her das Pochen der Gewerke, denn wir sind in einem Fabriklande. -- Auch ist die Gegend anfangs, von der Nähe des Münsterlandes angehaucht, noch milder, die Thäler träumerischer, und tritt dagegen, wo sie sich dem eigentlichen Sauerlande nähert, schon kühner auf, als die Weser. Das "Felsenmeer" unweit Menden z. B., ein Thal, wo Riesen mit wüsten Felswürfeln gespielt zu haben scheinen -- und die Bergschlucht unter der Schloßruine und der bekannten Tropfsteinhöhle Klusenstein dürfen unbezweifelt einen ehrenvollen Platz im Gebiete des Wildromantischen ansprechen, sonderlich das Letzte und eben diese starr gegeneinander rückenden Fels- wände, an denen sich der kaum fußbreite Ziegenpfad windet -- oben das alte Gemäuer, in der Mitte der schwarze Höllenschlund, unten im Kessel das Getöse und Geschäum der Mühle, zu der man nur vermittelst Planken und Stege gelangt, und wo es immer dämmert -- sollen dem weiland vielgelesenen Spies den Rahmen zu einem seiner schlimmsten Schauerromane (ich glaube die Teufelsmühle im Höllenthal) geliefert haben. -- Doch sind dieses Ausnahmen, die Landschaften durchgängig sanft, und würden, ohne die industrielle Regsamkeit ihrer Bewohner, entschieden träumerisch sein. Sobald wir die Fläche überschritten, verliert sich indessen das Milde mehr und mehr, und bald begegnet es uns
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her das Pochen der Gewerke, denn wir ſind in einem Fabriklande. — Auch iſt die Gegend anfangs, von der Nähe des Münſterlandes angehaucht, noch milder, die Thäler träumeriſcher, und tritt dagegen, wo ſie ſich dem eigentlichen Sauerlande nähert, ſchon kühner auf, als die Weſer. Das „Felſenmeer“ unweit Menden z. B., ein Thal, wo Rieſen mit wüſten Felswürfeln geſpielt zu haben ſcheinen — und die Bergſchlucht unter der Schloßruine und der bekannten Tropfſteinhöhle Kluſenſtein dürfen unbezweifelt einen ehrenvollen Platz im Gebiete des Wildromantiſchen anſprechen, ſonderlich das Letzte und eben dieſe ſtarr gegeneinander rückenden Fels- wände, an denen ſich der kaum fußbreite Ziegenpfad windet — oben das alte Gemäuer, in der Mitte der ſchwarze Höllenſchlund, unten im Keſſel das Getöſe und Geſchäum der Mühle, zu der man nur vermittelſt Planken und Stege gelangt, und wo es immer dämmert — ſollen dem weiland vielgeleſenen Spies den Rahmen zu einem ſeiner ſchlimmſten Schauerromane (ich glaube die Teufelsmühle im Höllenthal) geliefert haben. — Doch ſind dieſes Ausnahmen, die Landſchaften durchgängig ſanft, und würden, ohne die induſtrielle Regſamkeit ihrer Bewohner, entſchieden träumeriſch ſein. Sobald wir die Fläche überſchritten, verliert ſich indeſſen das Milde mehr und mehr, und bald begegnet es uns
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her das Pochen der Gewerke, denn wir ſind in
einem Fabriklande. — Auch iſt die Gegend anfangs,
von der Nähe des Münſterlandes angehaucht, noch
milder, die Thäler träumeriſcher, und tritt dagegen,
wo ſie ſich dem eigentlichen Sauerlande nähert,
ſchon kühner auf, als die Weſer. Das „Felſenmeer“
unweit Menden z. B., ein Thal, wo Rieſen mit
wüſten Felswürfeln geſpielt zu haben ſcheinen —
und die Bergſchlucht unter der Schloßruine und
der bekannten Tropfſteinhöhle Kluſenſtein dürfen
unbezweifelt einen ehrenvollen Platz im Gebiete des
Wildromantiſchen anſprechen, ſonderlich das Letzte
und eben dieſe ſtarr gegeneinander rückenden Fels-
wände, an denen ſich der kaum fußbreite Ziegenpfad
windet — oben das alte Gemäuer, in der Mitte
der ſchwarze Höllenſchlund, unten im Keſſel das
Getöſe und Geſchäum der Mühle, zu der man nur
vermittelſt Planken und Stege gelangt, und wo es
immer dämmert — ſollen dem weiland vielgeleſenen
Spies den Rahmen zu einem ſeiner ſchlimmſten
Schauerromane (ich glaube die Teufelsmühle im
Höllenthal) geliefert haben. — Doch ſind dieſes
Ausnahmen, die Landſchaften durchgängig ſanft,
und würden, ohne die induſtrielle Regſamkeit ihrer
Bewohner, entſchieden träumeriſch ſein. Sobald
wir die Fläche überſchritten, verliert ſich indeſſen das
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/259>, abgerufen am 24.11.2024.
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