren fährt, bis zum
abgeriſſenen Herumſtreicher, der „Kirſchen für Lumpen“
ausbietet; und hier findet ſich der einzige Adel
Weſtphalens, der ſich durch Eiſenhämmer, Papier-
mühlen und Salzwerke dem Kaufmannsſtande an-
ſchließt. — Obwohl der Confeſſion nach katholiſch,
iſt das Fabrikvolk doch an vielen Orten bis zur
Gleichgültigkeit lau, und lacht nur zu oft über die
Schaaren frommer Wallfahrer, die vor ſeinen
Gnadenbildern beſtäubt und keuchend ihre Litaneien
abſingen, und an denen ihm der Klang des Geldes,
das ſie einführen, bei weitem die verdienſtvollſte
Muſik ſcheint. — Uebrigens beſitzt der Sauerländer
manche anziehende Seite; er iſt muthig, beſonnen,
von ſcharfem aber kühlem Verſtande, obwohl im
Allgemeinen berechnend, doch aus Ehrgefühl be-
deutender Aufopferungen fähig; und ſelbſt der ge-
ringſte beſitzt einen Anflug ritterlicher Galanterie
und einen naiven Humor, der ſeine Unterhaltung
äußerſt angenehm für denjenigen macht, deſſen
Ohren nicht allzu zart ſind. — Daß in einem
Lande, wo drei Viertel der Bevölkerung, Mann,
Weib und Kind, ihren Tag unter fremdem Dache
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/264>, abgerufen am 25.11.2024.
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