immer gestattet, und die wie eine große Oase, in dem sie von allen Seiten, nach Holland, Olden- burg, Cleve zu, umstäubenden Sandmeer liegt. In hohem Grade friedlich, hat sie doch nichts von dem Charakter der Einöde, vielmehr mögen wenige Land- schaften so voll Grün, Nachtigallenschlag und Blu- menflor angetroffen werden, und der aus minder feuchten Gegenden Einwandernde wird fast betäubt vom Geschmetter der zahllosen Singvögel, die ihre Nahrung in dem weichen Kleiboden finden. Die wüsten Steppen haben sich in mäßige, mit einer Haideblumendecke farbig überhauchte Weidestrecken zusammengezogen, aus denen jeder Schritt Schwärme blauer, gelber und milchweißer Schmetterlinge auf- stäuben läßt. Fast jeder dieser Weidegründe enthält einen Wasserspiegel, von Schwertlilien umkränzt, an denen Tausende kleiner Libellen wie bunte Stäbchen hängen, während die der größeren Art bis auf die Mitte des Weihers schnurren, wo sie in die Blätter der gelben Nymphäen wie goldene Schmucknadeln in emaillirte Schalen niederfallen, und dort auf die Wasserinsekten lauern, von denen sie sich nähren. Das Ganze umgrenzen kleine, aber zahlreiche Wal- dungen. Alles Laubholz, und namentlich ein Eichen- bestand von tadelloser Schönheit, der die holländische Marine mit Masten versieht -- in jedem Baume ein Nest, auf jedem Aste ein lustiger Vogel und
immer geſtattet, und die wie eine große Oaſe, in dem ſie von allen Seiten, nach Holland, Olden- burg, Cleve zu, umſtäubenden Sandmeer liegt. In hohem Grade friedlich, hat ſie doch nichts von dem Charakter der Einöde, vielmehr mögen wenige Land- ſchaften ſo voll Grün, Nachtigallenſchlag und Blu- menflor angetroffen werden, und der aus minder feuchten Gegenden Einwandernde wird faſt betäubt vom Geſchmetter der zahlloſen Singvögel, die ihre Nahrung in dem weichen Kleiboden finden. Die wüſten Steppen haben ſich in mäßige, mit einer Haideblumendecke farbig überhauchte Weideſtrecken zuſammengezogen, aus denen jeder Schritt Schwärme blauer, gelber und milchweißer Schmetterlinge auf- ſtäuben läßt. Faſt jeder dieſer Weidegründe enthält einen Waſſerſpiegel, von Schwertlilien umkränzt, an denen Tauſende kleiner Libellen wie bunte Stäbchen hängen, während die der größeren Art bis auf die Mitte des Weihers ſchnurren, wo ſie in die Blätter der gelben Nymphäen wie goldene Schmucknadeln in emaillirte Schalen niederfallen, und dort auf die Waſſerinſekten lauern, von denen ſie ſich nähren. Das Ganze umgrenzen kleine, aber zahlreiche Wal- dungen. Alles Laubholz, und namentlich ein Eichen- beſtand von tadelloſer Schönheit, der die holländiſche Marine mit Maſten verſieht — in jedem Baume ein Neſt, auf jedem Aſte ein luſtiger Vogel und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0251"n="235"/>
immer geſtattet, und die wie eine große Oaſe, in<lb/>
dem ſie von allen Seiten, nach Holland, Olden-<lb/>
burg, Cleve zu, umſtäubenden Sandmeer liegt. In<lb/>
hohem Grade friedlich, hat ſie doch nichts von dem<lb/>
Charakter der Einöde, vielmehr mögen wenige Land-<lb/>ſchaften ſo voll Grün, Nachtigallenſchlag und Blu-<lb/>
menflor angetroffen werden, und der aus minder<lb/>
feuchten Gegenden Einwandernde wird faſt betäubt<lb/>
vom Geſchmetter der zahlloſen Singvögel, die ihre<lb/>
Nahrung in dem weichen Kleiboden finden. Die<lb/>
wüſten Steppen haben ſich in mäßige, mit einer<lb/>
Haideblumendecke farbig überhauchte Weideſtrecken<lb/>
zuſammengezogen, aus denen jeder Schritt Schwärme<lb/>
blauer, gelber und milchweißer Schmetterlinge auf-<lb/>ſtäuben läßt. Faſt jeder dieſer Weidegründe enthält<lb/>
einen Waſſerſpiegel, von Schwertlilien umkränzt, an<lb/>
denen Tauſende kleiner Libellen wie bunte Stäbchen<lb/>
hängen, während die der größeren Art bis auf die<lb/>
Mitte des Weihers ſchnurren, wo ſie in die Blätter<lb/>
der gelben Nymphäen wie goldene Schmucknadeln<lb/>
in emaillirte Schalen niederfallen, und dort auf die<lb/>
Waſſerinſekten lauern, von denen ſie ſich nähren.<lb/>
Das Ganze umgrenzen kleine, aber zahlreiche Wal-<lb/>
dungen. Alles Laubholz, und namentlich ein Eichen-<lb/>
beſtand von tadelloſer Schönheit, der die holländiſche<lb/>
Marine mit Maſten verſieht — in jedem Baume<lb/>
ein Neſt, auf jedem Aſte ein luſtiger Vogel und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[235/0251]
immer geſtattet, und die wie eine große Oaſe, in
dem ſie von allen Seiten, nach Holland, Olden-
burg, Cleve zu, umſtäubenden Sandmeer liegt. In
hohem Grade friedlich, hat ſie doch nichts von dem
Charakter der Einöde, vielmehr mögen wenige Land-
ſchaften ſo voll Grün, Nachtigallenſchlag und Blu-
menflor angetroffen werden, und der aus minder
feuchten Gegenden Einwandernde wird faſt betäubt
vom Geſchmetter der zahlloſen Singvögel, die ihre
Nahrung in dem weichen Kleiboden finden. Die
wüſten Steppen haben ſich in mäßige, mit einer
Haideblumendecke farbig überhauchte Weideſtrecken
zuſammengezogen, aus denen jeder Schritt Schwärme
blauer, gelber und milchweißer Schmetterlinge auf-
ſtäuben läßt. Faſt jeder dieſer Weidegründe enthält
einen Waſſerſpiegel, von Schwertlilien umkränzt, an
denen Tauſende kleiner Libellen wie bunte Stäbchen
hängen, während die der größeren Art bis auf die
Mitte des Weihers ſchnurren, wo ſie in die Blätter
der gelben Nymphäen wie goldene Schmucknadeln
in emaillirte Schalen niederfallen, und dort auf die
Waſſerinſekten lauern, von denen ſie ſich nähren.
Das Ganze umgrenzen kleine, aber zahlreiche Wal-
dungen. Alles Laubholz, und namentlich ein Eichen-
beſtand von tadelloſer Schönheit, der die holländiſche
Marine mit Maſten verſieht — in jedem Baume
ein Neſt, auf jedem Aſte ein luſtiger Vogel und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/251>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.