z. B. von Quellen durchrieselt, wo es sich recht an- muthig und sogar ein wenig schwindelnd durch die schlanken Stämme bergauf schauen läßt; liegt nun etwa noch ein Schlößchen droben, und gegenüber ein Steinbruch, der für's Auge so ziemlich die Klippen ersetzt, so wird der wandernde Maler gewiß sein Album hervorlangen, und der benachbarte Flach- länder kehrt von seiner Ferienreise mit Stoff zu langen Erzählungen und Nachentzückungen heim; ein Dorf am Fuße des Berges kann übrigens das Bild nur verderben, da das Bisthum Paderborn hiervon ausgemacht die elendesten und rauchigsten Exemplare Westphalens aufzuweisen hat, ein Um- stand, zu dem Uebervölkerung und Leichtsinn der Einwohner in gleichen Theilen beitragen.
Haben wir die paderbornsche Grenze -- gleichviel ob zur Rechten oder zur Linken -- überschritten, so beginnt der hochromantische Theil Westphalens, rechts das geistliche Fürstenthum Corvey, links die Grafschaft Mark; ersteres die mit Recht berühmten Weserlandschaften, das andere die gleichschönen Ruhr- und Lenne-Ufer umschließend. Diese beiden Pro- vinzen zeigen, obwohl der Lage nach getrennt, eine große Verwandtschaft der Natur, nur daß die eine durch segelnde Fahrzeuge, die andere durch das Pochen der Hämmer und Gewerke belebt wird; beide sind gleich lachend und fruchtbar, mit gleich wellen-
z. B. von Quellen durchrieſelt, wo es ſich recht an- muthig und ſogar ein wenig ſchwindelnd durch die ſchlanken Stämme bergauf ſchauen läßt; liegt nun etwa noch ein Schlößchen droben, und gegenüber ein Steinbruch, der für’s Auge ſo ziemlich die Klippen erſetzt, ſo wird der wandernde Maler gewiß ſein Album hervorlangen, und der benachbarte Flach- länder kehrt von ſeiner Ferienreiſe mit Stoff zu langen Erzählungen und Nachentzückungen heim; ein Dorf am Fuße des Berges kann übrigens das Bild nur verderben, da das Bisthum Paderborn hiervon ausgemacht die elendeſten und rauchigſten Exemplare Weſtphalens aufzuweiſen hat, ein Um- ſtand, zu dem Uebervölkerung und Leichtſinn der Einwohner in gleichen Theilen beitragen.
Haben wir die paderbornſche Grenze — gleichviel ob zur Rechten oder zur Linken — überſchritten, ſo beginnt der hochromantiſche Theil Weſtphalens, rechts das geiſtliche Fürſtenthum Corvey, links die Grafſchaft Mark; erſteres die mit Recht berühmten Weſerlandſchaften, das andere die gleichſchönen Ruhr- und Lenne-Ufer umſchließend. Dieſe beiden Pro- vinzen zeigen, obwohl der Lage nach getrennt, eine große Verwandtſchaft der Natur, nur daß die eine durch ſegelnde Fahrzeuge, die andere durch das Pochen der Hämmer und Gewerke belebt wird; beide ſind gleich lachend und fruchtbar, mit gleich wellen-
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z. B. von Quellen durchrieſelt, wo es ſich recht an-
muthig und ſogar ein wenig ſchwindelnd durch die
ſchlanken Stämme bergauf ſchauen läßt; liegt nun
etwa noch ein Schlößchen droben, und gegenüber
ein Steinbruch, der für’s Auge ſo ziemlich die
Klippen erſetzt, ſo wird der wandernde Maler gewiß
ſein Album hervorlangen, und der benachbarte Flach-
länder kehrt von ſeiner Ferienreiſe mit Stoff zu
langen Erzählungen und Nachentzückungen heim;
ein Dorf am Fuße des Berges kann übrigens das
Bild nur verderben, da das Bisthum Paderborn
hiervon ausgemacht die elendeſten und rauchigſten
Exemplare Weſtphalens aufzuweiſen hat, ein Um-
ſtand, zu dem Uebervölkerung und Leichtſinn der
Einwohner in gleichen Theilen beitragen.
Haben wir die paderbornſche Grenze — gleichviel
ob zur Rechten oder zur Linken — überſchritten,
ſo beginnt der hochromantiſche Theil Weſtphalens,
rechts das geiſtliche Fürſtenthum Corvey, links die
Grafſchaft Mark; erſteres die mit Recht berühmten
Weſerlandſchaften, das andere die gleichſchönen Ruhr-
und Lenne-Ufer umſchließend. Dieſe beiden Pro-
vinzen zeigen, obwohl der Lage nach getrennt, eine
große Verwandtſchaft der Natur, nur daß die eine
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/256>, abgerufen am 24.11.2024.
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